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Online-Versandhandel Phänomen Dropshipping: Hält das Versprechen vom schnellen Reichtum?

Junge Frau arbeitet am Laptop nahe des Meeres
Von überall viel Geld verdienen – das verspricht das Geschäftsmodell Dropshipping
© Pond5 Images / IMAGO
Die Formel zum Reichwerden scheinen in den Sozialen Medien viele auf Lager zu haben: Dropshipping verspricht selbst Einsteigern schnellen Erfolg. Ist es wirklich so simpel?

Junge Männer, die Fotos von protzigen Uhren, weißen Stränden und schnellen Autos posten: In ihren Social-Media-Profilen bezeichnen sie sich als Online-Unternehmer und versprechen mit wenig Aufwand schnellen Reichtum. Dropshipping lautet ihre Zauberformel. Dabei handelt es sich um ein Geschäftsmodell im Online-Versandhandel, bei dem der Anbieter die beworbenen Produkte weder selbst herstellt noch auf Lager hat. 

Die simple E-Commerce-Praxis – auch unter dem trockenen Begriff Streckenhandel bekannt – lockt mit geringen Start- und Betriebskosten. Dropshipper sparen schließlich Kosten für Lager, Verpackungen und Versand. Weil das finanzielle Risiko gering sei, könnten Anfänger mit minimalem Kapitaleinsatz loslegen und einen Onlineshop aufbauen, zu flexiblen Arbeitszeiten und von überall. Das erzählen nach eigener Aussage erfolgreiche Dropshipper in Werbe-Videos und Marketing-Artikeln. Gut und gerne „20.000 Euro bis Ende des Monats“ könne das Geschäftsmodell bringen, mit dem sich das „9-to-5 Hamsterrad“ verlassen ließe.

Geld verdienen ohne viel Aufwand, Zeit und Risiko – das klingt verlockend. Doch garantiert Dropshipping tatsächlich schnellen Erfolg? Bernd Skiera, Professor für Electronic Commerce an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, bezweifelt das. „Wenn etwas verspricht, das ganz leichte Geld zu bringen, ist es meistens doch nicht so einfach“, sagt er im Gespräch mit Capital. „Dropshipping kann durchaus ein interessantes Geschäftsmodell sein, das allerdings sehr wohl mit Arbeit und auch mit Risiko verbunden ist.“ Nur wer Kunden Mehrwert biete, könne ein profitables Geschäft aufbauen.

Verkäufer ohne Ware

Dropshipper treten als Verkäufer auf, agieren aber lediglich als Vermittler. Sie stellen die Produkte, die sie in ihrem Onlineshop anbieten, nicht her und haben sie auch nicht auf Lager. Sie leiten die Bestellung ihrer Kunden stattdessen an den eigentlichen Hersteller weiter, der die bestellte Ware produziert und direkt an den Kunden versendet.

Ohne das physische Produkt in den Händen kümmern sich Dropshipper zunächst um den Aufbau ihres Webshops. Das geht zum Beispiel kostengünstig über Shopsysteme mit Baukasten-Prinzip. Oder sie vertrieben ihre Ware über fremde E-Commerce-Marktplätze wie Amazon oder Ebay. Dann folgt das Marketing. Für diesen Aufwand, den sie vermeintlich vom Sofa aus in Teilzeit managen können, kalkulieren Dropshipper in den Verkaufspreis eine Marge ein, ihren Gewinn.

Damit diese Rechnung aufgeht, müssen sie dem Kunden mit ihrem Angebot einen Vorteil bieten. „Bestenfalls identifizieren Dropshipper erstmal einen Bedarf, den ihre Zielgruppe hat“, sagt E-Commerce-Experte Skiera. „Und für dieses Problem müssen sie dann das Produkt finden, das es löst.“ Das Produkt sollte natürlich das Beste am Markt sein, günstig in der Herstellung und möglichst nicht woanders erhältlich sein. Das erfordert gründliche Recherche und Marktkenntnisse. Wer diesen Mehrwert nicht bieten könne, laufe Gefahr, dass der Kunde das gewünschte Produkt bei einem anderen Anbieter oder sogar direkt beim Hersteller bestellt. „Es ist harte Arbeit sich im hart umkämpften E-Commerce-Markt zu behaupten“, sagt Skiera.

Kundenzufriedenheit entscheidet über Erfolg

Gelingt es, Kunden zu gewinnen, beginnen die Schwierigkeiten für Dropshipper erst richtig. Sie sparen sich zwar die Logistik und Auftragsabwicklung, müssen aber für die Qualität ihrer Produkte geradestehen, akzeptable Lieferzeiten garantieren und sich als vertrauenswürdig beweisen. Bezahlvorgang, Rückfragen, Retouren – da der Vertrag zwischen Endkunden und Dropshipper entsteht, fallen auch all diese Aufgaben in seinen Bereich.

Als Vermittler können Dropshipper ihr Produkt vor Versand weder kontrollieren noch Einfluss auf die Verpackung oder den tatsächlichen Inhalt der Bestellung nehmen. Zentral für gelingendes Dropshipping ist der Händler oder Lieferant. Der sollte zuverlässig sein und schnell versenden. Doch sitzt der Hersteller etwa in China, sind die Lieferzeit durch die weiten Lieferwege lang und Sendungsverfolgungen meist nicht umsetzbar. Diese Abhängigkeit kann auch anderweitig ein Risiko darstellen. „Wenn der Hersteller plötzlich ausfällt und nicht liefern kann, muss ich erstmal einen Ersatz finden. Fraglich, ob ich da die gleichen Konditionen bekomme“, so Experte Skiera.

Auch Retouren können in dem Geschäftsmodell zu einem Problem werden. Rücksendungen müssen organisiert werden und kosten Geld, das die Marge schmälert. „Die Kosten der Retoure an die Kunden weiterzugeben, ist nicht so einfach“, sagt Skiera. Ihre Zufriedenheit entscheidet schlussendlich über Erfolg oder Misserfolg des Geschäfts. 

Weiterer Herausforderung für viele Online-Unternehmerinnen und -Unternehmer: Sie müssen Steuern und Zölle im Blick behalten sowie Haftungsfragen klären. Wer keine ordentliche Buchhaltung beherrscht, bekommt schnell Ärger mit den Behörden und dem Finanzamt.

„Online-Handel ist Arbeit und nichts für jedermann“, stellt Experte Skiera klar. „Wer glaubt, mit zwei Nachmittagen am Rechner ein profitables Geschäft aufbauen zu können, wird ziemlich sicher scheitern.“ Ausgeschlossen sei ein erfolgreiches Dropshipping-Business aber nicht, wenn man es richtig angeht und eine passende Nische findet. Erfolg ziehe aber auch Wettbewerb an, warnt Skiera. „An die Dienstleister, die eingeschaltet sind, können schließlich auch Konkurrenten herantreten.“

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