In knapp fünf bis sieben Jahren machen die Generation Z und Millennials bereits 60 Prozent der weltweiten Arbeitskraft aus. Also diejenigen, die nach dem Pew Research Center zwischen 1981 und 1996 sowie nach 1997 geboren wurden. Damit einher geht eine gewaltige Veränderung der Mitarbeiterpräferenzen. Die jüngeren Generationen übernehmen das Ruder und setzen andere Schwerpunkte als ihre Vorgänger.
Im Zentrum dieser Entwicklung steht der zunehmende Wunsch nach Individualismus; flexible Arbeitspläne und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten rücken in den Fokus. Das bedeutet mehr Autonomie, mehr Planungsmöglichkeiten, mehr Gestaltungsfreiraum. Und auch wenn die „Jüngeren” diese Entwicklung anstoßen, sind sie beileibe nicht die einzigen Profiteure. Schließlich ist die Arbeit für viele Menschen fortgeschrittenen Alters ein sinnstiftendes Element im täglichen Leben. Mit neuen und flexiblen Arbeitsmodellen können die älteren Generationen ihre jahrelange Expertise auch in neue Rollen und Berufsfelder weiterhin einbringen.
Nicht nur die Wirtschaft, eine Gesellschaft ist im Wandel
Insgesamt wälzen drei große Makrofaktoren den Arbeitsmarkt um: Der angesprochene demografische Wandel sowie die zunehmende Internationalisierung des Arbeitsmarktes und die Digitalisierung. Die Konsequenzen dieses Prozesses sind weitreichend:
- Zum einen verfügt Arbeit über eine enorme soziokulturelle Bedeutung. Sie ist etwa ein entscheidender Faktor dafür wie wir leben, wo wir leben, sogar wie wir unsere Kinder erziehen.
- Zum anderen ist selbstverständlich der ökonomische Aspekt stark betroffen. Allein der globale Human-Resources-Markt ist 400 Mrd. US-Dollar wert. Der Wandel der Arbeit und des Arbeitsmarktes – die veränderte Einstellung der Menschen zur Arbeit sowie neue technologische Lösungen – werden sämtliche Branchen und Industrien weltweit nachhaltig prägen.
Über die ganze Welt verstreut – dezentrale Unternehmen
Sogenannte Distributed Companies stehen beispielhaft für den Arbeitsplatz der Zukunft. In diesen Unternehmen können Menschen von überall dort arbeiten, wo sie sich wohl und produktiv fühlen. Der eine zentrale Firmenstandort ist passé, stattdessen verteilen sich die Mitarbeiter über die ganze Welt. Mit dem stärkeren Wunsch der jüngeren Mitarbeiter nach flexiblen und individuellen Gestaltungsmöglichkeiten werden viele Arbeitgeber einen (zumindest partiellen) Wandel vom rein standortbasierten Unternehmen zu einer Distributed Company durchlaufen müssen.
Doch das muss der Wirtschaft keinesfalls zum Nachteil gereichen. Während Unternehmen ihre Arbeitskräfte vorher aus einem größtenteils regionalen, vielleicht nationalen und nur ganz selten internationalen Talentpool rekrutierten, können sie nun Fachkräfte aus der ganzen Welt für sich gewinnen.
Der Arbeitsmarkt wird internationaler
Gerade die europäische Technologiebranche kämpft bereits um versierte Arbeitskräfte aus ganz Europa – und treibt damit die Internationalisierung des Arbeitsmarktes als zweiten entscheidenden Makrofaktor voran. Der Report State of European Tech analysiert in diesem Zusammenhang die Wanderung von Arbeitskräften auf dem europäischen Kontinent. Jeweils 14,6 Prozent der migrierenden Arbeiter verschlägt es nach Deutschland oder Großbritannien; Wirtschaftszentren und Großstädte wie Berlin, London und Paris werden jährlich internationaler. In deutschen Start-ups und Scale-ups kommt bereits 44 Prozent der Belegschaft und Gründerinnen und Gründer aus dem Ausland.
Dieser stete Influx und Austausch von Arbeitskräften über den ganzen Kontinent, versetzt europäische Unternehmen in eine einzigartige Position. Sie sind die Zusammenarbeit mit kulturell und geografisch vielfältigen Teams bereits gewohnt und können von einem grenzüberschreitenden Fundus an Wissen und Erfahrungen profitieren.
Chefsache: digitales Recruiting
Schlussendlich ist die Digitalisierung als dritter Makrofaktor der Zukunft der Arbeit zu nennen. Immer mehr fortschrittliche HR-Technologien kommen auf den Markt – und treffen auf ein steigendes Interesse von HR-Fachkräften und -Managern, diese auch in die internen Prozessen zu adaptieren.
Denn derzeit schalten sich vermehrt die Vorstands- und Managementebenen in Angelegenheiten rund um das Personalwesen ein; Fragen rund um Berufsanwärter und Angestellte werden lange nicht mehr ausschließlich in der Personalabteilung debattiert. Stattdessen haben zahlreiche Unternehmen erkannt, dass die richtigen Angestellten und eine ausgeprägte, positive und gelebte Unternehmenskultur mitentscheidend für den Erfolg einer jeden Firma – und damit Chefsache – sind.
Der Wandel findet bereits statt
Und das Wettrennen am HR-Markt hat bereits begonnen: Zahlreiche Unternehmen entwickeln neue Software für Recruiting-Prozesse, zur Förderung und Stärkung der Unternehmenskultur oder Diversität und Inklusion am Arbeitsplatz. Das britische Start-up Applied entwickelt beispielsweise Software, um Vorurteile und Diskriminierung im Auswahl- und Einstellungsprozess von Bewerbern zu verhindern. Mit Peakon entwickelt ein weiteres Unternehmen Lösungen, um das Engagement von Mitarbeitern zu messen und zu verbessern. Mitarbeiter können anhand einer digitalen Plattform in regelmäßigen Intervallen ihr Feedback abgeben. Unternehmen erkennen auf diese Weise Probleme und Wünsche der Belegschaft, können sich dieser annehmen und schlussendlich die Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeiter erhöhen.
Andere Firmen widmen sich den soziokulturellen Herausforderungen und fördern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie den Gemeinschaftsaspekt der Arbeit als Teil der Unternehmenskultur. Immer mehr Unternehmen bieten die Kinderbetreuung am Arbeitsplatz. Mit Gympass organisiert ein anderes Unternehmen Firmen und Mitarbeitern flexible Fitnessmitgliedschaften. Hinge Health als ein weiteres Beispiel stellt Unternehmen Trainer für gesundheitsfördernde Maßnahmen abseits der gesetzlichen Krankenkasse zur Verfügung.
Kurzum: Flexibilität, Diversität und Digitalisierung sind die drei Leitmotive des modernen Arbeitsmarktes. Deutschland und Norwegen verfügen bereits über eine Frauenquote für Unternehmensvorstände und laut der OECD sind die führenden zehn Länder in Sachen bezahlter Mutterschaftsurlaub alle europäisch. Der Wandel des Arbeitsmarktes ist bereits in vollem Gange.
Über den Autor:
Gemeinsam mit Skype-Gründer Niklas Zennström gründete Mattias Ljungman 2006 den Risikokapitalgeber Atomico. Derzeit ist er dort Partner und Teil des Future of Work-Teams.