Der Harvard Business Manager betitelt ihn als einen der "führenden Experten für Positive Psychologie in Deutschland", selbst nennt er sich "Sinnput-Geber". Eines ist auf jeden Fall klar, Nico Rose will die Arbeitswelt nicht nur neu gestalten, sondern schlichtweg besser machen. Der Hochschullehrer für Wirtschaftspsychologie berät einzelne Menschen und Unternehmen bei der Team- und Organisationsentwicklung. Die eigenen Erfahrungen in einer Spitzenposition der Bertelsmann-Gruppe ließen ihn die Rolle der Führungskraft hinterfragen. Für sein Buch "Arbeit besser machen" widmete er sich dem Forschungsfeld der Positiven Psychologie, untersuchte Erfolgsmodelle und interviewte namenhafte internationale Experten, Wissenschaftler und erfolgreiche Leader.
Capital: Feelgood-Management à la Work-Life-Balance oder Vertrauensurlaub – Reicht das, um die Arbeitswelt besser zu machen?
NICO ROSE: Diese Art von Benefits geben den Menschen mehr Autonomie und Möglichkeiten zur Selbststeuerung. Das erhöht das "psychologische Einkommen" der Arbeitssituation – und ist erst einmal zu begrüßen. Schwierig wird es dort, wo das monetäre Einkommen und das psychologische Einkommen zu hart gegeneinander ausgespielt werden, wie das beispielsweise in Pflegeberufen häufig der Fall ist. Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft diesen ungesunden Trade-off in den kommenden Jahrzehnten überwinden.
Gerade, wenn neue Management-Moden durch die Büros wandern, neigen zu viele Manager dazu, auf die sichtbaren Artefakte zu achten, nicht auf die unsichtbaren Veränderungen an der Wurzel. Ergo: Du kannst Menschen mit oder ohne Krawatte wie Dreck behandeln – und natürlich auch mit oder ohne Hoodie. Mit einer Veränderung des Dresscodes oder einer Duz-Kultur ist noch nicht viel erreicht, wenn man möchte, dass es den Mitarbeitern wirklich besser geht.
Erfolg und Glück vereinen – ändert sich das Bewusstsein für das Thema Arbeit mit einer Generation?
Psychologisch attraktive Aspekte der Arbeit, zum Beispiel das Erleben von Selbstwirksamkeit oder das Ausleben der ureigenen Stärken stand in der Vergangenheit nicht so sehr im Vordergrund. Es ging vor allem um den sichtbaren, externen Karriereerfolg: Geld, Status, gesellschaftlicher Aufstieg. Aktuell scheint der "psychologische Karriereerfolg" deutlich höher gewichtet zu werden. Da geht es nicht so sehr um die Frage "Wie komme ich schnell ins Eigenheim, an den Zweitwagen und die gute Altersversorgung?". Stattdessen stehen Fragen des intrinsischen Erfolgs im Vordergrund: "Welche Art von Arbeit erfüllt mich? Wie ich kann ich meine Stärken einbringen?" An dieser Stelle wird auch deutlich, dass es zur zufriedenstellenden Beantwortung dieser Fragen eine andere Form der Führung benötigt.
Was sind Gründe dafür, dass die Arbeitsmotivation häufig nachlässt? Und welche Möglichkeiten gibt es, das zu verhindern?
Vor allem fehlendes Vertrauen in die Führungsetagen, die Abwesenheit von Spaß bei der Arbeit und ein Mangel an Feedback treibt Menschen zuverlässig in die innere Kündigung. Wenn man dann etwas tiefer gräbt und sich zum Beispiel fragt, was denn wiederum das Erleben von Spaß fördert, dann zeigt sich, dass Stärkenorientierung wahnsinnig wichtig ist. Wenn wir regelmäßig an Aufgaben arbeiten müssen, die fern von dem liegen, was wir als unsere Stärken empfinden, dann leidet die Motivation spürbar. Vor diesem Hintergrund ist es extrem wichtig, dass Führungskräfte lernen, wie sie Mitarbeiter in Aspekten wie ihrer Selbstwirksamkeit, ihren Kontrollüberzeugungen und ihrer Stärkenorientierung unterstützen können. Je schwieriger das Umfeld insgesamt wird, desto besser müsste die Führungsqualität eigentlich werden. Da ist noch viel Luft nach oben.
