Gastbeitrag Wie wir uns selbst demotivieren und die Karriere blockieren

Symbolbild Karriere
Symbolbild Karriere
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Wir reden mit uns selbst – und reden uns etwas ein. Leider ist dieser innere Monolog oft negativ besetzt und kann zum Karrierekiller werden. Ilona Lindenau erklärt, wie man dem negativen „Self Talk“ entrinnen kann

Jede/r kennt es: Wir führen innere Selbstgespräche. Selbstzweifel und Versagensängste gewinnen dabei oft die Oberhand und lassen den ärgsten Feind erstarken: uns selbst. Die Ursachen liegen in schlechten Erfahrungen, Momenten des Scheiterns und frühkindlicher Sozialisation. Negativsätze wie „Ich kann das nicht“ oder „Ich werde (wieder) scheitern“ demotivieren und führen zu Mutlosigkeit oder gar Rückzug. Attraktive Chancen werden nicht ergriffen oder gänzlich ignoriert, Optionen verpuffen. Das Resultat: Stress, Misserfolg und Karrierestau.

Negativer Self Talk wird zur ‚self-fulfilling prophecy‘. Um dies zu vermeiden, sollten eigene Gedanken auf ihre Wirkung hin überprüft und destruktive Self Talks entlarvt werden. Welche Signale senden wir uns? Beurteilen wir unsere Fähigkeiten objektiv, kennen wir eigene Stärken oder nur die Schwächen? Wer wenig Selbstvertrauen hat oder sich stets mit Anderen vergleicht, wird sich ungern neuen Herausforderungen stellen und die Aura des ‚Machers` vermissen lassen – ein echter Karrierekiller. Die gute Botschaft: Negativer Self Talk lässt sich umprogrammieren. Kommen Sie dem Täter auf die Spur. Die folgenden Stopptechniken und Gegenstrategien helfen dabei.

Stopp dem negativen Self Talk

Von „Kalter Kaffee“ bis zum „Gummi-Schnipser“ stellt die „Power of Words“-Methode diverse Stopptechniken zur Verfügung, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen und dem negativen Self Talk Einhalt gebieten. Der Satz „Alles kalter Kaffee“ beispielsweise hilft, weil er Vergangenes zum Ausdruck bringt und zugleich dokumentiert, dass es nicht mehr wichtig ist. Somit können wir uns fragen: Ist das jetzt noch relevant? Oder können wir das übergehen, ist es eben „kalter Kaffee“?

Dynamischer funktioniert der „Rattenkick“: Immer dann, wenn ein einschränkender Gedanke aufkommt, stellen Sie sich eine hässliche Ratte vor. Nehmen Sie dann mit einem Bein Schwung und kicken Sie sie gedanklich weg – und den negativen Self Talk gleicht mit.

Wenn Sie gerade alleine sind, können Sie den „Stopp-Klatscher“ ausprobieren: Halten Sie Ihre Hände vors Gesicht, zählen Sie bis drei, klatschen Sie bei drei vor Ihrer Nase kräftig in die Hände und sagen Sie dabei laut: „Stopp!“ Das Gehirn „erschrickt“ und ist offen für Neues.

Ebenso wirksam ist der von Neurologen im Kontext von Zwangshandlungen untersuchte „Gummi-Schnipser“. Tragen Sie dazu ein Gummiband am Arm und schnipsen Sie – wenn der Self Talk wieder zuschlägt – damit leicht gegen den Puls. Der kleine Schmerzimpuls unterbricht das Negativ-Denken und ermöglicht es, die Gedanken anders auszurichten.

7 Schritte zum positiven Selbstbild

Negative Gedanken zu stoppen, ist der erste Schritt, sie umzulenken ist der zweite. Werden Sie mit Hilfe effektiver Gegenstrategien zum eigenen Chef im Kopf und geben Sie Ihrer Lebensfreude, Souveränität und Ihrem Karriereerfolg neue Chancen – Schritt für Schritt.

  • Schritt 1: die Stärken-Schwächen-Liste

Führen Sie 2-3 Wochen lang eine Stärken-Schwächen-Liste sowie ein Self Talk-Tagebuch. Wählen Sie dafür am besten ein handliches Notizbuch, das Sie immer bei sich tragen können. Notieren Sie Stärken und Schwächen separat und dokumentieren Sie im Self Talk-Tagebuch, welche Botschaften Sie sich selbst am häufigsten senden.

