Anleitung zum Helfen Radtour mit Ukrainer

Unternehmer Philipp Depiereux
Unternehmer Philipp Depiereux
© privat
Geflüchtete brauchen eine Unterkunft. Aber auch Menschen, die sich um sie kümmern. Unternehmer Philipp Depiereux schreibt in seinem Online-Tagebuch, wie sein 17-jähriger Gast aus der Ukraine ihn, das erste Mal um etwas bittet

„Anleitung zum Helfen“ – ist eine Serie, in der Unternehmer Philipp Depiereux seine Erfahrungen festhält, die er bei seinen Hilfsaktionen für Geflüchtete sammelt. Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat der 44-Jährige zahlreiche Initiativen gestartet, um Menschen auf der Flucht zu helfen. Er berichtet darüber regelmäßig auf seinen Social-Media-Kanälen. Allein über das Online-Netzwerk LinkedIn erreicht er damit rund 40.000 Menschen, die ihm folgen. Auszüge dieser persönlichen Protokolle, mit denen Depiereux andere zum Nachmachen animieren möchte, geben wir hier wieder.

Hier kommt eine weitere herzzerreißende Geschichte, die ich erlebt habe. An einem Sonntagabend hatten wir bei uns Zuhause in München-Maxvorstadt wieder ein großes Abendessen mit unseren sieben Freunden aus der Ukraine. Nach dem Essen spielten die Kinder noch zusammen und der älteste, der 17-jährige Sohn von meinem Freund, der zuvor in die Ukraine zurückgefahren war, um sein Land zu verteidigen, fragte mich: „You like bike, Philipp?“.

Ich war ein wenig überrascht, denn normalerweise habe nur ich ihm bisher Fragen gestellt, ihm etwas erzählt.  Er war seit seiner Ankunft bei uns eigentlich eher sehr still, schüchtern und zurückhaltend. Ich antwortete ihm: „Yes, I love biking“. Er fragte wieder: „You have two bikes?“. „Yes“ sagte ich wieder. Er erwiderte: „Do we go by bike together tomorrow? We have fun!“ Er wollte mit mir eine Radtour machen. Ich glaube, ich habe noch nie so schnell geantwortet: „Yes, sure, I love it.“ Ein Glücksgefühl kam in mir hoch. Wir haben uns direkt für den nächsten Nachmittag verabredet.

Ich habe alle meine Nachmittagstermine gestrichen und wir sind 20 Kilometer an der Isar und durch München unterwegs gewesen. Wir haben viele Stopps gemacht, um die Übersetzungs-App anzuschmeißen. Er hat mir viel über sich, sein Leben in Kiew, seine Hobbys und seine Freunde erzählt. Ich habe ihm viel über meine Familie, meine Hobbys und meine Arbeit erzählt. Und natürlich haben wir auch über den Krieg, Russland, die Ukraine und Putin gesprochen. Wir hatten eine tolle Zeit und haben natürlich seinem Papa in der Ukraine viele Fotos gesendet.

Radtour durch München
Radtour durch München
© privat

Wir haben auch über die Schule und die Uni gesprochen. Er studiert im dritten Monat in Kiew. Er hatte keinen virtuellen Unterricht, es seien „Kriegsferien“, sagte er. Wir haben besprochen, dass er auch hier studieren kann. Er fand das klasse und ich habe mich noch am gleichen Abend an die ReDI School of Digital Integration gewandt. Die Reaktion vom Jugendkoordinator kam sofort. Mega! Mein Freund hat ein erstes Gespräch mit der Digital-Schule bekommen. Das Jugendprogramm hat gerade gestartet. Der Zeitpunkt war also perfekt!

Was zeigen uns solche Geschichte? Wenn wir unsere Herzen öffnen, dann erreichen wir die Menschen und wir schaffen eine Verbindung zu ihnen, die Liebe, Zuneigung, Verständnis, Offenheit und Mut weckt. Die Herzen verbinden sich und es kommt all das zurück, was wir auch geben.

Viele fragen sich: Soll ich Geflüchtete bei mir aufnehmen?  Meine Antwort darauf: Ja! Wenn folgendes gegeben ist: 

- Wenn Ihr in Eurer Wohnung oder Eurem Haus ein Zimmer für sie freimachen könnt.

- Wenn Ihr ihnen die Unterkunft mindestens für vier bis sechs Wochen zur Verfügung stellen könnt.

- Wenn Ihr Euch in dieser Zeit auch um sie kümmern könnt (Anmeldungen, Gespräche,  Besorgungen von kostenfreien Handykarten, Unterbringung der Kinder in Schule/Kindergarten, Organisation von Deutschkursen, Wohnungssuche und vieles mehr).

Philipp Depiereux, 44, kommt aus einer Unternehmerfamilie: sein Großvater hat den Sanitär- und Heizungstechnikkonzern Viega gegründet. Depiereux hat die Digital- und Innovationsberatung Etventure gegründet und elf Jahre lang bis zum Verkauf an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY geführt. Er ist Mitglied im Digitalbeirat des Gipsherstellers Knauff und bei einer Tochtergesellschaft des Kaffeerösters Tchibo. Unter dem Titel „Change Rider“ veranstaltet er Diskussionsrunden und Interviews, die als Video- und Podcastformat veröffentlicht werden.

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