Der unnahbare Chef – hängen Führungsfähigkeiten und Vertrauen zusammen?
Wenn ich vertraue, mache ich mich ein Stück weit abhängig von einer anderen Person, sogar verwundbar. Wenn eine Führungskraft immer über zu wenig Zeit klagt, frage ich als Coach, ob sie gelernt hat, ausreichend zu vertrauen. Manche sagen dann: "Wieso? Ich delegiere doch schon alles, was geht." Aber delegieren ist nicht gleich loslassen. Wer als Führungskraft ein Thema komplett loslässt, der gibt auch die Verantwortung aus der Hand, kontrolliert eben nicht mehr nach. Man vertraut darauf, dass der Mitarbeiter alles zur Zufriedenheit erledigen wird. Dieses Aufgeben von Kontrolle erzeugt Unsicherheit. Wer lernt, immer weiter loszulassen, stärkt jedoch dadurch die geführten Personen – und aus eigener Erfahrung als Führungskraft und Coach kann ich sagen, dass das auch die Performance des Unternehmens verbessert.
Was sind deine eigenen Erfahrungen als Führungskraft?
So, wie unsere Sinnesorgane dabei helfen, uns in der Außenwelt zu orientieren, hilft uns Feedback bei der Orientierung in einer sozialen Umwelt. Ohne ausreichendes Feedback sind wir in einer Organisation also im wahrsten Sinne des Wortes ein Stück weit sinn(es)los. Meine Forschung zeigt, dass ein Mangel an Feedback zu den Top-5 aus insgesamt 30 Faktoren gehört, die deutschen Angestellten regelmäßig ihre Arbeitsfreude rauben.
Wie sieht denn gutes Feedback aus?
Feedbackprozesse sind kein Zuckerschlecken – weder im Nehmen noch im Geben. Vor allem das Feedback durch Vorgesetzte löst fast unweigerlich verschiedene Formen der sozialen Unsicherheit aus. Das können wir jedoch ändern, indem wir eine Feedback-Kultur entwickeln – und zwar derart, dass Menschen sich regelmäßig aktiv und freiwillig Feedback einholen. Das gibt uns ein Stück weit Kontrolle und Selbstwirksamkeit zurück, was den Gefühlen der Machtlosigkeit und des Ausgeliefertseins entgegenwirkt. Feedback sollte regelmäßig und zeitnah erfolgen – und sich auf konkretes Verhalten beziehen. Lieber einmal pro Woche eine kurze Durchsprache mit dem Vorgesetzten als einmal im Jahr das große Powwow.
Wertschätzung für die eigene Arbeit motiviert. Aber wie schaffe ich es, das ideale Maß an Wertschätzung zu finden, ohne gleichzeitig Druck bei anderen zu erzeugen, diesen Ansprüchen gerecht werden zu müssen?
Der Schlüssel liegt darin, die Wertschätzung für die Leistung der Person von der Wertschätzung für die Person selbst zu trennen. Wenn wir als Führungskräfte unsere Mitarbeiter vor allem für deren Leistung wertschätzen, wird dieser Faktor streng genommen ein Mittel der Instrumentalisierung. Das ist der normale Weg in der Wirtschaft – und im Prinzip auch besser, als gar keine Anerkennung zu zollen. Man kann jedoch lernen, den Menschen unabhängig von seiner Leistung zu wertschätzen, in seinen Besonderheiten zu akzeptieren und zu achten – losgelöst davon, was dieser gerade leistet. Das ist dann aber zugegeben schon die hohe Schule der Führung.