So gemein! Typisch Steve Jobs! Eiskalt! Ja, ja, ja. Ich weiß schon, was diese Geschichte auslösen wird. Aber sie ist es dennoch wert erzählt zu werden. Nicht nur weil sie eine Steve-Jobs-Geschichte ist, die noch nicht sehr oft erzählt wurde, sondern weil sie einen ganz bestimmten Nagel genau auf den Kopf trifft. Erzählt hat diese wahre Geschichte Ken Segall in seinem Buch „Insanely Simple: The Obsession That Drives Apple’s Success“. Ich übersetze hier frei:
"Wer bist Du?"
Alle 14 Tage gab es ein Meeting mit der Werbeagentur. Es gab nie eine große Agenda, sondern es ging mehr darum, den Fortschritt unserer Zusammenarbeit mit Steve zu teilen und er sagte uns einfach, was es Neues, Relevantes gab. Von der Agentur waren die Kreativleute dabei sowie zwei Chefs: der Account Director und der Media Director. Auf der Apple-Seite saßen Steve, Phil Schiller für das Produktmarketing, Jony Ive für das Design, Allen Olivo für Marketing Communications und Hiroki Asai, einer der Kreativleute von Apple.Doch an diesem Tag war es anders. Es saß noch eine junge Frau von Apple mit am Tisch. Die meisten kannten ihren Namen nicht. Und sie vergaßen ihn nach diesem Tag auch schnell wieder. Für diese Erzählung nennen wir sie einfach mal Lorrie.Steve schneite herein. Er war gut drauf. Wir plauderten erst ein wenig, dann legte er los: „Lasst mich zuerst auf ein paar Neuigkeiten eingehen. Zuerst zum iMac …“Er stoppte. Runzelte die Stirn. Sein Blick war an Lorrie festgefroren. Er zeigte auf sie und fragte: „Wer bist du?“Lorrie war ein bisschen geschockt, so direkt angesprochen zu werden, aber sie erklärte ruhig und tapfer, dass sie gebeten worden war teilzunehmen, weil sie in einige der Marketingprojekte, um die es in diesem Meeting ging, involviert war.Steve dachte kurz nach. Dann sagte er kühl: „Ich denke, wir brauchen Dich in diesem Meeting nicht, Lorrie. Danke.“Während sie ihre Sachen zusammenpackte, aufstand und an allen anderen vorbei quer durch den Raum zur Tür ging, redete Steve weiter, als wäre Lorrie nie dagewesen.
Das Grundübel
Finden Sie das fies? Hätte Steve Jobs das auch anders machen können? Ja, ganz sicher hätte er es empathischer lösen können. Aber das ist in diesem Fall egal, denn es geht mir um etwas ganz anderes: Lorrie hatte ein Sakrileg begangen, ein No-Go, etwas, dass nicht hätte passieren dürfen: Sie hatte nichts beizutragen! Und das ist der Punkt, um den es mir geht. Jeder jammert über Meetings. Sie können überall hören: „Meetings sind Zeitverschwendung“, „Meetings sind Gift“ … und es stimmt ja auch, wir alle haben schon nervtötende, zeitraubende, sinnlose Meetings erlebt. Und dann hören wir immer viele nützliche Tipps, wie man Meetings verbessern kann. Dabei geht es meistens um Dinge wie: Sorgen Sie für eine klare Agenda. Definieren Sie Sinn und Zweck des Meetings. Beginnen Sie pünktlich. Diskutieren Sie stets sachlich. Visualisieren Sie Ergebnisse. Die wichtigsten Punkte zuerst. Und so weiter. Alles richtige Punkte, alles bestens – aber am entscheidenden, wichtigsten Punkt, dem Grundübel überhaupt, zielen diese Tipps immer haarscharf vorbei! Denn die Wahrheit ist: Die meisten Meetings sind deshalb so unproduktiv, weil zu viele und die falschen Leute drinsitzen! Weil dort Menschen sitzen, die nicht in das Meeting gehören.
Unter Ausschluss des Publikums
Und warum gehören Sie nicht da hinein? Weil sie nichts beizutragen haben. Weil sie keinen eigenen Wert hinzufügen. Weil sie in Wahrheit nur Zuschauer oder Zuhörer sind. Weil sie unproduktiv, schlicht überflüssig, einfach zu viel sind. Einladungen aus Freundlichkeit oder aus Rücksicht sind nicht gut. Sie sind falsch und nicht okay. Sie verschlechtern das Meeting für alle. Und Sie müssen sie vermeiden, wenn Sie bessere Meetings haben wollen. Das ist nichts Persönliches. Es geht einfach nur darum, ob ein Teilnehmer einen substanziellen Beitrag zu leisten in der Lage ist oder nicht. Grundsätzlich arbeiten kleine Gruppen fokussierter und motivierter als große Gruppen. Das ist Fakt. Und Fakten kümmern sich nicht um Ihre Befindlichkeiten. Das ist alles nicht neu oder besonders verwegen. Eigentlich genügt dafür der gesunde Menschenverstand. Aber wenn ich mir die massenhaften aufgeblähten Sitzungen in vielen Unternehmen anschaue, dann finde ich das nur noch schockierend.
What would Steve do?
Überlegen Sie mal: Wie oft verlieren Sie sich darin in endlosen, sich im Kreis drehenden Diskussionen? Und wie groß ist das Lager des beiwohnenden Publikums im Vergleich zu dem Lager der wahren Akteure in solchen Veranstaltungen? Warum sind Sie so viele? Würde es auch nur die Hälfte der Menschen tun? Wie viele Mannstunden könnten Sie dann einsparen? Wie viele sinnlose Fragen würden nicht gestellt werden? Natürlich fordert die Umsetzung dieser Idee einen Preis: Es ist wesentlich einfacher nur die Stirn zu runzeln und dennoch den Mund zu halten, wenn Ihnen eine Lorrie am Tisch gegenüber sitzt. Ja, Sie sollten es taktvoller machen als Steve Jobs. Geschenkt. Die Frage ist: Entfernen Sie die überflüssigen Zaungäste aus der Runde, ja oder nein?
Anja Förster ist Unternehmerin, Vortragsrednerin und Autorin. Zuletzt ist von ihr und Peter Kreuz erschienen "Zündstoff für Andersdenker". Hier können Sie ihr auf Twitter folgen.Weitere Kolumnen von Anja Förster: Die Lego-Methode, Ein Heilmittel gegen Silodenken, Warum Mitarbeiterbindung kontraproduktiv ist, Bureaucracy Busters statt Motivation-Booster, Wabi-Sabi - Vom Fluch der Perfektion, Artenschutz für Querdenker und Wenn die Erfolgsfalle zuschnappt
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