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Immobilien Renaissance der grauen Riesen

Eine Wohnung in einem modernen Hochhaus können sich bislang nur Vermögende leisten. Aber das kann sich ändern. Von Susanne Osadnik
Marco-Polo-Tower in der Hamburger Hafencity
Marco-Polo-Tower in der Hamburger Hafencity
© dpa
Susanne Osadnik ist freie Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt an dieser Stelle über Immobilienthemen
Susanne Osadnik ist freie Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt an dieser Stelle über Immobilienthemen

Susanne Osadnik ist freie Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt an dieser Stelle über den Markt für Immobilien

So richtig schön findet sie niemand. Wer an Hochhäuser denkt, hat sofort die gruselig tristen Betonbauten vor Augen, die schon von weitem rechts oder links der Autobahnen aus der Landschaft ragen, lange bevor man überhaupt die jeweilige Stadt erreicht. Nicht nur Großstädte wie München, Leipzig oder Köln verschandeln diese Relikte einst moderner Wohnungsbaukunst. Die grauen Riesen sind auch in jeder mittelgroßen Stadt quer durch die Republik zu finden. Die Hochhaussiedlungen der 60er- oder 70er-Jahre, häufig an den Stadtrand geklatscht, um mehr Wohnraum zu schaffen, gelten heutzutage als die Bausünden von gestern. Sie stehen für soziale Konflikte, Armut und Arbeitslosigkeit. Wer will da schon wohnen?

Umso erstaunlicher ist es, dass gerade diese Symbole des städtebaulichen Scheiterns eine Renaissance erfahren. Hochhäuser als neuer Hype der Privilegierten. Zurzeit werden bundesweit 72 so genannte Wohntürme aus dem Boden gestampft – und zwar nicht irgendwo am Stadtrand. Nein, mittendrin in den besten Lagen von Frankfurt, Köln, Berlin, München, Stuttgart oder Düsseldorf. Aber auch in Ingolstadt, Freiburg, Münster, Kassel und Ludwigsburg gibt es sie. Und zwar meist in Form von Nobelwohnungen. Was für ein Karrieresprung: von der Massenware zum Luxusobjekt, innerhalb weniger Jahrzehnte.

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Wurden die Hochhaussiedlungen von einst – etwa in Köln Chorweiler oder in der Berliner Gropiusstadt – für die breite Mittelschicht gebaut, setzt man heutzutage auf Besser- und Bestverdiener. Die bekommen großzügig geschnittene Wohnungen mit Bulthaup-Küchen und Marmorbädern. Nicht zu vergessen die überdimensionalen Fensterfronten für den laut Verkaufsbroschüren „einmaligen Blick über die Stadt“, der vor allem die üppigen Preise in den obersten Etagen rechtfertigen soll. In den unteren Etagen, wo man nur auf die gegenüberliegende Häuserfront guckt, gibt es schon mal eine Wohnung für 5000 Euro pro Quadratmeter zu kaufen, weiter oben wird es teurer. Die Preise reichen bis zu 14.000 Euro pro Quadratmeter und sind nur einen kleinen Gruppe von Interessenten vorbehalten, die sich das problemlos leisten können. „Aktuellen Schätzungen zufolge zahlen rund 70 Prozent der Käufer den Kaufpreis direkt von ihrem Girokonto“, sagte kürzlich der Immobilien-Analyst Thomas Beyerle.

Die Frage ist nur: Wie viele dieser Käufer gibt es? In den kommenden drei Jahren werden noch Tausende solcher „Turm“-Wohnungen in der laut Maklersprech „High-End-Klasse“ gebaut werden. Und gleichzeitig auf den Markt kommen. Schon jetzt haben aufmerksame Marktbeobachter Zweifel, dass die teuren Luxusobjekte alle einen Käufer finden werden, denn die Zielgruppe ist klein. Vielleicht zu klein. Zwar streben viele Menschen in die zentralen Lagen der Städte; können sich aber das Wohnen in einem „Solitär“ nicht leisten. In manchen Gebäuden klappt es mit dem Abverkauf der Wohnungen ohnehin schon nicht mehr ganz so reibungslos. Was, wenn erst mal ein paar Apartments leer stehen? Haben wir dann eine Hochhaus-Problematik 4.0?

Daran dürfte niemand Interesse haben. Leerstand mitten in der Stadt, wo händeringend Wohnraum benötigt wird, würde sicherlich irgendwann zu Konflikten mit den Bürgern führen. Immobilienexperten gehen davon aus, dass die Anbieter irgendwann die Preise senken müssen. Klappt es dann immer noch nicht, wird man andere potenzielle Käufer suchen und eventuell nochmals „preislich“ anpassen müssen. Vielleicht erobert das „Normalverdienervolk“ ja den ein oder anderen Turm – und verhindert so die Wiederholung fehlgeleiteter Wohnungsbaupolitik. Wenn auch mit anderen Vorzeichen.

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