Tim Wisbar schaut konzentriert auf das Kabel, das er gerade bearbeitet. Er hat es bereits gekürzt und mit einer Zange die Ummantelung abgeknipst. Jetzt tunkt er die freigelegte Litze in Fett und greift nach dem Lötkolben. Ganz langsam, ganz behutsam, die Arbeit erfordert eine ruhige Hand. Es raucht, als der heiße Kolben das Lötzinn um das Kabel schmelzen lässt. Eigentlich, sagt Wisbar, arbeite er lieber an großen Anlagen. Aber eine große Anlage besteht aus vielen kleinen Teilen, deshalb gehört auch das Löten zu seinem Job. Am Ende wird Wisbar einen Adapterstecker gebaut haben, mit dem Messgeräte an U-Bahn-Züge angeschlossen werden.
Der 28-Jährige ist Auszubildender bei der Hamburger Hochbahn. Mit 250 Zügen und 1100 Bussen befördert das Verkehrsunternehmen täglich mehr als 1,2 Millionen Passagiere durch die Hansestadt. Für einen möglichst pünktlichen Ablauf sorgen mehr als 6300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und wenn alles glatt läuft, gehört bald auch Tim Wisbar dazu.
Er ist angehender Mechatroniker im dritten Ausbildungsjahr und einer der ältesten Azubis bei der Hochbahn. Wisbar kommt aus Braunschweig, nach der Realschule ging er zur Bundeswehr, verpflichtete sich für acht Jahre. Er war in einer Kaserne zwischen Hamburg und Bremen stationiert und arbeitete in der Instandsetzung. Es sei ihm schon immer klar gewesen, dass er später einmal in einem technischen Beruf arbeiten will. „Ich bin da vorgeprägt durch meinen Vater, der ist Kfz-Meister“, sagt Wisbar. Nach seiner Zeit beim Bund zog er mit seiner Freundin nach Hamburg und sah sich im Netz nach Ausbildungsplätzen um.
Das mit ihm und der Hochbahn ging dann Schlag auf Schlag, erzählt er. Nachdem er sich beworben hatte, musste er online einen Test absolvieren: Grundkenntnisse in Mathematik, räumliches Denken, technisches Verständnis – solche Dinge wurden abgefragt. Danach gab es ein digitales Bewerbungsgespräch. Es lief gut, Wisbar durfte noch am selben Nachmittag in der Hauptwerkstatt vorbeikommen, um sich alles anzusehen, mit dem Meister zu sprechen. Am nächsten Tag hatte er die Zusage.
Ganz so flott geht es zwar nicht immer, aber die Hochbahn sei bemüht, den Bewerbungsprozess so reibungslos wie möglich zu gestalten, sagt Sascha Mettner. Der 32-Jährige ist seit Juli vergangenen Jahres Personalreferent für die Berufsausbildung. „Wir sind recht schnell bei der Bearbeitung. In der Regel vergeht nur eine Woche zwischen Erst- und Zweitgespräch.“ Bevor der gelernte Zerspanungsmechaniker zur Hochbahn kam, hat er bei einem Automobilzulieferer selbst junge Leute ausgebildet. Aber der Autobranche gehe es nicht mehr so gut, und bei der Ausbildung werde leider zuerst das Geld gekürzt, sagt Mettner. „Ich konnte irgendwann diese Sparmaßnahmen einfach nicht mehr vor den Azubis vertreten.“
Bewerberlage ist „herausfordernd“
Die Hochbahn bildet aktuell mehr als 150 Menschen im technischen und im kaufmännischen Bereich aus. Sie können zwischen zwölf Ausbildungsberufen wählen – vom Gleisbauer bis zur Industriekauffrau. Dazu kommen vier duale Studiengänge. Jedes Jahr stellt das Unternehmen mehr als 50 neue Azubis und duale Studenten ein.
