„Störung, Störung“, dröhnt es im Cockpit des ICE 1. Marco Hähnel blickt vom Fahrersitz auf ein paar blinkende Schalter. Der junge Mann in Dienstuniform drückt auf Reload und blickt fragend seinen Ausbilder an. Der nickt, „richtig“, das Betriebssystem fährt neu hoch. So leicht sind Fehler manchmal zu beheben. Türen, die klemmen, ein kaputter Bordcomputer, Antriebe, die versagen – die Palette möglicher Störungen ist groß. Bis hin zur Kaffeemaschine und Toilette reicht die Verantwortung eines Lokführers. „Wir versuchen, möglichst viel selbst zu erledigen“, sagt Ausbilder Philip Paul Tieck.
Die Störung war nur eine kleine Simulation für den angehenden Lokführer Hähnel. Tatsächlich fehlt dem Zug nichts, er kommt frisch gewartet und geputzt aus der ICE-Werkstatt in Berlin-Rummelsburg. Hier schleust die Deutsche Bahn jede Nacht 30 bis 40 Züge durch, die am Morgen wieder auf die Strecke müssen. Auch jeder Lokführer-Azubi im DB-Fernverkehr schraubt hier sechs Wochen mit.
Begehrter Beruf – auch für Quereinsteiger
Anfang Januar hat der 26-jährige Hähnel seine Ausbildung begonnen – als Quereinsteiger bei der DB. Eine Schnupperfahrt auf einer Lok war der „Wow“-Moment. „Danach war mir klar, dass ich mir meinen Kindheitstraum erfüllen muss“, sagt der gebürtige Berliner. Die Voraussetzung für den Quereinstieg brachte er mit, eine technische Ausbildung. Hähnel ist gelernter Kfz-Mechatroniker.
Rund 650 neue Triebfahrzeugführer, so heißt der Beruf im Eisenbahnerjargon, bildet das Unternehmen 2021 aus. Eine Rekordzahl, die zeigt, dass Züge autonom nicht weit kommen. Dazu kommen 1700 Quereinsteiger. Seit Anfang des Jahres bekam die DB allein über 2230 Bewerbungen aus der Luftverkehrsbranche. Rund 340 stellte die Bahn ein – davon 73 ehemalige Piloten und 120 ehemalige Flugbegleiter. Mit 50 Ausbildungsberufen, 25 dualen Studiengängen und über 5000 neuen Talenten allein 2021 ist die DB eine der größten Nachwuchsschmieden des Landes.
„Ein paar Knöpfe drücken und den Rest der Fahrt aus dem Fenster gucken“, so stellten sich ihre Freunde den Job vor, erzählt Cassandra Minaie. Die 23-Jährige hat vor gut einem Jahr ihre Ausbildung zur Lokführerin erfolgreich gemeistert. Bremsen, das Tempo drosseln und natürlich die Stopps an den Bahnhöfen – alles das müssen die Zugführer selbst machen. In der Ausbildung geht es viel um Technik, gebüffelt werden Signale, Verkehrsregeln und stapelweise Regelwerke.
Trainiert werden zudem Stresssituationen. „Oft sind Lokführer allein unterwegs. Im Falle einer Störung oder brenzligen Situation müssen sie ruhig bleiben“, sagt Ausbilder Tieck. Minaie will später selbst als Ausbilderin arbeiten und Führungskraft werden. Vor allem will sie Mädchen für den Beruf motivieren. Denn egal ob am Steuer oder in der Werkstatt, „keine Schicht ist gleich, ich muss mir immer was einfallen lassen“.