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Köpfe Warum der Nobelpreis an Vertragstheoretiker geht

Deutsche Ökonomen sind voll des Lobes für die beiden Preisträger Oliver Hart und Bengt Holmström

Der diesjährige Wirtschaftsnobelpreis geht an die beiden Ökonomen Oliver Hart und Bengt Holmström. Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften zeichnete die beiden Wissenschaftler für ihre Beiträge über die Vertragstheorie aus. „Die neuen theoretischen Werkzeuge, die Hart und Holmström entwickelt haben, sind wertvoll für das Verständnis von Verträgen und Institutionen - aber ebenso für mögliche Fallstricke bei der Vertragsgestaltung“, heißt es zur Begründung.

Der gebürtige Londoner Hart lehrt an der Harvard University und der aus Finnland stammende Holmström am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Der Preis ist mit 8 Mio. Schwedischen Kronen (rund 827.000 Euro) dotiert. Streng genommen handelt es sich nicht um einen Nobelpreis. Der offizielle Titel des 1969 erstmals verliehenen Preises lautet: Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften. Gewonnen haben ihn meistens amerikanische Forscher.

Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) Henning Vöpel sagte, dass der diesjährige Nobelpreis nicht zu den spektakulärsten, aber sicherlich zu den verdientesten zähle. Optimale Verträge seien das kodifizierte Abbild ökonomischer Effizienz:

„Gegenstand der Wirtschaftswissenschaft ist die Transaktion, jene der Rechtswissenschaft der Vertrag. Hinter beiden, der Transaktion und dem Vertrag, steht eine zweiseitige Willensbekundung, die zunächst ökonomisch intendiert ist und dann juristisch fixiert wird. Verträge regeln das Eigentum an, das Verfügungsrecht über oder die Übertragung von Ressourcen oder Gütern, die wiederum im Zentrum ökonomischer Produktions- und Tauschbeziehungen sind.

Das Verhältnis zwischen Intention und Vertrag im Sinne der Willenserklärung zu klären, ist weit weniger trivial, als es auf den ersten Blick scheint. Denn die Ausgestaltung des Vertrages kann ungewollte Anreizwirkungen entfalten, die der ursprünglichen Intention entgegenstehen oder eine Allokation von knappen Ressourcen implizieren, die ökonomisch nicht effizient ist.

Ein klassisches Beispiel ist das Auftreten von Moral Hazard in Prinzipal-Agenten-Beziehungen: Der Agent handelt nicht vollständig im Interesse seines Prinzipals, von dem er aber entlohnt wird. Ein optimaler Vertrag muss daher die Anreize implizit so gestalten, dass die zugrundeliegenden Interessen beider Parteien kongruent sind.

Ein besonders wichtiger Fall in der Vertragstheorie sind sogenannte unvollständige Verträge, also solche, in denen der Vertragsgegenstand nicht in allen Charakteristika und möglichen Fällen spezifiziert ist oder spezifiziert werden kann. Hier ist die Diskrepanz zwischen ökonomischer Intention, vertraglicher Ausgestaltung und daraus entstehenden Fehlanreizen potenziell besonders groß, gleichzeitig kommen sie in der Praxis aber sehr häufig vor, so dass unvollständige Verträge eine hohe Alltagsrelevanz haben. Überall manifestieren sich Handlungen und Entscheidungen in Verträgen: auf Versicherungsmärkten, Arbeits-, Wohnungs- oder Kreditmärkten. Daher honoriert der diesjährige Nobelpreises ein Forschungsgebiet, das sowohl zu einer der wichtigsten Grundlagendisziplinen als auch zu einer der relevantesten Anwendungsfelder ökonomischer Theorie zählt.

Der diesjährige Nobelpreis zählt nicht zu den spektakulärsten, aber sicherlich zu den verdientesten. Denn optimale Verträge sind das kodifizierte Abbild ökonomischer Effizienz.“

"hervorragende Wahl"

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratzscher sprach von einer „hervorragenden Wahl“:

„Die Arbeit der beiden ist höchst relevant für unser tägliches Leben und betrifft jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger. Die Gestaltung vieler Versicherungsverträge geht auf die Analysen der beiden Nobelpreisgewinner zurück. Die Politik sollte sich die Arbeit von Hart und Holmström anschauen, um Boni für Banker so zu gestalten und zu beschränken, dass diese mehr im Interesse der Gesellschaft und weniger im eigenen Interesse handeln. Die Arbeit der beiden Nobelpreisgewinner hilft, öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) so zu gestalten, dass der Staat und die Gesellschaft dadurch gewinnen und nicht, wie bisher, zu häufig verlieren.“

Auch der Präsident des Münchner Ifo-Instituts war des Lobes voll. Holmström sei ein großartiger Wissenschaftler, der diese Auszeichnung verdient habe. Holmström werde im November drei Vorlesungen über 'Money Markets and Financial Intermediation' in München halten.

Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, erinnerte sich an Diskussionen mit Hart über Fragen der Ökonomie bei unvollständigen Informationen:

„In der Praxis sind die meisten Verträge unvollständig, weil sie nicht alle Eventualitäten berücksichtigen, die auf Vertragspartner zukommen. Deshalb ist es sehr nützlich, eine Theorie zu haben, wie Entscheidungen getroffen werden, wenn Aspekte eines Vertrages nicht spezifiziert sind. Diese Ideen haben breite Anwendung gefunden, etwa bei der Analyse von Fusionen hinsichtlich der richtigen Mischung aus Kredit- und Eigenkapitalfinanzierung, der Frage öffentlicher versus privater Eigentümerschaft von Institutionen sowie in der Politik- und Rechtswissenschaft.“

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