„Hauck mein Name, Claudia.“ So stellt sich die junge Frau vor. Stimmt aber nicht. Ihren echten Namen darf sie im Capital-Gespräch nicht nennen, ihr Gesicht darf nicht erkennbar gezeigt werden – das waren die Bedingungen, um mit „Frau Hauck“ über ihre Ausbildung beim Bundesamt für Verfassungsschutz zu sprechen.
Von sechs Mitarbeitern umringt sitzt sie in der streng bewachten Zentrale des Inlandsnachrichtendiensts in Köln. Solche Termine stehen nicht auf der Tagesordnung der Organisation, die das Land vor Terrorangriffen, Cyberattacken und Spionage schützt. Wohl auch wegen der systemimmanenten Geheimniskrämerei hat sich nach außen ein diffuses Bild etabliert, das zwischen Schlapphutträgern, Undercoverspitzeln und – seit dem NSU-Skandal – Nazisympathisanten changiert.
„Im Verborgenen Gutes tun“, so wirbt das Amt, um neue Mitarbeiter. Rund 3500 Beamte sind für den Verfassungsschutz im Dienst. Hauck gehört zu den etwa 350 Auszubildenden und dual Studierenden. Aber was genau machen die? Welche Bewerber suchen sie?
Die Beamten in der monströsen Betonfestung öffnen sich zaghaft. „Wir müssen die Ausbildung zum Verfassungsschützer bekannter machen“, sagt Hanna Marienfeld, die für das Personalmarketing der Organisation zuständig ist. Sie fährt auf Ausbildungsmessen, wirbt über Social-Media-Kanäle und veröffentlicht Erfahrungsberichte auf der Internetseite.
Claudia Hauck sagt, sie sei in einem Seminar über Sicherheitspolitik in Deutschland auf den Verfassungsschutz aufmerksam geworden. Da habe sie gewusst, „dass eine mehr praktisch ausgerichtete Tätigkeit das Richtige für mich ist.“ Besonders fasziniert habe sie die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten beim Verfassungsschutz.
Die 32-Jährige, die zuvor eine Lehre zur Buchhändlerin absolviert hat, brach ihr Geschichtsstudium ab und bewarb sich auf den Vorbereitungsdienst für den mittleren Dienst. Das ist die zweijährige Ausbildung im Verfassungsschutz. Bewerben kann sich jeder, der die deutsche Staatsbürgerschaft sowie einen Realschulabschluss nachweisen kann – und einen tadellosen Lebenswandel.
Neben der zweijährigen Ausbildung gibt es auch ein duales Studium für den gehobenen Dienst, das drei Jahre dauert. Voraussetzung dafür ist ein Abitur oder Fachabitur mit einem Mindestnotendurchschnitt von 2,5. Der Abschluss ermöglicht in der Regel eine Karriere auf Führungsposten etwa als Referatsleiter in der Verwaltung und als so genannter Truppführer im Außendienst, der über die Observationseinsätze entscheidet oder auch V-Leute führt.
Das Bewerbungsprozedere ist für alle Bewerber aufwändig: Persönliche Daten und Vorstrafen werden in schärfster Form kontrolliert und zusätzlich Personen aus dem Bekanntenkreis befragt. „Wir machen den jungen Anwärterinnen und Anwärtern klar, dass sie sich mit Extremisten aus dem linken, rechten und islamistischen Spektrum oder Spionen befassen“, sagt Armin Telge, Referatsleiter Ausbildung im Verfassungsschutz. „Auch die Vorbereitung hierauf ist Teil der Ausbildung.“
„Das gehört halt dazu“, sagt Hauck. „Mir war bewusst, dass man für den Job Zugeständnisse machen muss.“ Dazu zählt auch strikte Geheimhaltung. Über ihre Arbeit darf die angehende Agentin selbst mit Eltern und Freunden nicht sprechen. „Die verstehen das“, sagt Hauck. „Und gegenüber Fremden sage ich nur, dass ich eine Verwaltungsausbildung mache, da hört dann meistens schon keiner mehr zu. Unauffällig zu sein, kann auch ein Vorteil sein.“
Im ersten Lehrjahr hat Hauck theoretische Grundlagen wie Staats-, Straf- und Verwaltungsrecht gelernt und im Innendienst bei der Recherche und Analyse von Informationen geholfen. Im zweiten Lehrjahr starten die Observationspraktika im Außendienst. „Das ist der wirklich spannende Teil“, sagt Hauck. Gemeinsam mit erfahrenen Kollegen beschattet sie verdächtige Personen rund um die Uhr, folgt ihnen auf Schritt und Tritt, passt dafür auch Aussehen und Kleidung der entsprechenden Szene an. Hauck würde sich in ihrer Ausbildung gern auf eine spätere Tätigkeit im Bereich Rechtsextremismus fokussieren.
„Ich sehe, was die Verfassungsschützer leisten, wie viele Angriffe sie verhindern“, so Hauck. Es sei schade, dass auch das geheim bleibe. „Manchmal wünsche ich mir eine stärkere Anerkennung unserer Arbeit in der Öffentlichkeit.“ Aber sie wisse jeden Tag, dass sie nicht nur Akten verwalte. „Ich habe etwas für die Sicherheit meiner Mitmenschen, für die Bundesrepublik Deutschland getan. Das macht mich stolz.“
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