Der Absturz der malaysischen Passagiermaschine MH 17 ist immer noch nicht aufgeklärt. Die offiziellen Untersuchungen stocken. Am 17. Juli war die Maschine über der Ostukraine abgeschossen worden. Alle 298 Passagiere und Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben. Vor zwei Monaten lobte der deutsche Privatermittler Josef Resch 30 Mio. Dollar für Hinweise auf die Hintermänner der Tat aus. Sein Auftraggeber bleibt anonym. Im Gespräch mit Capital erklärt er den Stand seiner Ermittlungen und warum sein Auftraggeber die Belohnung um weitere 17 Mio. Dollar aufstockt.
Capital: Herr Resch, vor zwei Monaten haben Sie ihre Ermittlungen zum Absturz der MH 17 aufgenommen. Das Medienecho war enorm. Weltweit wurde über Ihre Kopfgeldjagd berichtet. Und dann wurde es sehr schnell sehr still.
Resch: Was haben Sie erwartet? Dass wir nach zwei Tagen den Täter präsentieren?
Nicht nach zwei Tagen, aber nach zwei Monaten muss die Frage gestattet sein: Haben Sie eine heiße Spur?
Wir sind ein gutes Stück weitergekommen. Wir sind jetzt in einer Phase, in der wir Gespräche führen. Von Angesicht zu Angesicht. Einem solchen Gespräch gehen Wochen der Anbahnung voraus. Meist über Mittelsmänner. Wir müssen sehr vorsichtig sein.
Wie viele Hinweise haben Sie bekommen?
Da muss man unterscheiden. Insgesamt waren es über 1000 Mails, hunderte Anrufe und Dutzende Briefe mit Unterlagen. Ich glaube, jeder Verschwörungstheoretiker dieser Erde hat sich bei mir gemeldet. Und jeder Hobbydetektiv. Hinzu kommen die, die scharf auf das Geld sind und mittelmäßig professionell Unterlagen präparieren.
Wie filtern sie die heraus?
Naja, 99 Prozent der Hinweise konnte man gleich wegwerfen. Viele Wichtigtuer. Bei den Restlichen lohnte sich schon ein näheres Hinschauen. Ich nenne das Plausibilitätschecks. Etwa zehn Informanten hatten sich zunächst als interessant herausgestellt. Fünf sind über geblieben.
Mit einem eindeutigen Ergebnis?
Nein. Das ist jetzt unser Job herauszufinden, was echt und was gefälscht ist.
Phase der persönlichen Treffen
Die meisten Hinweise werden doch nicht auf Deutsch sein. Können Sie Russisch?
Nein. Und auch mein Englisch ist eher bescheiden. Aber ich arbeite ja nicht alleine.
Wie groß ist Ihr Team?
Ich habe keine fest angestellten Mitarbeiter. Ich engagiere aus meinem Netzwerk die Leute, die ich gerade brauche, die ich kenne und denen ich vertraue. Aktuell sind Dolmetscher darunter, IT-Spezialisten und Analytiker. Die werden aber nie öffentlich in Erscheinung treten. Aus Sicherheits- und taktischen Gründen. Wie ich ja bereits sagte sind wir gerade in der Phase der persönlichen Treffen. Neulich haben wir Informanten aus Ungarn gesprochen. Treffpunkt war ein Hotel. Angeblich sprachen die beiden kein Deutsch. Ich habe einen Mitarbeiter schon Stunden vor dem Treffen in der Lobby postiert. Und der hört, wie die Dame in fast akzentfreiem Deutsch einen Kaffee bestellt. Komisch, oder?
Was sagt Ihnen das?
Dass nicht mit offenen Karten gespielt wird. Außerdem waren die Informationen recht dürftig. Es ging wohl eher darum, mich kennenzulernen.
Haben Sie denn bereits Unterlagen erhalten, die Sie als brisant einschätzen?
