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USA Alexander Soros: Wer ist der Erbe des Soros-Imperiums?

Alexander Soros stammt aus der zweiten Ehe von Investmentlegende George Soros. Der 37-Jährige übernimmt nun die Geschäfte der berühmten Open Society Foundation
Alexander Soros stammt aus der zweiten Ehe von Investmentlegende George Soros. Der 37-Jährige übernimmt nun die Geschäfte der berühmten Open Society Foundation
© IMAGO/The Photo Access
George Soros übergibt sein Firmen-Imperium an Sohn Alexander. Was zeichnet den 37-Jährigen aus, der lange Zeit nicht für die Rolle vorgesehen war?

Wie einträchtig das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist, zeigt vielleicht am besten ein Bild aus dem Juni 2022. Da sitzt Alexander Soros – markante Hornbrille, Drei-Tage-Bart, schwarzer Zip-Pullover – lächelnd auf einer Bank neben seinem Vater, der Investorenlegende George Soros, und legt den Arm um den älteren Herrn. Hinter ihnen strahlt die Golden Gate Bridge, über ihnen die Sonne.

Alexander Soros hat das Foto selbst im vergangenen Jahr zum Vatertag gepostet, versehen mit Glückwünschen an den „Goat“ – den größten aller Zeiten, so scheint er also seinen Vater zu sehen. Auch der hält offenbar große Stücke auf seinen Sohn – und hat ihn nun unter seinen fünf Kindern zum Nachfolger erkoren. Dass Alexander Soros an die Spitze des familiären 25-Mrd.-Dollar-Imperiums rückt, war keineswegs immer ausgemacht. Der Alte hat bei seiner Wahl nämlich einige naheliegendere Optionen übergangen.

Lange Zeit sah es nach anderen Lösungen aus. Viele Jahre galt Alexanders Halbbruder Jonathan als designierter Nachfolger. Dann zerstritt er sich mit seinem Vater und gründete eigene Unternehmen. Auch in Soros‘ Investmentreich gab es immer wieder aufstrebende Manager, die als Nachfolger gehandelt wurden. Doch auch hier verlor der Patriarch irgendwann das Vertrauen.

Bei Alexander verlief es andersrum. Sein Aufstieg begann mit einem Tiefpunkt. Im Jahr 2009, der junge Soros war gerade 24 Jahre alt, postete er einen Beitrag auf Facebook: „Chille in Papas Haus in Southampton, trinke billiges Bier, während wir mit der Familienyacht rumschippern, und mache mit den Babes rum.“ Amerikanische Boulevardmedien griffen den Beitrag auf und lösten einen Shitstorm aus. Der Haussegen bei den Soros hing schief, der Ruf der gesamten Familie schien beschädigt – was im Fall der Soros schon etwas heißen muss. Vater George steht seit Jahrzehnten im Visier von Verschwörungsideologen und rechten Politikern, die ihm vorwerfen, eine eigene Weltordnung durchzusetzen.

Alexander Soros bezeichnet den Facebook-Post heute als Schlüsselerlebnis. Er habe keines dieser verwöhnten Kinder wie Paris Hilton sein wollen, die man nur wegen ihrer Partys kenne. Er habe beschlossen, so zu werden wie sein Vater – allerdings mit einem klaren Fokus: Da sein Halbbruder Jonathan schon die Hedgefonds-Sparte erben sollte, habe er, Alexander, die andere Hälfte des väterlichen Imperiums übernehmen wollen, die Philanthropie. Eine zweite Leidenschaft von George Soros.

Im Fokus von Verschwörungsmythen

Der mittlerweile 92-Jährige hat seit den 1970er Jahren ein Netzwerk aus Wohltätigkeitsorganisationen aufgebaut. Mit seinen Open Society Foundations (OSF) hat er seit 1979 hunderte Initiativen unterstützt, von Bürgerrechtsbewegungen, Bildungseinrichtungen bis hin zu Armutsprojekten. Doch sein Fokus auf liberale und demokratiefördernde Anliegen machte Soros auch zum Feindbild, gerade für Antisemiten. Die sehen in ihm die „Spitze des Weltfinanzzionismus“, einem Verschwörungsmythos, wonach jüdische Superreiche die Weltpolitik im Hintergrund steuern.

Soros Senior kämpft seit Jahren gegen dieses Bild an. Auch deshalb freute sich Soros, als ihm sein Sohn vor einigen Jahren zur Seite sprang. Von den anderen vier Kindern begeisterte sich keines für die Philantrophie. Eine Theorie lautet, dass er deshalb Alexander förderte. Eine andere lautet, dass Soros ein schlechtes Gewissen gehabt haben soll. Alexander stammt aus der zweiten von drei Ehen, und Soros Senior schenkte ihm nie sonderlich viel Aufmerksamkeit. Alexander litt darunter, fraß den Kummer in sich hinein, war übergewichtig, depressiv und schüchtern. „Ich habe mich ungewollt gefühlt“, sagte Alexander einst über seinen Vater.