Auch die Hochbahn spürt den allgemeinen Fachkräftemangel. Es sei jedes Mal eine Menge Aufwand, die Stellen zu besetzen, erklärt Sascha Mettner. Sie seien auf vielen Messen unterwegs, nutzten alle Kanäle, auch digital. Es gebe Schnuppertage für Schülerinnen und Schüler, einen Tag der offenen Tür in den Werkstätten, Boys- und Girlsdays. Gegenüber anderen Betrieben haben die Ausbilder der Hochbahn einen entscheidenden Vorteil: Wenn sie an Haltestellen und in den Zügen für die Ausbildung im Unternehmen werben, erreichen sie damit jeden Tag viele Tausend Menschen.
Die Bewerberlage sei „herausfordernd“, sagt Mettner. In seinem vorherigen Betrieb habe man manche Ausbildungsplätze gar nicht besetzen können, da stehe die Hochbahn deutlich besser da. „Aber es ist nicht so, dass man fünf Kandidaten für eine Stelle hat und sich dann den besten aussucht.“ Wenn ein Bewerber gut passe, müsse man schnell zuschlagen, damit auch ein Vertrag zustande kommt.
Die Politik debattiert seit Langem über die Verkehrswende. Aber egal wie sie am Ende im Detail ausgestaltet wird, die grundsätzliche Richtung ist klar: weniger Individualverkehr, mehr Bus und Bahn. Für den angehenden Mechatroniker Tim Wisbar war das auch ein Grund, zur Hochbahn zu gehen. „Es ist ein sicherer Arbeitsplatz, denn Nahverkehr ist gewollt“, sagt er.
In den ersten eineinhalb Jahren sind die Azubis vor allem in der Ausbildungswerkstatt im Einsatz, um Grundlagen zu erlernen wie bohren, fräsen, drehen. Hier können sie sich ausprobieren, hier können sie Fehler machen. Im Ausbildungszentrum haben sie an der Drehmaschine den Hamburger Fernsehturm im Miniaturformat gebaut, erzählt Tim Wisbar. Hinzu kommen viermal im Jahr dreiwöchige Schulblöcke.
Viele „Frühauslerner“
Nach dem ersten Teil der Abschlussprüfung durchlaufen die Azubis dann verschiedene Abteilungen in der Werkstatt. „Das ist super abwechslungsreich“, sagt Tim Wisbar. Neulich sei ein Zug reingekommen mit einem undichten Dach, das Regenwasser lief in die Fahrerkabine. Sie haben das Dach abgenommen, neu abgedichtet und wieder aufgesetzt. „Wenn man durch Hamburg fährt, sieht man überall die Züge der Hochbahn“ sagt Wisbar. „Und es ist schon cool, wenn man seinen Teil dazu beiträgt, dass alles rollt.“
Im kommenden Jahr beendet Tim Wisbar die Ausbildung, er hat vorzeitig ausgelernt: Statt nach dreieinhalb Jahren absolviert er schon nach drei Jahren seine Abschlussprüfung. Das ist möglich, wenn man Vorkenntnisse mitbringt oder sich besonders gut anstellt. Und vor allem: wenn die Noten stimmen. Wer beim ersten Teil der Abschlussprüfung mindestens 82 Prozent richtig hat, kann verkürzen. „Ich hatte 86 Prozent“, sagt der Azubi stolz.
Mehr als die Hälfte der Azubis im technisch-gewerblichen Bereich seien „Frühauslerner“, erklärt Personalreferent Mettner. Er sieht darin einen Beleg für die guten Bedingungen bei der Hochbahn: „Die Azubis haben den Vorteil, dass sie sich hier in der Lernwerkstatt wirklich auf die Ausbildung konzentrieren können – und nicht als billige Hilfskräfte eingesetzt werden, die die Halle fegen oder Teile sortieren“, sagt er.
Tim Wisbar will nach der Ausbildung gern bei der Hochbahn arbeiten. „Hier wird man gut abgeholt und mitgenommen“, sagt er. Und klingt dabei schon wie ein echter Hochbahner.