In der Geschichte der Luftfahrt geht eine Ära zuende. Seit den 1970er-Jahren beherrschte der allererste „Jumbojet“ den Himmel – nun wird das letzte fabrikneue Modell der Boeing 747 ausgeliefert, an das US-Unternehmen Atlas Air.
Zwar fliegen derzeit noch viele Maschinen dieses Typs durch die Welt. Doch in dem weltgrößten Hangar im Boeing-Werk Everett, im amerikanischen Bundesstaat Washington, wurde die allerletzte „Königin der Lüfte“ montiert.
Ihren Jungfernflug absolvierte die Ikone vor fast genau 54 Jahren – am 9. Februar 1969. Mit seiner Größe und dem formgebenden Oberdeck revolutionierte das damals größte Passagierflugzeug der Welt die zivile Luftfahrt: Ab sofort konnten weitaus mehr Passagiere mit einem einzigen Flugzeug transportiert werden. „Es ist das Flugzeug, das die Branche und den Flugverkehr neu definiert hat“, sagte Guy Norris, Mitautor von „Boeing 747: Design und Entwicklung seit 1969“.
Den ersten kommerziellen Flug führte ein Jahr später die amerikanische Luftfahrtgesellschaft Pan Am durch. Später wurden mit dem vierstrahligen Jumbojet auch Transatlantikflüge für eine breitere Masse zugänglich. Die 747 wurde in Europa und auf der Welt ein unauslöschliches Stück Amerika.
Fünf Jahrzehnte prägte die 747 den Himmel in aller Herren Länder. Seit Boeing ebenso wie Airbus modernere Verkehrsflugzeuge entwickelten, die weniger Treibstoff verbrauchen, ging die Nachfrage zurück. Als Boeing im Juli 2020 das Ende ihrer Produktion bestätigte, wurde nur noch ein halbes Flugzeug pro Monat produziert.
Die letzte 747 wurde am 7. Dezember ausgeliefert, womit das Programm nach Angaben von Boeing mit insgesamt 1.574 Exemplaren in seiner Geschichte endete. Das Nachfolgemodell der 747, der Großraumjet 777X, wird frühestens 2025 zur Auslieferung bereit sein. Erst hatte Boeing die Premiere bis 2023 vertagt und deshalb eine Milliardenbelastung verbucht. Lufthansa gehört zu den Erstkunden und sollte den Jet ursprünglich 2020 erhalten.
Eine Zeitreise mit der Boeing 747

Boeing hat die die als „Königin der Lüfte“ bekannte 747 als das erste vierstrahlige Verkehrsflugzeug der Welt in 28 Monaten konstruiert. Das Werk in Everett, Washington, wurde 1967 für die Produktion des Mammutjets gebaut und ist seither der Standort geblieben. Nach Angaben des Flugzeugbauers ist das Werk nach wie vor die größte Produktionsstätte der Welt. Im Oktober 1969 ist hier der Jumbojet bei der Endmontage zu sehen.

Wegen starken Nebels musste im Januar 1970 eine Boeing 747 der Pan American World Airways (PanAm) auf einem Flug von New York nach London zum Frankfurter Flughafen umgeleitet werden. Später wurde Lufthansa einer der wichtigsten 747-Kunden. Von der jüngsten Passagierversion 747-8, mit der Boeing nach der Jahrtausendwende gegen den noch größeren Airbus A380 punkten wollte, gingen 19 der insgesamt nur 47 Exemplare an die Frankfurter. Die letzte Maschine übergab der Hersteller im Dezember 2015. Die deutsche Fluggesellschaft hat auch noch einige ältere Boeing 747-400 im Bestand.

Bilder wie diese stehen wie wenige andere für die Revolution in der Geschichte der Luftfahrt. Im Januar 1970 landete eine Boeing 747 „Jumbo-Jet“ der PanAm auf dem Londoner Flughafen Heathrow. Die in dem legendären PanAm-Blau uniformierte Besatzung posierte winkend im Vordergrund des Flugzeuges. Es war die erste Landung eines Jumbo-Jets auf europäischem Boden.

So sah in den ersten Jahren eine Erste-Klasse-Lounge aus. Vor dem Massentourismus war das Fliegen nur den reichsten Passagieren vorbehalten. Das änderte sich zwar mit der Boeing 747, aber in den Anfängen bot sie ein exklusives luxuriöses Erlebnis. Die Sitze waren breit, boten viel Beinfreiheit und hatten üppige Polster. Die Mahlzeiten wurden mit Silberbesteck serviert, und als erstes Düsenflugzeug mit einer „oberen Etage“ konnten Passagiere das Oberdeck über eine Wendeltreppe erreichen.