Ja. Wir haben viele Dokumente erhalten. Korrespondenzen zwischen Behörden. Viele Indizienketten. Vielleicht ist auch schon der alles entscheidende Beweis dabei. Nur: Wir können ihn noch nicht als solchen erkennen, nicht belegen, dass er echt ist. Fest steht, wir haben sehr gute Fälschungen erhalten. Denn mal waren für den Abschuss die Ukrainer, mal die Russen und mal die Separatisten verantwortlich. Es gibt also ein großes Interesse, uns aufwändige Fälschungen als echt zu verkaufen.
Zweifel an der gängigen Theorie
Wie können Sie die Sicherheit der Informanten gewähren?
Da gibt es nicht den einen Weg. Ich bekomme oft von vermeintlichen Informanten diese Frage gestellt, die vermutlich aber nur herausbekommen wollen, wie wir arbeiten. Wir finden einen Weg, glauben Sie mir. Aber der ist sicher nicht direkt. Und es gibt auch keine Blaupause dafür. Das wäre etwas einfach. Wir trampeln da einigen Mächten gehörig auf den Füßen herum. Von daher ist doch klar, dass wir vorsichtig sein müssen. Wer immer die Tat deckt, muss fürchten, dass er verraten wird. Und so wie ich die Lage einschätze, soll bei dem Fall eine Menge vertuscht werden.
Wurden Sie bei Ihren Ermittlungen eigentlich bedroht?
Natürlich bekomme ich Drohanrufe und -Mails. Es gibt Angriffe auf meinen Server. Vergangene Woche wurde eine DDos-Attacke auf ihn gestartet. Einige Stunden war er offline. Aber wenn ich mir das alles zu Herzen nehmen würde, hätte ich den falschen Job. Es geht auch nicht um meine Sicherheit, sondern die der Informanten. Einige vielversprechende sind übrigens plötzlich abgesprungen. All das zeigt: Wir müssen wirklich vorsichtig sein.
Ganz konkret: Wer, glauben Sie, ist verantwortlich?
Glauben gehört in die Kirche. Noch können wir nichts wirklich ausschließen. Aber wir haben erhebliche Zweifel an der gängigen Theorie.
Sie meinen, dass die prorussischen Separatisten MH-17 mit einer BUK-Rakete abgeschossen haben, wie der Chef des Bundesnachrichtendienstes Gerhard Schindler vor den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums Anfang Oktober erklärt hat?
Das ist doch die schrägste Nummer überhaupt. Der BND behauptet, er hätte eindeutige Satellitenbilder von den USA bekommen. Ich frage mich zwei Dinge: Zum einen: Warum hat die internationale Ermittlungskommission unter der Federführung der Niederlande diese Bilder nicht bekommen? Deren Chefermittler Fred Westerbeke sagte jedenfalls in einem Interview, von beweiskräftigen Satellitenbildern nichts zu wissen. Auch sagte er, dass er noch kein Szenario ausschließen könne. Zum anderen: Da kriegt der BND also anscheinend streng geheime Informationen exklusiv. Und was macht der BND-Chef damit? Er stellt sich vor Politiker und erzählt davon, obwohl jeder weiß, dass schon oft Informationen aus dem Kontrollgremium an die Öffentlichkeit durchsickerten. So ein Schmarrn. Das sollte so gezielt durchgestochen werden.
Nach ihren Erkenntnissen waren es also nicht die Separatisten?
Das habe ich nicht gesagt. Ich glaube nur nicht an die Beweisführung. Da wird falsch gespielt. Der absolute Gau wäre doch, wenn herauskäme, es waren die Ukraine. Keine Absicht, aber ein Versehen. Aber es wurde vertuscht. Wäre dann die uneingeschränkte Unterstützung des Westens für die Regierung in Kiew noch tragbar? Wohl kaum. Und anders herum. Was wäre, wenn den Russen eine direkte Beteiligung nachgewiesen werden könnte? Wo doch der Westen gerade auf Deeskalation setzt. Und wenn es die Separatisten waren? Dann ist es eine ominöse Gruppe ohne Staatsapparat, der in Regress genommen werden könnte. Das wäre für alle Parteien die einfachste Lösung.
Zurück zu ihren Erkenntnissen. Was haben Sie denn Konkretes außer Theorien?
Wir haben jedenfalls viele Hinweise, dass die BND-Theorie stinkt.
