Nur ein paar Autos parken vor der Halle 12 auf dem Gelände der Messe Frankfurt. Ein Gabelstapler fährt über den Hof, ein Handwerker schiebt einen Wagen mit Klapptischen aus Halle 10. Es ist ungewöhnlich wenig Betrieb auf dem knapp 600.000 Quadratmeter großen Areal – und das schon seit anderthalb Jahren. Im Frühjahr 2020 zwang die Coronapandemie den Messeveranstalter dazu, alle Veranstaltungen abzusagen – die rund 2500 Mitarbeiter arbeiten seither zu Hause.
Für Stella-Maria Mai und die anderen 35 Auszubildenden der Messe Frankfurt gab es danach nichts mehr zu tun. Normalerweise arbeitet die Dualstudentin für Messe-, Kongress- und Eventmanagement während ihrer dreimonatigen Präsenzphasen im Unternehmen in unterschiedlichen Abteilungen an der Organisation von Messen wie der Fashion Week oder Light + Building. Doch die Abteilungen hatten selbst kaum Arbeit und brauchten keine weiteren Kräfte.
„Wir haben die Auszubildenden dann erst mal zu uns in die Personalabteilung geholt“, sagt Ausbildungsleiterin Heike Blau. Alle Onlineschulungen, die greifbar waren, haben die Azubis in der Zeit absolviert. „Dabei kam die Frage auf, ob die jungen Kolleginnen und Kollegen nicht selbst Digitalschulungen für künftige Azubis erstellen könnten“, sagt Blau. Der Vorschlag stieß auf große Gegenliebe. Eine neue Kampagne war ohnehin geplant, die Messe Frankfurt will künftig das Angebot an Ausbildungsplätzen ausweiten.
Das Herzstück des Projekts war ein Film, in dem die Auszubildenden ihren Job vorstellen. Schließlich kann die Messe Frankfurt derzeit auch nicht anders für sich als Arbeitgeber werben. Die Leitung der Ausbildungskampagne hatte Mai, wenn sie nicht gerade für die Theoriephasen ihres Dualstudiums an der DHBW Ravensburg war. „Ich hätte vieles nicht gelernt, wenn wir diesen Film nicht gemacht hätten“, sagt die 23-Jährige.
Ähnlich wie bei einer Messe müsse alles zusammengreifen: die Kommunikation, die Abstimmung von Drehbuch und Slogans, die Organisation der Produktion. „Es war für mich total hilfreich, zu lernen, wie ich meine Kollegen im Team je nach Talent am besten einsetze“, sagt Mai. Der Film ist heute auf der Homepage der Messe Frankfurt zu sehen, mit Mai als Moderatorin.
Geholfen hat ihr bei der Organisation auch das große Netzwerk im Unternehmen, das sie noch vor der Pandemie kennenlernte. „Bei uns gehört es zum Job dazu, dass man sich untereinander viel austauscht“, sagt Mai. Die Auszubildenden bekommen vor dem Jobstart einen Paten aus dem Unternehmen zugewiesen, der ihnen alles zeigt und bei Problemen parat steht. Von Anfang an bilden die Lehrlinge eine Gemeinschaft, deshalb sei es auch solch ein schmerzhafter Einschnitt gewesen, als im vergangenen Jahr alle mit ihren Laptops ins Homeoffice mussten, erzählt sie. Einfach um die Ecke gehen und im nächsten Büro jemanden um Hilfe bitten ging nicht mehr. Den Stammtisch der Auszubildenden gab es nur noch virtuell.
Mai begann ihre Ausbildung 2018, vor wenigen Wochen Ende September war sie fertig. Nun freut sie sich darauf, wenn das Leben bald wieder auf dem Messegelände tobt. Erste Präsenzveranstaltungen gab es bereits, und Ende Oktober findet die alljährliche Buchmesse wieder statt. Der Trubel ist es, was sie an ihrem Beruf reizt. „Es ist der Kick, wenn das Event losgeht. Nach monatelanger Arbeit wird aus einem Konzept Wirklichkeit“, sagt sie. Es sei wie beim Singen, Mais großem Hobby: der Moment des Auftritts, die Spannung, wenn man auf die Bühne tritt. Am liebsten würde sie gerne mal eine Musikmesse organisieren.
Zunächst wird es jedoch die jährlich organisierte Branchenschau Heimtextil sein, die ihre ganze Kraft und Aufmerksamkeit fordert. Dort ist Mai ab Oktober als Organisationsreferentin angestellt. Wie nahezu alle Auszubildenden hat sie von der Messe Frankfurt, dem nach eigenen Angaben größten Messebetreiber der Welt, ein Übernahmeangebot erhalten. Dann kann sie auch häufiger ins Büro kommen – das Geschäft mit den Messen geht wieder los.