Der Jumbojet verhieß lange die ultimative Geräumigkeit, wie hier in der Kabine einer Boeing 747-200 von KLM am niederländischen Flughafen Schiphol in den 1980er-Jahren. Später zählte jeder Zentimeter, um so viel Passagiere wie möglich zu befördern. Die jüngste Variante 747-8, die über ein längeres Oberdeck, neue Tragflächen sowie sparsamere Triebwerke verfügte, bietet Platz für mehr als 600 Passagiere. Im Dezember waren noch 448 der Jumbojets im Einsatz. Die meisten Chancen auf einen Flug damit hat man bei Lufthansa oder Korean Air.

Die „City of Bangkok“ war die älteste bis vor kurzem noch in Betrieb befindliche B747 der Welt. Sie trug fast 30 Jahre die KLM-Lackierung um die Welt. Im Jahr 1989 wurde das Flugzeug vor seiner Inbetriebnahme durch die die niederländische Fluggesellschaft in einer aufwändigen Zeremonie am Flughafen Schiphol durch thailändische Mönche gesegnet und getauft. Erst 1991 flog das Flugzeug tatsächlich zum ersten Mal nach Bangkok. Der letzte Flug führte es von Los Angeles nach Amsterdam.

So sah das Cockpit einer Boeing 747 Jumbo in früheren Jahren aus. Zu der Zeit hatte die „Königin der Luftfahrt“ ihre beste Zeit wohl noch nicht hinter sich. Im Jahr 1990, dem Spitzenjahr der meistverkauften 747-400-Version, wurden phänomenale 70 Exemplare ausgeliefert. Im vergangenen Jahr lieferte Boeing nur noch fünf Stück der 747 aus. Inzwischen setzen die meisten Fluggesellschaften auf der Langstrecke auf Modelle, die nicht ganz so groß sind, darunter die Boeing-Typen 787 „Dreamliner“ und 777 sowie der Airbus A350.

Für eine sehr spezielle Fracht baute die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA den Jumbojet um: zum Tragen der Space Shuttle. In der Ära des Space-Shuttle-Programms wurden die „Shuttle Carrier Aircraft“ oder SCA eingesetzt, um die Weltraumfähren von den Landestellen zurück zum Startkomplex am Kennedy Space Center zu bringen – oder zu anderen Orten, die für den Bodentransport zu weit waren. Hier ist die SCA im September 2012 unterwegs zum Los Angeles International Airport, von wo die Shuttle ihre letzte Reise zu ihrem finalen Bestimmungsort antrat: dem Museum im California Space Center.

Besucher konnten ihn noch auf dem Gelände der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Schönefeld bei Berlin betrachten: Die Boeing 747-8 der Lufthansa wurde zum „Siegerflieger“ umgewidmet, um die Weltmeister-Auswahl des DFB von 2014 in Brasilien einzusammeln und die Mannschaft zur Siegesfeier nach Berlin zu fliegen. Vier Jahre später entfernte die Lufthansa den goldenen Schriftzug wieder, die Maschine trägt jetzt wieder den Städtenamen „Potsdam“.

Der saudische König Salman bin Abdulasis verlässt auf der Andrews Air Force Base von Camp Springs in Maryland seinen Regierungsflieger – eine Boeing 747. Der saudische König besuchte 2015 die USA, um Präsident Obama zu treffen, und wurde von Außenminister Kerry auf dem Rollfeld empfangen. Nicht wenige Jumbojets wurden luxuriös zu Staatsfliegern umgebaut und teilweise in den Innenräumen mit Gold verkleidet, wie es dem Sultan von Brunei nachgesagt wurde. Auch Kuwait, Marokko und Südkorea wählten die Boeing 747 zum Regierungsflieger aus. Die Türkei soll ihn als Geschenk von Katar erhalten haben. Zuletzt ersetzte Ägypten einen Airbus A340, und auch über Chinas Präsident wird berichtet, dass er ein Exemplar der Air China für Regierungszwecke umwidmen will.

US-Präsident Biden ließ seine Regierungsmaschine Air Force One im vergangenen Jahr umspritzen. Offiziell wurden Temperaturbedenken angeführt. Doch wollte der demokratische Wahlsieger von den grellen Farben rot, weiß und blau seines Vorgängers Trump zu einem gedämpften Blau zurückkehren. Boeing sollte noch zwei Boeing-747-800-Modelle für die US-Regierung umbauen, um zwei in die Jahre gekommene 747-200 zu ersetzen. Die großen US-Airlines United und Delta hatten die Maschinen schon vor Jahren aus ihren Flotten genommen, in der Corona-Pandemie folgten auch Qantas und British Airways.

Für den ersten Einsatz eines Jumbojets als fliegende Startrampe für Weltraumsatelliten von britischem Boden baute Virgin eine Maschine zum „Cosmic Girl“ um. Sie hob vor wenigen Tagen vom Flughafen Newquay im Südwesten Englands ab, um in rund 10 Kilometern Höhe über dem Atlantischen Ozean eine Trägerrakete ins All zu schicken. Die Rakete sollte neun kleine Satelliten in die Umlaufbahn bringen, hat diese aber wegen „Anomalien“ nicht erreicht.