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Karriere Berufsleben: Warum es sich lohnt, öfter mal die Richtung zu wechseln

Unternehmer, Podcaster, vielleicht noch Stand-up-Paddler? Souveränität in der Karriere kann heißen, mehrere Rollen zu vereinen
Unternehmer, Podcaster, vielleicht noch Stand-up-Paddler? Souveränität in der Karriere kann heißen, mehrere Rollen zu vereinen
© Pond5 Images / IMAGO
Der eine Job fürs Leben – dieses Modell ist passé. Heute können Menschen während ihrer Berufslaufbahn verschiedene Berufe ausüben. Wie das gelingt, beschreibt Gastautor Julius Bachmann

Als ich Mitte 20 war, verdiente ich als Finanzinvestor bereits einen Haufen Geld. Trotzdem entschied ich mich mit 29 für einen Richtungswechsel. Der Grund: Statt abstrakt Millionen hin und her zu schieben, wollte ich lieber direkt mit Menschen zusammenarbeiten. Ich kündigte und machte mich als freiberuflicher Finanzchef für diverse Start-ups selbstständig.

Wieder lief es gut: Ich hatte viele Auftraggeber und verdiente ordentlich. Trotzdem: Hundertprozentig zufrieden war ich nicht. Irgendwann sah ich ein, dass die ganzen Finanzen, die Buchhaltung, das Controlling gar nicht meins war. Ich interessierte mich vielmehr für die großen Zusammenhänge, für Unternehmertum und die Menschen dahinter. Mir wurde klar: Ich wollte Unternehmerinnen und Unternehmer auf ihrer persönlichen Reise zu sich selbst und zum geschäftlichen Erfolg begleiten. Mit Anfang 30 legte ich also meinen zweiten Richtungswechsel hin: Ich entschied, Coach zu werden. Schrittweise verlagerte ich meinen beruflichen Schwerpunkt in diese Richtung, mittlerweile habe ich mein Business um meine Coaching-Tätigkeiten herum aufgebaut. 

Ich habe einige Versuche benötigt, um meinen Weg zu finden. Damit stehe ich repräsentativ für den Karriereweg des 21. Jahrhunderts. Denn anders als bei unserer Elterngeneration ist es mittlerweile Normalität, hin und wieder den Arbeitgeber oder gar den Beruf zu wechseln. Der Anteil der Menschen, die sich zehn Jahre oder mehr an einen Arbeitgeber bindet, geht seit Jahren zurück. Vor allem junge Menschen kurz nach dem Berufseinstieg wechseln sehr häufig den Job, um sich auszuprobieren. Und auch die Freiberuflichkeit, die die größte Unabhängigkeit mit sich bringt, ist beliebter denn je: Gab es 1992 in Deutschland noch etwas mehr als 500.000 Freelancer, sind es heute fast 1,5 Millionen – beinahe drei Mal so viel! Die Corona-Pandemie und die damit verbundene Verlagerung ins Home Office hat diese Entwicklung noch mal verstärkt.

Was machst du nochmal beruflich?

Sie wird sich wohl noch weiter zuspitzen. Berufliche Identitäten werden nicht nur gewechselt, sie werden auch miteinander kombiniert: Mal ist es ein Vollzeitjob und das Engagement in einem Netzwerk, dann eine Selbstständigkeit als Beraterin, später die Mitgründung einer Firma mit Investoren. Während alldem wächst die Followerzahl auf dem Foodblog und es trudeln erste Sponsoring- und Werbeangebote ein. Und dann ist es Weihnachten, und die liebe Großtante fragt: Sag mal, was machst Du eigentlich nochmal beruflich?

Manch einem mag die Sehnsucht nach mehr Selbstverwirklichung als narzisstisches Luxusproblem vorkommen. Doch auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft bleibt uns gar nichts anderes übrig. Denn die Automatisierung vieler Arbeitsprozesse zwingt uns zur Selbstreflektion: Was macht uns besonders? Was kann ich, was ein Algorithmus nicht erlernen kann? Wir befinden uns gewissermaßen an einem Wendepunkt wie zu Zeiten der Industriellen Revolution. Wir brauchen deshalb einen neuen Ansatz, um über Arbeit nachzudenken. Über die Frage: Wie kann ich mein Arbeitsleben so gestalten, dass die Arbeit mir dient – und nicht ich der Arbeit?

