Das Angebot klingt verlockend: Privatanleger kaufen ein einzelnes Apartment in einem Seniorenheim und müssen sich dann die nächsten 25 Jahre um nichts mehr kümmern. Der Betreiber des Pflegeheims übernimmt Vermietung sowie Instandhaltung des Apartments und zahlt regelmäßig Miete an den Eigentümer. Die langfristigen Mietverträge versprechen eine jährliche Rendite zwischen vier und sechs Prozent. Gern werben Betreiber auch mit dem bevorzugten Belegungsrecht: Wer heute ein Zimmer im Seniorenheim kauft, kann später im Alter selbst darin wohnen – unkompliziert und ohne lange Wartezeit.
Entsprechende Angebote finden sich auf Immobilien-Portalen wie Immobilienscout24 zuhauf. Oft liegen die Preise für Pflege-Apartments deutlich unterm Durchschnittspreis für die jeweilige Region. Ein 33 Quadratmeter großes Apartment in einem Seniorenheim bei Bayreuth kostet beispielsweise 123.335 Euro. In Bonn zahlen Privatanleger für 41 Quadratmeter rund 170.000. Selbst in München, der Stadt mit den höchsten Quadratmeterpreisen Deutschlands, kosten 50 Quadratmeter im Seniorenheim gerade einmal 243.000 Euro. Das sind gut 4800 Euro je Quadratmeter. Zum Vergleich: Einer Untersuchung des Online-Portals Immowelt zufolge zahlen die Münchner für den Quadratmeter im Schnitt rund 6540 Euro.
Belegungsrecht ist ein Marketing-Gag
Sind die Versprechen der Betreiber realistisch? Oder gibt es mehr Risiken, als die Anbieter einen glauben machen? Zumindest das vorrangige Belegungsrecht halten Experten für einen Marketing-Gag. „Bei Pflegeimmobilien gibt es keine Kündigung wegen Eigenbedarf. Ob man im Alter einziehen kann oder nicht, hängt in der Regel davon ab, ob gerade ein Platz frei ist“, sagt Hans Kersel, Partner der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Er kennt den Markt seit 20 Jahren und rät Privatinvestoren dringend davon ab, einzelne Apartments in Pflegeheimen zu kaufen. „Kurzfristig mag ein solches Investment Spaß machen, aber die langfristigen Risiken sind nicht zu unterschätzen“, sagt er.
Anders als beim klassischen Wohnungskauf bewegen sich Anleger bei Pflegeimmobilien in einem stark regulierten Markt. Die Politik setzt ständig neue Regeln. „Nordrhein-Westfalen zum Beispiel legte im Jahr 2014 fest, dass Heime maximal 80 stationäre Pflegeheimplätze anbieten dürfen“, erklärt Kersel. Viele Häuser mit mehr Zimmern mussten daraufhin Umsatzeinbußen hinnehmen.
Der größte Nachteil für den Investor ist allerdings der Kontrollverlust. Auf die Qualität der Pflegedienstleistungen, den Personalschlüssel das und Kostenmanagement hat der einzelne Anleger keinen Einfluss. All das ist Sache des Betreibers der Pflegeimmobilie – und entscheidet maßgeblich über den wirtschaftlichen Erfolg. „Ob ein Seniorenheim erfolgreich ist, steht und fällt mit dem unternehmerischen Geschick des Betreibers“, betont Kersel.
Der Bedarf für Pflegeimmobilien wächst
Grundsätzlich sind die Aussichten für Pflegeimmobilien derzeit hervorragend. Die Demografie spielt den Betreibern in die Hände. Die steigende Lebenserwartung lässt den Bedarf an Pflegeplätzen auf Jahrzehnte weiter steigen. Bis 2060 werden 4,8 Millionen Plätze in Pflegeeinrichtungen benötigt, prognostiziert das Statistische Bundesamt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einrichtungsbetreiber pleitegeht, ist entsprechend gering und dürfte weiter sinken. Bereits im Jahr 2015 lag die Ausfallwahrscheinlichkeit bei Pflegeheimen bei weniger als einem Prozent, zeigen Daten des Wirtschaftsforschungsinstituts RWI. Rund zwei Prozent galten als insolvenzgefährdet, schrieben also rote Zahlen.
Erwirtschaftet der Betreiber eines Pflegeheims keinen Gewinn, kann er irgendwann auch keine Miete mehr zahlen. Ist er pleite, muss ein neuer Pächter her – und alle Apartmentbesitzer müssen sich einigen. Dann kommt es nicht selten zu endlosen Diskussionen im Kreis der Käufer, ohne dass eine Entscheidung zustande kommt, weiß Kersel.
Scheitert ein Pflegeheim komplett, ist eine Nutzung der Wohnung nur mit erheblichem Aufwand möglich. „Pflegeimmobilien sind im Normalfall sehr speziell geschnitten, um den Ansprüchen der Bewohner gerecht zu werden“, sagt Dirk Richolt, Head of Real Estate Finance bei der Immobilienberatung CBRE. Eine Nachnutzung setzt meist umfangreiche Umbaumaßnahmen voraus. Zudem wird ein erheblicher Teil der Flächen in Pflegeheimen gemeinsam genutzt: Großküche, Aufenthaltsräume, die überbreiten Flure. Auch dafür müssen Apartmentbesitzer im Zweifelsfall eine gemeinsame Lösung finden.
Wer nachhaltig in den Pflegemarkt investieren will, sollte lieber eine Fondslösung wählen, rät EY-Experte Kersel. Die größte Sicherheit bieten Fonds, die in mehrere Pflegeheime investieren, die wiederum von unterschiedlichen Gesellschaften betrieben werden. Zwar müssen Anleger für das Fondsmanagement Gebühren zahlen. Da Fonds die Objekte jedoch in der Regel sehr viel günstiger einkaufen als Privatanleger, bleibt Investoren unter dem Strich dennoch die Aussicht auf eine höhere Rendite.