Es war eine Meldung wie ein Gongschlag, die selbst langjährige Branchenbeobachter überrascht haben dürfte. Das Unternehmen Rolex SA übernimmt den Schweizer Traditionsjuwelier Bucherer mit 36 europäischen Filialen, darunter zehn Niederlassungen in Deutschland. Auch die Uhreneigenmarke Carl F. Bucherer des 1888 in Luzern gegründeten Schmuckspezialisten gehört zum Portfolio der nun erworbenen Gruppe, ebenso wie weitere Ketten (unter andrem Swiss Lion) sowie 32 US-Fachgeschäfte unter dem Namen Tonneau.
Der Markenname Bucherer soll nach bisherigem Kenntnisstand erhalten bleiben, was mit der eigenen Zeitmesserschmiede passiert, ist noch unklar. Ebenso wie die Reaktionen anderer Uhrenpartner des Hauses, beispielsweise Patek Philippe, Omega oder IWC. Mit insgesamt 100 Points of Sale weltweit besitzt Bucherer immerhin den Status eines Branchenprimus. Daher dürfte der avisierte Deal im nächsten Schritt die Schweizer Kartellwächter beschäftigen. Mit ungewissem Ausgang. Schließlich kauft hier die Nummer eins im Segment für Luxusuhren – Marktanteil mit der Schwestermarke Tudor: stolze 30,9 Prozent bei geschätzten 9,5 Mrd. Umsatzeuros in 2022 – den weltgrößten Juwelier.
Zu den Gründen ist zu hören, dass Jörg Bucherer (87), der das Familienunternehmen in dritter Generation führte, gemeinsam mit (Noch-?)CEO Guido Zumbühl, keinen Nachfahren zum Einstieg bewegen konnte. Mit der Marke Rolex verbinden den Juwelier zudem nicht nur eine über 90-jährige Zusammenarbeit, die bis zur Ära von Rolex-Gründer Hans Wilsdorf zurückreicht, sondern auch aktuelle Projekte wie der Verkauf offiziell zertifizierter Gebrauchtmodelle in Bucherer-Boutiquen.
Der Kampf im stationären Handel verschärft sich
Für Wettbewerber, andere Manufakturen wie Juweliere, manifestiert sich mit der Übernahme einmal mehr die Befürchtung, dass sich der Kampf im stationären Handel mit Luxusuhren weiter verschärfen dürfte. Die letzten Jahre waren bereits gezeichnet von disruptiven Strategiewechseln und dem Bemühen um größtmögliche Vertikalisierung. So zog sich Audemars Piguet zugunsten eigener Standorte weitgehend aus dem Partnergeschäft zurück und Patek Philippe kündigte eine Ausdünnung des Vertriebsnetzes an. Ähnliches ist auch bei Breitling und anderen zu beobachten.
Sorge haben, dass nun über Nacht sämtliche Bucherer-Fillialen zu Rolex-Boutiquen umfirmiert werden, muss der offiziellen Pressemeldung des Unternehmens nach niemand. Auch das aktuelle Management soll wohl an Bord bleiben. Alles andere wäre ohnehin völlig unpraktikabel, schließlich gibt es bei einer Jahresproduktion von ungefähr einer Million Rolex-Modellen pro Jahr bereits jetzt erhebliche Engpässe. Eine Belieferung von Dutzenden neuer (eigener) Filialen würde daher jegliche Kapazität sprengen.
Ob bisherigen Rolex-Konzessionären nun mittelfristig eine Kündigungswelle droht, bleibt abzuwarten. Die Furcht, weitere „Leuchttürme“ im Schaufenster zu verlieren, dürfte die Juweliere jedoch definitiv beschäftigen, insbesondere abseits der Metropolen. Zudem wird die eine oder andere bisher von Bucherer angepriesene Marke wohl in sich gehen und überlegen, ob und wie man sich mit dem geänderten Organigramm arrangieren kann und will. Sofern die Marktmacht des Luzerner Multis jegliche Ausweichpläne überhaupt ökonomisch denkbar macht.
Den kleineren Playern in der Uhrenindustrie und den inhabergeführten Fachgeschäften bleibt allerdings ein Alternativszenario, das Stephan Lindner, Präsident des Handelsverbandes Juweliere (BVJ), vor einiger Zeit gegenüber Capital skizzierte. Wohlgemerkt vor dem Rolex-Bucherer-Deal. Lindner verwies unter anderem darauf, dass eigene Boutiquen in Bestlagen – im Vergleich zum Verkauf über Partner – einen erheblichen finanziellen Aufwand bedeuteten und sich keinerlei Mitnahmeeffekte erzielen ließen. Etwa, wenn ein Kunde mit dem Wunsch, eine Breitling zu kaufen, den Laden final mit einer Omega am Arm verlässt. Oder umgekehrt. Er könne sich vorstellen, dass der forcierten Vertikalisierung der Uhrenmarken in einigen Jahren eine Rückbesinnung auf die treue Stammkundschaft und die lokale Expertise unabhängiger Juweliere folgt. Nicht zu vergessen: Die von ihm geschulterten Nebenkosten und Risiken. Ob Lindner mit dieser Einschätzung richtig liegt, wird die Zeit zeigen.
Bis dahin allerdings, das macht die Akquise von Bucherer klar wie Saphirglas, werden die Big Brands munter weiter ihre Muskeln spielen lassen.