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Landwirtschaft Was wollen Sie über Ihr Steak wissen? Ein QR-Code gibt Auskunft

Kühe auf der Weide
Für glückliche Rinder und Kühe, wären Verbraucherinnen und Verbraucher schon bereit, höhere Preise zu zahlen
© Eibner Europa / IMAGO
Viehhaltung soll transparenter werden, fordern Verbraucher und Tierschützer. Erste Start-ups entwickeln alltagstaugliche Lösungen 
 

Das Rind wurde drei Jahre alt, lebte auf der Schwäbischen Alb und legte in seinem Leben rund 9,7 Millionen Schritte zurück. Angaben wie diese könnten Verbraucherinnen und Verbraucher irgendwann per QR-Code-Scan im Supermarkt, im Restaurant oder in der Kantine nachlesen. Vielleicht könnten sie daraus schließen, dass das Tier ein gutes Leben hatte, irgendwo auf einer Weide. Aber momentan sieht die Realität noch anders aus.

Dabei würde der Großteil der Verbraucher sogar schon mehr für Fleisch aus besserer Tierhaltung bezahlen: Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigt, würden 58 Prozent mehr Geld ausgeben, wenn höhere Standards gegeben sind. Ein Viertel würde das nicht tun. Noch haben Labels, Siegel und Farbcodes auf den Wurst- und Hackfleischverpackungen noch nicht die Transparenz gebracht, die sich Verbraucher, Tierschützer und Politik wünschen. 

Schrittzähler und QR-Codes für das Tierwohl

Ein Extrembeispiel für Transparenz in der Viehhaltung ist das Konzept des Stuttgarter Start-ups „Million Steps“ („Millionen Schritte“). Das 2022 gegründete Unternehmen hat in seiner Testphase Rinder und Kühe mit Chips an den Ohren ausgestattet, die mithilfe von GPS-Satelliten die Bewegung der Tiere verfolgen und speichern können. Mit diesen Daten will das Start-up ein Label auf den Markt bringen, das die Art der Tierhaltung digital veranschaulichen kann. Bei Milchprodukten oder Rindfleisch könnten Kunden dann einen QR-Code scannen und unter anderem den Geburtsort und die Schritte des Tieres einsehen, die es auf einer Weide zurücklegt hat. „Wir wollten keinen komplexen Regelkatalog für ein Label haben, sondern die Daten einfach transparent dem Endverbraucher zeigen“, sagt Geschäftsführer Rico Noël. Zurzeit befinde sich das Produkt noch in der Entwicklungsphase.

Angaben wie das Bio-Siegel, Tierwohl-Label oder zur Haltungsform wurden bisher auf freiwilliger Basis angegeben. Im Juni 2023 wurde dann ein Gesetz für eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung beschlossen, demzufolge es fünf Haltungsformen gibt von „Stall“ bis „Bio“. Diese Kennzeichnung gilt vorerst für Schweinefleisch und soll bald auch auf andere Tierarten übertragen werden.

Agrarminister Cem Özdemir brachte Anfang dieses Jahres zudem neue Regelungen für die Landwirtschaft auf den Weg: unter anderem strengere Vorgaben für bessere Lebensbedingungen von Tieren und eine neue Regelung zur Herkunftskennzeichnung beim Fleischkauf. Unverpacktes Fleisch muss demnach mit der Herkunft gekennzeichnet sein. Der politische Trend ist sichtbar: Es soll mehr Transparenz in der Viehhaltung her.

Können Tiere ohne Leid wirtschaftlich gehalten werden?

Die Verbraucherzentralen begrüßen die Regelung zu Herkunftskennzeichnungen beim Fleischkauf, fordern aber weitergehende Schritte etwa für Kantinen und Restaurants. Die Chefin des Bundesverbandes, Ramona Pop, wies Ende Januar darauf hin, dass Verbraucher in der Speisekarte erkennen können sollten, woher das Fleisch auf ihrem Teller stammt.

Auch die Tierschutzorganisation Peta befürwortet den Trend zu mehr Transparenz und kritisiert gleichzeitig den bisherigen Umgang mit Informationen. Für die Agrarwissenschaftlerin und Peta-Fachreferentin für Tiere in der Ernährungsindustrie, Lisa Kainz, ist das neue Herkunftskennzeichnungsgesetz kontraproduktiv. Wenn Fleisch aus Deutschland komme, bestehe der Irrglaube, dies sei ein besonderes Qualitätsmerkmal. „Dem ist aber in keinster Weise so. Die Tierschutzgesetze in Deutschland sind marginal“, beklagt Kainz. Die Wissenschaftlerin wünscht sich eine Anpassung des Konsumverhaltens. Denn Tiere könnten nicht wirtschaftlich gehalten werden, ohne dass sie darunter leiden müssten.

Umsetzbarkeit in Landwirtschaft

Was viele Landwirtinnen und Landwirte bereits nutzen, ist die elektronische Verfolgung ihrer Tiere. Milchbäuerin Kerstin Wosnitza  hat ihre 110 Kühe in Nordfriesland beispielsweise mit Sensoren ausgestattet, die die Bewegungen aufzeichnen. So erhält sie Informationen über Tierwohl, Gesundheit und Fruchtbarkeit. Größere Betriebe hätten das häufig, um ihre Herden besser „managen“ zu können, sagt die Bäuerin. Dass diese Daten der digitalen Überwachung wie bei „Million Steps“ zusätzlich an die Verbraucher weitergegeben werden könnten, geht aber noch einen Schritt weiter. Wosnitza engagiert sich im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter engagiert und ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ist. Eine Kopplung der Daten zur Umsetzung eines verbraucherorientierten Konzepts kann sie sich gut vorstellen.

Grundsätzlich sei jedoch die Bereitschaft der Verbraucher wichtig, mehr Geld für mehr Tierwohl ausgeben zu wollen. „Wenn keine Gelder auch von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden“, sagt Wosnitza, „dann werden es die im harten Wettbewerb wirtschaftenden Tierhalter sehr schwer haben, sich mit ihrer Tierhaltung dem anzunähern, was Verbraucher, was Bürger gerne wollen.“

vr/dpa

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