Niederländische Ermittler haben vergangenen Mittwoch ein geheimes Schließfach bei der Bank UBS in Zürich öffnen lassen. Sie erhoffen sich von dem Inhalt Hinweise auf das Schicksal des Passagierflugzeugs MH-17. Das Schließfach gehört Josef Resch. Der deutsche Privatermittler hatte für unbekannte Auftraggeber millionenschwere Belohnungen für Hinweise auf die Täter und mögliche Hintermänner beziehungsweise Behörden, die die Aufklärung verschleiern, ausgesetzt. Einmal 30 Mio. Euro und einmal 17 Mio. Euro.
Die Maschine MH-17 war am 17. Juli 2014 über der Ukraine abgeschossen wurde. Alle 298 Personen an Bord der Boeing 777-200, die auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur war, kamen damals ums Leben. Die meisten von ihnen waren Niederländer.
Razzia in Lübeck
Resch hat nach eigenem Bekunden seine Auftraggeber nie kennengelernt, immer nur mit einem Schweizer Mittelsmann korrespondiert. Im Juni 2015 hatte Resch gegenüber Capital gesagt: „Unsere Auftraggeber haben die Informationen bekommen, die sie erhalten wollten. Damit ist mein Auftrag beendet.“ Er berichtete von einem Informanten, der hätte belegen können, wer den Abschuss verschleiere.
Doch abgeschlossen war der Fall damit für Resch noch nicht. Am 15. März 2016 wurden sein Wohnhaus und die Geschäftsräume seiner Wirtschaftsdetektei Wifka in Lübeck durchsucht. Die niederländischen Behörden, die federführend die Ermittlungen zum Absturz leiten, hatten ein Rechtshilfegesuchen an die deutsche Generalbundesanwaltschaft gerichtet. Die stellte den Durchsuchungsbeschluss aus.
Spur zu Schweizer Schließfach
Aus dem Beschluss, der Capital vorliegt, geht hervor, dass gegen „Unbekannt“ wegen des Verdachts eines Kriegsverbrechens ermittelt wird. Resch wird als Zeuge geführt. Die Ermittler gingen davon aus, dass sich bei ihm Unterlagen, Dokumente, Adressen oder Dateien auffinden lassen, die weitere Erkenntnisse über den Tathergang und über mögliche Tatbeteiligte an dem Abschuss (...) enthalten, „die für die Wahrheitsfindung von erheblicher Bedeutung sind“. Elf Beamte waren an der Razzia beteiligt. In den sichergestellten Unterlagen fanden die Ermittler einen Hinweis auf das Schließfach bei der UBS – und verständigten die niederländischen Behörden. Und die reagierten prompt.
Das Interesse an dem Schließfach zeigt, dass die internationalen Ermittlungen zu der Absturzursache noch zu keinem klaren Ergebnis geführt haben dürften. Oder aber, dass die Behörden einen möglichen Maulwurf aufspüren wollen, sollte es längst Erkenntnisse geben, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Gerüchte dazu wurden immer wieder gestreut.
Offiziell jedenfalls erhoffen sich die Niederländer neue Erkenntnisse aus dem Inhalt des Schließfachs. In einem Schreiben der Staatsanwaltschaft heißt es: „Im Hinblick auf die Höhe der ausgesetzten Belohnung und die Art der angeforderten Informationen ist es plausibel, dass sich auf der Website von Wifka auch Mitbeschuldigte am Absturz der MH-17 melden werden. Immerhin verfügen Sie über die angeforderten Informationen“.
An diesem Wochenende gaben die niederländischen Ermittler bekannt, dass im Herbst das Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen zum Absturz präsentiert werden soll. „Nach dem Sommer wird das Vereinte Untersuchungsteam (JIT) die ersten Ergebnisse der strafrechtlichen Untersuchung vorlegen“, erklärte die Staatsanwaltschaft in Amsterdam. Demnach soll es Informationen zu dem genauen Abschussort geben. Am heutigen Montag zeigte die niederländische Staatsanwaltschaft bereits auf ihrer Website ein Foto, auf dem das Endstück einer BUK-Flugabwehrrakete zu sehen sein soll. Gefunden wurde es an der Absturzstelle.
Übersicht über Fakten
Nach bisherigen Berichten gelten prorussische Separatisten als Täter am wahrscheinlichsten. Bewiesen wurde das aber nicht. Der australische Luftfahrt-Anwalt Jerry Skinner hatte erst vor wenigen Tagen angekündigt, den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf 330 Mio. Dollar Schadensersatz für die Hinterbliebenen zu verklagen. Skinner hatte bereits 1988 die Familien der Lockerbie-Opfer vertreten.
In dem Rechtshilfegesuchen der Landesstaatsanwaltschaft in Amsterdam heißt es lediglich, „es wird vermutet, dass vorgenanntes Passagierflugzeug vom Boden aus mit einer Rakete des BUK-Waffensystems beschossen wurde und darauf abgestürzt ist.“ Das Dokument liegt Capital vor. Hinweise darauf, wer die BUK abgefeuert haben könnte, gibt es demnach nicht. Das niederländische Ermittlungsverfahren konzentriere sich darauf, heißt es weiter, eine Übersicht über die Fakten in Bezug auf den Beschuss des Flugzeugs zu erstellen und die Verantwortlichen für das Verbrechen zu ermitteln.
Beweise sollen an Ukraine gegeben werden
Bereits zwei Tage nach der Hausdurchsuchung bei Privatermittler Resch beantragten die Niederlande bei den Schweizer Behörden dessen Tresor samt Inhalt sicherzustellen und zu beschlagnahmen. Zur Begründung schreibt die Staatsanwaltschaft: „Der Tresorinhalt könnte möglicherweise relevante Informationen wie bei welcher Bank der Betrag von 30 Mio. Dollar hinterlegt wurde, nützliche Tipps/Reaktionen, welche bei Wifka und/oder Josef Resch anlässlich der ausgelobten Belohnung eingegangen sind, oder an wen die Belohnung ausgelobt werden wird und Informationen, die zur Identifikation des/der Auftraggeber(s) führen könnten.“ Ferner bitten die niederländischen Ermittler darum, das Beweismaterial an die Ukraine, Belgien, Malaysia und Australien weiterleiten zu dürfen. Am 21. März bestätigte die Schweizer Bundesanwaltschaft die „vorsorgliche Sperre des Schließfachs“.
Mehrstündige Vernehmung beim BKA
In der Zwischenzeit gab es keine Möglichkeiten an den Inhalt zu gelangen. Am Mittwoch wurde das Schließfach von den Schweizer Behörden im Beisein von Reschs Züricher Anwalt geöffnet. Der Inhalt sei zum Teil beschlagnahmt worden, sagte Resch zu Capital. Was sich in dem Schließfach befunden habe und ob überhaupt etwas mit Bezug zu MH-17 dort hinterlegt war, wollte der Privatermittler in Anbetracht der laufenden Ermittlungen nicht sagen.
Am Donnerstag vergangener Woche, einen Tag nach dem Öffnen des Schließfaches, wurde Resch beim Bundeskriminalamt in Meckenheim bei Bonn als Zeuge vernommen. Das etwa fünfstündige Gespräch sei fair und fachkundig geführt worden, sagte Resch. Zu Inhalten äußerte er sich nicht. Das Schließfach habe bei diesem Gespräch aber keine Rolle gespielt.