  • Schritt 2: der Realitätscheck

Unterziehen Sie die Self Talk-Argumente und die Plus-Minus-Liste nun einem Härtetest: dem Realitätscheck. Fragen Sie sich: „Ist das die Wahrheit?“, „Kann ich wirklich nicht …“ und „Woher kommt diese Überzeugung?“ Prüfen Sie dann, ob die Aussage eventuell ‚Altlasten´ sind, die entsorgt werden können.

  • Schritt 3: die 70-Prozent-Formel

Schauen Sie genauer hin und prüfen Sie, ob die Aussage zu 70 Prozent an 365 Tagen mit 24 Stunden richtig ist, z. B.: „Ist es wirklich so, dass ich zu 70 Prozent zu rechthaberisch bin?“. Ein Nein allein reicht dabei nicht aus. Fragen Sie weiter, wann, wie oft und in welchen Situationen dieser Gedanke aufkommt.

  • Schritt 4: Bart ab!

Manche Negativgedanken haben Sie vielleicht bereits relativiert und erkannt, dass z. B. „Ich bin unzuverlässig“ nur dann gilt, wenn es um die Abgabe Ihrer Steuererklärung geht. War eine Schwäche zu weniger als 70 Prozent richtig, streichen Sie diese auf der Liste.

  • Schritt 5: 70-Prozent-Formel auch bei den Positiv-Beispielen

Das gleiche Procedere spielen Sie nun mit jeder Positivaussage durch. Bilden Sie aus den verbleibenden guten Eigenschaften ganze Sätze wie: „Ich bin freundlich, offen, hilfsbereit und habe Teamgeist“ und notieren Sie diese.

  • Schritt 6: Wunschziel definieren

Aus den Negativ-Aspekten, die beim Realitätscheck als relevant übrig geblieben sind, extrahieren Sie Ihr Wunschziel, das sich am Jetzt orientieren, im eigenen Einflussbereich liegen und stets positiv formuliert sein muss, also nicht: „Ich will besser sein als mein Kollege!“ sondern: „Ich gebe mein Bestes, um das nächste Projekt zu bekommen!“

  • Schritt 7: Die 30 Tage-Sequenz

Schreiben Sie die Positivsätze aus Schritt 5 und das Wunschziel von Hand auf einen Zettel. Lesen Sie sich den Zettel mindestens dreimal am Tag laut vor und prägen Sie sich das neue Selbstbild unbedingt mindestens 30 Tage lang ein – vorzugsweise im entspannten Alpha-Zustand, also morgens, kurz vorm Einschlafen oder beim Musik hören, wenn sich Ihre Gehirnströme in einer Frequenz von 8-13 Hertz bewegen. Neurowissenschaftler Bernhard Staresina und Kollegen der University of Birmingham haben nachgewiesen, dass sich Inhalte so weit besser verankern und Gedächtnisspuren festigen lassen.

Bahn frei für Lebensfreude und Karriere

Probieren Sie es aus: Sie werden überrascht sein, wie motivierend es ist, wenn Sie gelernte Aussagen revidieren und statt „Ich habe das noch nie gemacht” sagen: „Das ist die Möglichkeit, Neues zu lernen“ oder „Ich ergreife diese Chance jetzt.“ Gönnen Sie sich für diesen Prozess viel Zeit und Geduld. Es hat Jahre gedauert, bis sich negative Denkgewohnheiten festgesetzt haben. Eine ad hoc-Kehrtwende wird darum kaum funktionieren.

Geben Sie dennoch nicht auf und bleiben Sie auch bei Rückschlägen am Ball. Das ist Schwerstarbeit für den Denkapparat. Doch sie lohnt sich, denn mit einem optimistischen Mindset begegnen Sie der Welt weniger kritisch und bewältigen den Alltagsstress konstruktiver. Mit der „Power of Words“-Methode kehren Souveränität, Gelassenheit und damit höhere Konfliktfähigkeit, mehr Teamgeist und Wertschätzung Anderer in ihr Leben ein – die perfekte Basis für eine gute, karrieretaugliche Führungskraft, die Stärken wahrnimmt und fördert.

Ilona Lindenau ist Vortragsrednerin, Trainerin und Coach. Ihre Themen: Kundenkommunikation, Klarheit und Effizienz, Präsentation und Motivation. Ihr aktuelles Buch: „Lass zu, was Dich groß macht“. Mehr unter ilonalindenau.de

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