Hinweise oder Beweise?
Ich sage bewusst Hinweise. Die kommen aus verschiedenen Ländern. Sie werden verstehen, dass ich nicht konkret werden kann. Wir würden das aber gerne. Deshalb hat mein Auftraggeber…
…der immer noch anonym bleiben will?
Ja! Und bevor Sie fragen, auch ich kenne ihn immer noch nicht.
Aber Sie würden ihn gerne kennen?
Natürlich. Aber das ist nicht mein Auftrag. Jedenfalls hat er über den Mittelsmann die Belohnung aufgestockt. Gerade wegen der BND-Geschichte. Nach wie vor gilt: 30 Mio. Dollar gibt es für Beweise auf die Hintermänner der Tat. Und weitere 17 Mio. Dollar für Hinweise darauf, wie die Aufklärung in einigen Ländern vertuscht oder verhindert wird.
Gab es Carlos wirklich?
Sie suchen einen Maulwurf in den Geheimdiensten?
Der Mittelsmann hat es so ausgedrückt: Wir suchen einen zweiten Edward Snowden. Wir ermitteln jetzt in die Breite. Dafür sind die 17 Mio. Dollar bestimmt. 17 wegen der Flugnummer, MH 17.
Und Sie glauben, Geheimdienstler lassen sich korrumpieren?
So würde ich das nicht ausdrücken. Wir suchen nach den Tätern, die für den Tod von 298 unschuldigen Menschen verantwortlich sind. Wenn ein Staat diese Tat deckt, halte ich es nicht für verwerflich, das offenzulegen. Aber es geht nicht nur um Geheimdienste. Ein Beispiel: Kurz nach dem Absturz tauchten Twitter-Meldungen von einem Carlos auf,…
… der angeblich bei der Flugüberwachung in Kiew arbeitete. Genauso gab es auch Mitschnitte von angeblichen Telefonaten der Separatisten, die den Abschuss feierten. Falsche Fährten?
Genau das wollen wir herausfinden. Also zurück zu Carlos. Der twitterte, dass die Ukraine den Abschuss zu verantworten habe, dass ukrainisches Militär plötzlich im Tower auftauchte. Am nächsten Tag war der Twitter-Account gelöscht. Ein Account, der sehr lange betrieben wurde. Das lässt sich in Onlinearchiven feststellen. Die Ukraine sagte, ein Carlos habe nie in dem Tower gearbeitet. Also alles nur ein Fake? Oder gab es Carlos wirklich? Die 17 Mio. Dollar - oder Teile davon - sollen auch für Hinweise verwendet werden, die Licht in dieses Dunkel bringen. Wenn jemand belegen kann, dass es diesen Carlos gab, dass er bei der Flugsicherung gearbeitet hat, was mit ihm geschehen ist, dann ist das für uns eine wertvolle Information, die wir belohnen.
Das heißt, Sie stehen noch ganz am Anfang?
Definitiv nein! Eine Richtung verdichtet sich. Aber es wäre falsch, jetzt darüber zu reden. Warten wir mal die nächsten Wochen ab. Wir brauchen Zeit. Die ersten Tage nach der Veröffentlichung der Belohnung waren das reine Chaos. Es gab Dutzende Interviewanfragen von Fernsehsendern, noch mehr von Printmedien. Kamerateams standen plötzlich vor meinem Haus. Fotografen lungerten in der Nachbarschaft.
Was Ihnen doch Recht sein müsste.
Nein. Natürlich ist es wichtig, dass die Medien über meinen Auftrag sprechen, ihn publik machen. Sonst bekommen wir keine Informationen. Alles andere wäre töricht anzunehmen. Aber muss ich tausendmal das gleiche erzählen? Sicherlich nicht. Ich war schon sehr verwundert. Die einen unterstellten mir, ich sei pressegeil, die anderen beschwerten sich, ich würde nicht mit ihnen reden. Dann wurde ich mit Sätzen zitiert, die ich nie gesagt habe. Wie, dass ich mal Kripobeamter war. Das ist totaler Unsinn. Für diese Spielchen habe ich keine Zeit.