Blauer Brief aus Brüssel
Bis auf die CSU wollte sie keiner haben, und jetzt kommt sie auch nicht – zumindest vorerst. Die Rede ist von der Pkw-Maut, die von den Christsozialen in den Koalitionsvertrag gedrückt worden war. Ausländische Autofahrer sollten zur Kasse gebeten werden, während die einheimischen Kraftfahrer über die Kfz-Steuer entschädigt werden sollten.
Für die CSU ist das eine Frage der Gerechtigkeit. Die EU-Kommission sieht dagegen eine Benachteiligung ausländischer Autofahrer. Daher leitete die Behörde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. „Eine Straßennutzungsgebühr ist nur dann EU-rechtskonform, wenn sie nicht aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminiert“, sagte EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc.
Verkehrsminister Alexander Dobrindt stoppte die Mautpläne vorerst, obwohl er die EU-Kommission in der Sache für nicht zuständig hält. Die Kfz-Steuer gehöre eindeutig in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die von Bundespräsident Joachim Gauck unterzeichneten Gesetze sehen vor, dass die Maut von In- und Ausländern bezahlt werden muss. Nur werden die einheimischen Autofahrer durch die Kfz-Steuer wieder entlastet.
„Mit der Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens bremst die EU-Kommission die Umsetzung der Infrastrukturabgabe“, sagte der CSU-Politiker. Der geplante Starttermin 2016 sei damit nicht mehr zu halten. Die Bundesregierung hat jetzt erst mal zwei Monate Zeit, um den Blauen Brief aus Brüssel zu beantworten.
Die bayerische CSU, die das Projekt mit Vehemenz vorangetrieben hat, sieht nun ziemlich alt aus. Dobrindt und seine Mitstreiter müssen womöglich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes warten – und das kann sich hinziehen. Ein paar Jahre werden schon ins Land gehen. Und wenn es ganz schlimm kommt, kassiert das Bundesverfassungsgericht auch das Betreuungsgeld, noch so ein CSU-Projekt, das gegen alle Widerstände durchgedrückt wurde.
Griechisches Endlosdrama
Die Zeit drängt, doch noch immer gibt es keine Lösung im Streit um die griechischen Schulden. Am Donnerstag trafen sich in Luxemburg die Euro-Finanzminister, um einen erneuten Anlauf für eine Einigung zu unternehmen. Aber schon vor dem Treffen wurde über einen Sondergipfel in der kommenden Woche spekuliert. Und so ist es dann auch gekommen. EU-Ratspräsident Donald Tusk bittet die Staats- und Regierungschefs für kommenden Montag nach Brüssel:
Ist das dann die Stunde der Wahrheit? Die letzte Gelegenheit für den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras sein Land vor dem Zahlungsausfall zu bewahren? IWF-Chefin Christine Lagarde hofft zumindest auf einen Dialog: „Am dringendsten ist es aus meiner Sicht, den Dialog von Erwachsenen im Raum wiederherzustellen.“ In der Tat muss einem das Hin und Her im Schuldenstreit der letzten Tage kindisch vorkommen.
Die Regierung in Athen und die Gläubiger sehen sich wechselseitig am Zug, neue Vorschläge zu machen. „Der Ball liegt eindeutig im griechischen Feld. Die Zeit läuft ab“, sagte beispielsweise Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem nach dem Treffen am Donnerstag. Und auch Lagarde fordert konkrete Vorschläge und nicht „Schall und Rauch“.
Doch die griechische Seite sieht das anders. Finanzminister Yanis Varoufakis verlangte bereits zu Wochenbeginn einen Schuldenerlass für sein Land: „Nur so können wir die Rückzahlung von so viel Schulden wie möglich garantieren und auch leisten.“ Mehr Geld will Varoufakis dagegen von den Gläubigern nicht, sie hätten schon so viel gegeben.
Garniert wird das Ganze mit schrillen Tönen aus Athen. Regierungschef Tsipras etwa warf dem IWF eine kriminelle Verantwortung für die Situation vor, in der sein Land jetzt stecke. Und ein griechischer Parlamentsausschuss stufte die Schulden des Landes als „illegal“ ein, weil die Geldgeber europäisches und internationales Recht sowie die Menschenrechte verletzt hätten. Der Prüfausschuss, dem auch internationale Experten angehören schlussfolgert: „Griechenland muss diese Schulden nicht bezahlen.“
Solche Zwischentöne dürften nicht zu einer Problemlösung beitragen. Dabei betont die links-rechts Regierung in Athen stets, dass sie ein Ausscheiden aus der Eurozone unbedingt vermeiden will. Und auch die Griechen sind laut jüngsten Umfragen für eine Beibehaltung des Euro. Doch das endlose Hickhack hat in der Bevölkerung Spuren hinterlassen. Aus Angst vor einem Grexit und Bankenpleiten plündern die Griechen ihre Konten. Mehr als 3 Mrd. Euro sollen sie in dieser Woche schon abgehoben haben. Der Bankrun könnte dazu führen, dass die Kreditinstitute am Montag nicht mehr öffnen können.
Tsipras bleibt trotzdem unerschütterlich optimistisch: „Der Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs am Montag ist eine positive Entwicklung auf dem Weg zu einer Einigung.“
Bilfinger ohne Power
Die Aktie des Baukonzerns Bilfinger Berger hat den Investoren seit geraumer Zeit wenig Freude gemacht. Und die Serie schlechter Nachrichten reißt nicht ab. Am Mittwochabend kündigte das Unternehmen an, sein Kraftwerksgeschäft verkaufen zu wollen. Außerdem gab es eine weitere Gewinnwarnung – die letzte stammte aus dem April. Die Aktie verlor am Donnerstag rund14 Prozent. Seit Juni 2014 hat das Papier gut 60 Prozent an Wert verloren.
Das Kraftwerksgeschäft sei mit der Energiewende hierzulande fast zum Erliegen gekommen, sagte Bilfinger-Chef Per Utnegaard in einer Telefonkonferenz. Er räumte ein, dass sein Unternehmen hätte früher reagieren müssen. Jetzt muss der Konzern dafür büßen: Für dieses Jahr wird ein Minus von 100 Mio. Euro in dieser Sparte erwartet. Kein Wunder, dass Utnegaard die Kraftwerkssparte binnen eines Jahres loswerden möchte. 11.000 der 70.000 Bilfinger-Beschäftigten sind von den Plänen betroffen.