Einen Zustand, in dem eine Person ihren Selbstwert und ihre professionelle Identität unabhängig von einem einzigen Job definiert, definiere ich als „Career Sovereignty“. Sie bestimmt ihren Wert selbst. 

Als CEO-Coach habe ich mit vielen Menschen zu tun, die genau das anstreben. Und auch wenn sich die Lebenswirklichkeiten meiner Klienten teilweise stark voneinander unterscheiden, so sind ihre Fragen doch ähnlich. Alle benötigen Hilfe dabei, ein robustes System aufzubauen, das Ordnung ins Chaos der vielen unternehmerischen Möglichkeiten der Gegenwart bringt. Ein System, das ihre Ambitionen so steuert, dass sie (und ihre Firmen) ein Maximum an Wertschöpfung erzeugen. Wie aber soll das gelingen? 

Starre Trennung von Freizeit und Beruf auflösen

Um Unternehmertum zeitgemäß zu denken, müssen wir uns von der starren Trennung aus Freizeit und Beruf in unseren Köpfen lösen. Bisher lautete die Formel in etwa so: Alles, was Spaß macht, gehört in die Freizeit; womit wir Geld verdienen, ist beruflich. Beide Welten haben in diesem Denken nichts miteinander zu tun. 

Wenn wir zukünftig über unser Leben nachdenken, sollten wir uns dagegen fragen: Was sind die Aktivitäten, mit denen wir am liebsten den ganzen Tag verbringen? Mir selbst wurde bald klar, dass es nicht irgendwelche Finanzkalkulationen sind. Ich tausche mich lieber mit Menschen aus – danach treffe ich mich mit meinen Bandkollegen und mache Musik.

Andere malen gerne, spielen Volleyball oder interessieren sich für irgendwelche Nerd-Themen wie kanadische Schneeeulen. Klar, die wenigsten dieser Aktivitäten lassen sich monetarisieren. Aber darum geht es nicht.

Um zu erklären, was ich damit meine, nutze ich das Bild des „Flywheels“– zu Deutsch das Schwungrad. Ein selbstverstärkendes System, das für Energie, die eingespeist wird, zusätzliche Energie freisetzt. Genauso sollten wir unser Leben denken: Unsere Handlungen sind miteinander verzahnt, verstärken sich gegenseitig – ob sie Geld einbringen oder nicht, ist da erst einmal egal. 

Wir arbeiten an unserem Lebenswerk

Wie aber kann ein solches Flywheel konkret aussehen? Beispiel: Eine Person, ich nenne sie Anna, produziert einen unkommerziellen Podcast zum Thema umweltfreundliche Kosmetika. Parallel dazu bietet sie Workshops für Unternehmen an – der Podcast gilt als Expertisenachweis. Für die Workshops wendet Anna nur einen kleinen Prozentsatz ihrer Zeit auf – sie generieren aber den Großteil ihres Einkommens. Durch die mit Hilfe des Workshops gewonnenen Kontakte wiederum bekommt Anna neuen Content für den Podcast. Ja, sie kann vielleicht sogar eine eigene Kosmetiklinie begründen. Und ihre Leidenschaft fürs Stand-up-Paddling ermöglicht ihr die notwendigen Ruhephasen, durch die sie kreativ bleibt. Wir sehen: Ein Karriere-Flywheel muss nicht rund sein, sondern ist oft ein Netz aus verschiedenen Tätigkeiten!

Soweit die grobe Skizze. Wer in seine neue, nachhaltigere Existenz startet, muss natürlich noch ein paar weitere Fragen beantworten: Zu welchem Thema will ich mich positionieren? Welche Zielgruppe spreche ich an? Und wie stelle ich einen stetigen Einkommensstrom sicher? 

Am Wichtigsten ist jedoch, zunächst diese eine Sache verstanden zu haben: Wir müssen aufhören, zwischen Leidenschaften und lästigen Pflichtaufgaben zu unterscheiden. Nur so bleiben wir ein Leben lang motiviert, schützen uns vor Burnout und Langeweile. Anders ausgedrückt: Wir arbeiten nicht an unserer Karriere – wir arbeiten an unserem Lebenswerk. 

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