Alexander, der Lehrling

Als George das ernsthafte Bemühen seines Sohnes erkannte, engagierte er Berater, um ihn zu formen. Sie brachten ihm bei, wie man Reden hält, wie man Interviews gibt, wie man für Fotos posiert, was man anzieht. Alexander begleitete seinen Vater zunächst auf Reisen, wo er als „Lehrling“ vorgestellt wurde. Später betreute er erste kleinere Projekte in Afrika. Eines der ersten beinhaltete Reformen für den Kongo. Später ging Alexander für Transparency International nach Berlin, reiste in den Amazonas und besuchte mehrfach Israel. Es heißt, dass Alexander deutlich politischer geworden sei. Zwischen 2004 und 2006 arbeitete er schon einmal für die Familienstiftung. Damals galt er aber als schüchtern und niemand traute ihm den heutigen Weg zu. Aber: Aus dem Jungen, der in Meetings meistens schwieg, wurde über die Jahre ein Mann mit Profil und Ausdrucksstärke.

Es gibt aber auch die anderen Berichte: Soros sei unzuverlässig, heißt es. Von Plänen halte er nur wenig, und wenn, dann sortiere er sie streng nach der eigenen Laune. Die Welt müsse sich schon nach ihm richten, und nicht umgekehrt, heißt es. Einmal sollte er für die Stiftung nach Jordanien reisen und dort ein Flüchtlingslager besuchen. Er kam aber einen Tag später, weil er lieber am Vorabend Freunde in Tel Aviv besuchte. Dass dutzende Menschen auf ihn in Jordanien warteten, scherte ihn dabei wenig.

Wenn er dann aber mal erscheine, so sagen Begleiter, sei er für viele Projekte zu begeistern. Wer zahlt, bestimme die Musik. So sei das eben auch bei Alexander Soros.

Begeistern kann sich Soros vor allem für Sport, insbesondere für American Football. An Spieltagen sei er nicht zu erreichen, sagt sein Freund Svante Myrick über ihn im Wall Street Journal (WSJ). „Für Alex gilt Football, Philosophie und Politik, in dieser Reihenfolge“. Im Gegensatz zu seinem Vater interessiere er sich auch wenig für Finanzen, und konnte ihn im Gegenzug bislang nicht für Football begeistern. Stattdessen diskutierten sie stundenlang über Ideen und Weltpolitik. Sein Dissertationsthema, „Jüdischer Dionysos: Heine, Nietzsche und die Politik der Literatur“, begeisterte seinen Vater angeblich. Beide teilen viele Werte, sagen sie in einem gemeinsamen WSJ-Interview.

Alexander ist kompromissfähiger

Trotzdem ist beiden klar, dass die Unterschiede überwiegen. Alexander konzentriert sich auf innenpolitische Themen. Vater George will die gesamte Welt verbessern. Alexander hilft den Demokraten dabei, Latino-Wähler anzusprechen und die Wahlbeteiligung unter schwarzen Wählern zu erhöhen. George fährt einen deutlichen Kurs gegen die Republikaner. „Nur weil jemand Trump wählt, heißt das nicht, dass er verloren oder rassistisch ist“, sagt Alexander. Soros Senior nennt Trump hingegen einen „Blender, Hochstapler und Möchtegerndiktator“.

Hier wird auch ein weiterer Unterschied deutlich: Alexander ist nicht so laut, nicht so souverän wie sein Vater. Er fühlt sich in großen öffentlichen Räumen unwohl, sagen Freunde über ihn – auch, weil ihm die Erfahrung fehle. Seine Ernennung könnte der Organisation aber in einer wichtigen Hinsicht helfen. „Es ist unwahrscheinlich, dass Alex der Buhmann sein wird, der George Soros für die Rechten war“, sagt Anthony Romero, Geschäftsführer der American Civil Liberties Union, die von Soros finanziert wird. Alex wolle mehr Meinungsfreiheit, nicht weniger. „Ich habe einige Differenzen mit meiner Generation in Bezug auf die Redefreiheit und andere Dinge – mein Abendprogramm war früher, Bill Maher im Fernsehen zu schauen“, sagte er und bezog sich dabei auf die Fernsehpersönlichkeit und bekannten Verfechter des ersten Verfassungszusatzes.

Mit solchen Forderungen rennt Soros offene Türen bei Donald Trump ein. Das will er sicher nicht, aber letztlich ist das unerheblich. Seiner Organisation könnte das schließlich helfen, sollte Trump ab 2025 wieder ins Weiße Haus ziehen. Schon 2016 gab es Befürchtungen, dass der Kongress die OSF wegen ihrer Auslandsprojekte untersuchen könnte. Einige Stiftungsmitglieder drängten damals auf einen zurückhaltenden Ansatz. Alex Soros stimmte zwar für das Gegenteil, war allerdings auch noch nicht in Verantwortung. Jetzt, mit Alexander, sei die Ausgangslage besser, sagen Wegbegleiter. Er wolle zwar politischer sein. Das hieße aber auch, Kompromisse eingehen zu müssen. Selbst wenn die Person auf der Gegenseite Donald Trump heißt.

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