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Vergütung von Künstlern „Streaming-Plattformen sind für aufstrebende Künstler ein Gate-Keeper“

 Während Streaming-Plattformen für Hörer eine große Rolle spielen, suchen viele Künstler bereits nach alternativen Einnahmequellen
 Während Streaming-Plattformen für Hörer eine große Rolle spielen, suchen viele Künstler bereits nach alternativen Einnahmequellen
© IMAGO / Westend61
Der Streit zwischen Neil Young und Spotify rückt das Geschäftsmodell der Streaming-Plattformen in den Blick. Warum viele Künstler dort längst keine Einnahmequelle mehr sehen, erklärt Branchenkenner Eric Eitel

Im Streit um Joe Rogan haben Neil Young und weitere Künstler die Streaming-Plattform Spotify verlassen. Wie bewerten Sie die Entwicklung?

ERIC EITEL: In diesem Fall war ein renommierter Künstler zu Recht genervt darüber, dass ein Podcaster Verschwörungstheorien und Desinformationen über eine Plattform vertreiben darf, die er selbst zur Verbreitung seiner Musik nutzt. Grund dafür sind vordergründig fehlende Benutzerrichtlinien seitens Spotify. Da will der Betreiber jetzt nachbessern. Darunter liegt aber eine tiefgreifende Unzufriedenheit, die vor allem junge, aufstrebende Musikschaffende betrifft.

Eric Eitel kuratiert Technologie-, Kunst- und Kulturprojekte und beschäftigt sich dabei viel mit der Zukunft der Produktion. Darüber hinaus berät Eitel Unternehmen und Organisationen bei der inhaltlichen Positionierung und strategischen Kommunikation. Er war lange Jahre Vorstand des Kultur-Think-Tank all2gethernow e.V. und Gründungsmitglied der Beratungsstelle für Musiker, dem Music Pool Berlin.

Woher rührt denn diese Unzufriedenheit?

Erfolg auf Spotify geht Hand in Hand mit einer bestimmten Sichtbarkeit, die Künstler erzeugen müssen. Ohne Marketing-Tools und ein entsprechendes Budget ist das auf großen Plattformen aber nur schwer möglich, weil die Auswahl an Musik so groß ist. Als unbekannter Künstler über den Empfehlungsalgorithmus oder die plattform-eigenen Playlists bekannter zu werden, ist also eher unwahrscheinlich. Unterm Strich sind Streaming-Plattformen für viele aufstrebende Künstler also eher ein Gate-Keeper.  Eine Fan-Gemeinde von ein paar Tausend Fans, bringt auch monetär eher wenig.

Inwiefern?

Der durchschnittliche, nicht komplett professionelle Künstler – und das sind die meisten – bekommt bei einigen Tausend Plays nur wenige Euro am Jahresende heraus. Das ist der Normalfall. Wenn man dem Joe Rogan gegenüberstellt, der 100 Mio. Dollar für seinen Podcast bekommt, sieht man eine krasse Diskrepanz. Das ist bei anderen Plattformen wie Youtube aber genauso, nur mit noch schlechterer Vergütung. Wer also keine sehr gute Marketingstrategie hat, hat es in der Branche schwer – auch außerhalb der Plattformen.

Das heißt für jemanden wie Neil Young funktioniert dieses Prinzip?

Um Künstler mit popkultureller Relevanz wie Neil Young müssen wir uns da keine Sorgen machen. Die verdienen über diese Plattformen und ihre Verwertungsgesellschaften gutes Geld. Das Problem besteht eher für die Künstler, die ganz am Anfang ihrer Karriere stehen. Das erschwert es dann aber auch, dass sich neue Musik in der Branche etabliert.

Grund für die niedrige Vergütung kleiner Künstler ist das Pro-Rata-Modell, wo die Vergütung anteilig an die Künstler mit den meisten Streams gezahlt wird. Was würde ein anderes Bezahlmodell ändern?

Das würde für andere Gegebenheiten sorgen. Neben dem klassischen Streaming gibt es bereits einige weniger bekannte Alternativen, gerade auch im Bereich des Web3. Dazu gehört zum Beispiel eine Art genossenschaftlicher, Blockchain-basierter Streamingdienst namens Resonate. Dort zahlen Hörer für jedes Anhören ein Mikro-Payment und können die Songs als digitale Daten behalten, wenn sie eine bestimmte Anzahl von Streams erreicht haben. Das Geld geht dabei direkt an die Künstler und der Bezahlvorgang ist sehr transparent. Aber auch hier gibt es wieder ein Relevanzproblem, denn nur wenige kennen die Plattform.

Welche anderen Alternativen gibt es denn bereits?

Im Web3, das vor allem auf Blockchain, dezentrale Strukturen und Tokens setzt, gibt es sehr viele Möglichkeiten, die oft an ein Crowd-Funding-Modell erinnern. Künstler könnten zum Beispiel eigene NFT oder andere Token herausbringen. Wenn Fans sie erwerben, könnten sie darüber die jeweilige Musik und ab einer bestimmten Menge auch weitere Benefits, wie exklusiven Merchendise oder Konzerttickets, bekommen. Das könnte also auch eine Option für aufstrebende Künstler sein. Und auch für Fans wäre das von Interesse, wenn sie als Teilhaber von Token beispielsweise am Erfolg ihrer Künstler beteiligt sind.

Das klingt interessant, groß sind diese Modelle aber noch nicht. Welche neuen Wege haben denn Potential sich durchzusetzen?

Künftig wird es ein Mischmodell aus allen möglichen Kanälen geben. Künstler werden also auf den Plattformen bleiben, aber vielleicht neue Kanäle ausprobieren. Genau da sehe ich eine große Chance für neue Plattformen auf Web3, gerade jetzt wo NFTs einen solchen Hype erleben. Im Augenblick ist das noch ein offener Prozess, weil sehr viel möglich ist. Gleichzeitig gibt es natürlich auch noch wichtige Einschränkungen.

Welche sind das?

Der erste Punkt ist Rechtssicherheit. Denn einen Musik-NFT kaufen heißt beispielsweise nicht, dass man automatisch auch das Copyright dafür erwirbt. Hier muss an einem international gültigen Rechtsrahmen gearbeitet werden. Gleichzeitig müssen NFTs auch stärker gegen mögliche Betrüger abgesichert werden, die beispielsweise Musik verkaufen, an der sie gar keine Eigentumsrechte haben. Der zweite Punkt lautet Nachhaltigkeit. Alles was im Augenblick auf der Blockchain läuft ist ökologisch höchst problematisch. Das haben Provider, wie die Etherium-Plattform, aber inzwischen auch auf dem Schirm und suchen nach technologischen Lösungen, wie den Proof-of-Stake-Mechanimus.

Was heißt es denn für das Musikgeschäft, wie wir es kennen, sollten sich diese neuen Modelle etablieren?

Noch bedarf es sehr viel Expertenwissen, um NFTs auf die Blockchain zu bringen. Das stellt eine hohe Einstiegshürde dar. Allerdings wird diese Hürde wie bei allen Technologien nach und nach niedriger werden. Gerade für viele kleinere Künstler könnte sich also lohnen, auf diesem Feld zu experimentieren – auch wenn viele trotzdem noch an den großen Plattformen festhalten werden.

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