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Wochenrückblick Ackermanns zweiter Abgang

Die Rolle des Buhmanns kennt Josef Ackermann. Dass er aber in Verbindung mit einem Selbstmord gebracht wird, war selbst ihm zu viel. Einmal mehr wird klar, ganz oben kann es sehr einsam sein.
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Der etwas in Vergessenheit geratene amerikanische Rockmusiker John Mellencamp baute einst in sein Lied „We are the people“ eine eher ungewöhnliche Passage ein. Er richtete eine Art Solidaritätserklärung an die Mächtigen dieser Welt: „Wenn Du zu den Erfolgreichen gehörst: Wir alle wissen, dass es einsam da oben ist. Wir verstehen, dass jeder sich durchkämpfen muss. Also sind unsere Gedanken auch bei Dir.“

In Zeiten, in denen Banker, Unternehmensbosse und führende Politiker in der Beliebtheitsskala ungefähr den Rang von Vogelspinnen einnehmen, haben diese Zeilen etwas Irritierendes. Es ist ja üblich geworden, den Chef – von was auch immer – für alles verantwortlich zu machen, öffentlich zu beschimpfen und für unfähig zu erklären.

In gewisser Hinsicht ist es Teil der Job-Beschreibung, einen solchen Shitstorm auszuhalten. Und doch stellt sich hin und wieder die Frage, wie weit sich Verantwortung eigentlich erstreckt, und was für Menschen es sind, die dann am Ende den Weg nach ganz oben schaffen, wenn von ihnen erwartet wird, dass sie sich jederzeit an einem öffentlichen Pranger befinden können.

Gesicht der Finanzkrise

Der ehemalige Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann ist lange einer der beliebtesten Watschenmänner Deutschlands gewesen. Er galt einem breiten Publikum als Gesicht der Finanzkrise, als Verbrecher im Maßanzug, als personifizierter Finanz-Hasardeur – und das obwohl andere diese Rolle mit sehr viel mehr Berechtigung ausgefüllt hätten. Nun ist Ackermann von seinem neuen Amt als Verwaltungsratspräsident der Zurich-Versicherung zurückgetreten – und dahinter verbirgt sich eine sehr traurige Geschichte.

Ein Finanzvorstand des Instituts hatte sich allem Anschein nach das Leben genommen, und Ackermann sah sich darauf hin offenbar gezwungen, seinen Posten aufzugeben: Er habe „Grund zu der Annahme“, dass die Familie des Verstorbenen meine, er müsse seinen Teil der Verantwortung tragen, so Ackermann. Und die Schweizer Boulevardzeitungen begannen schon, sich auf den Chef einzuschießen. Es muss ein ungeheurer Druck in einem Unternehmen und an seiner Spitze herrschen, wenn es zu so einer Reaktion kommt. Ackermann war augenscheinlich nicht mehr bereit, diesen Druck zu ertragen.

Wer folgt Ballmer?

Weniger tragisch und doch auch brutal wirkt der angekündigte Abgang von Microsoft-Chef Steve Ballmer. Der 57-Jährige verwaltet ja im Grunde die Stagnation eines Großkonzerns, dessen Geschäftsmodell sich überlebt hat – und der ähnlich wie die Deutsche Bank oft als Gottseibeiuns gehandelt wird. Man kann sich vorstellen, dass diese Aufgabe nicht zu den schönsten auf dieser Erde gehört. Die Öffentlichkeit, die Börsen und die Zeitungskommentatoren reagierten mit Freude auf den geplanten Ausstieg, auch das möchte man eigentlich niemandem zumuten. Nun sucht eine Findungskommission nach einem Nachfolger, und es sieht so aus, dass diese Suche zu keiner leichten Aufgabe wird.

Wolfgang Büchner, der künftige Chefredakteur des „Spiegel“, ist es gelungen, es sich schon vor seinem Amtsantritt mit so ziemlich allen Kollegen zu verscherzen. Er verkündete die Installation des „Bild“-Manns Nikolaus Blome in der Chefredaktion, was offenbar auch als Kampfansage an die im Verlag sehr mächtige Mitarbeiter KG gedacht war. Aber warum muss ein Journalist eigentlich unternehmerische Machtkämpfe bestreiten, noch dazu, bevor er überhaupt angefangen hat, und wie soll auf dieser Grundlage gute Arbeit gemacht werden? Ist nicht auch hier zu viel Verantwortung auf einen Menschen konzentriert?

Vielleicht entspricht das Prinzip der Ein-Mann-Führung nicht mehr einer Gesellschaft, in der konsequent vernetzt, andauernd empfangen und gesendet und vor allem immer jemand für schuldig erklärt wird.

John Mellencamp hatte eine Antwort: „Wir wissen, dass nur die Starken überleben. Aber die Demütigen und Sanften werden erben.“

Foto: © Getty Images

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