Hier kommt eine weitere herzzerreißende Geschichte, die ich erlebt habe. An einem Sonntagabend hatten wir bei uns Zuhause in München-Maxvorstadt wieder ein großes Abendessen mit unseren sieben Freunden aus der Ukraine. Nach dem Essen spielten die Kinder noch zusammen und der älteste, der 17-jährige Sohn von meinem Freund, der zuvor in die Ukraine zurückgefahren war, um sein Land zu verteidigen, fragte mich: „You like bike, Philipp?“.
Ich war ein wenig überrascht, denn normalerweise habe nur ich ihm bisher Fragen gestellt, ihm etwas erzählt. Er war seit seiner Ankunft bei uns eigentlich eher sehr still, schüchtern und zurückhaltend. Ich antwortete ihm: „Yes, I love biking“. Er fragte wieder: „You have two bikes?“. „Yes“ sagte ich wieder. Er erwiderte: „Do we go by bike together tomorrow? We have fun!“ Er wollte mit mir eine Radtour machen. Ich glaube, ich habe noch nie so schnell geantwortet: „Yes, sure, I love it.“ Ein Glücksgefühl kam in mir hoch. Wir haben uns direkt für den nächsten Nachmittag verabredet.
Ich habe alle meine Nachmittagstermine gestrichen und wir sind 20 Kilometer an der Isar und durch München unterwegs gewesen. Wir haben viele Stopps gemacht, um die Übersetzungs-App anzuschmeißen. Er hat mir viel über sich, sein Leben in Kiew, seine Hobbys und seine Freunde erzählt. Ich habe ihm viel über meine Familie, meine Hobbys und meine Arbeit erzählt. Und natürlich haben wir auch über den Krieg, Russland, die Ukraine und Putin gesprochen. Wir hatten eine tolle Zeit und haben natürlich seinem Papa in der Ukraine viele Fotos gesendet.

Wir haben auch über die Schule und die Uni gesprochen. Er studiert im dritten Monat in Kiew. Er hatte keinen virtuellen Unterricht, es seien „Kriegsferien“, sagte er. Wir haben besprochen, dass er auch hier studieren kann. Er fand das klasse und ich habe mich noch am gleichen Abend an die ReDI School of Digital Integration gewandt. Die Reaktion vom Jugendkoordinator kam sofort. Mega! Mein Freund hat ein erstes Gespräch mit der Digital-Schule bekommen. Das Jugendprogramm hat gerade gestartet. Der Zeitpunkt war also perfekt!
Was zeigen uns solche Geschichte? Wenn wir unsere Herzen öffnen, dann erreichen wir die Menschen und wir schaffen eine Verbindung zu ihnen, die Liebe, Zuneigung, Verständnis, Offenheit und Mut weckt. Die Herzen verbinden sich und es kommt all das zurück, was wir auch geben.
Viele fragen sich: Soll ich Geflüchtete bei mir aufnehmen? Meine Antwort darauf: Ja! Wenn folgendes gegeben ist:
- Wenn Ihr in Eurer Wohnung oder Eurem Haus ein Zimmer für sie freimachen könnt.
- Wenn Ihr ihnen die Unterkunft mindestens für vier bis sechs Wochen zur Verfügung stellen könnt.
- Wenn Ihr Euch in dieser Zeit auch um sie kümmern könnt (Anmeldungen, Gespräche, Besorgungen von kostenfreien Handykarten, Unterbringung der Kinder in Schule/Kindergarten, Organisation von Deutschkursen, Wohnungssuche und vieles mehr).