Berlin will die Mieten in der Hauptstadt deckeln: Für einen Zeitraum von fünf Jahren sollen die Mieten von Bestandswohnungen nicht erhöht werden dürfen. So sieht es das Eckpunktepapier für ein Berliner Mietengesetz der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen vor. Mit der Einführung des sogenannten Mietendeckels soll die Bezahlbarkeit von Wohnungen bis zur Entspannung auf dem Wohnungsmarkt gesichert werden. Wohnungsneubau, der noch nicht vermietet wurde, ist allerdings ausgenommen. Ein Gesetzentwurf soll im Oktober vorliegen.
Trotzdem sorgt das Vorhaben des Berliner Senats schon für viel Wirbel – immerhin würde der Senat massiv Einfluss auf die Marktentwicklung nehmen. Während der Berliner Mieterverband das Gesetzesvorhaben begrüßt , ruft die Eigentümerschutzgemeinschaft Haus und Grund Vermieter dazu auf, die Mieten zu erhöhen , bevor das Gesetz kommt. Doch welche Auswirkungen könnte der Mietendeckel tatsächlich für Vermieter und Mieter haben? Ist das Gesetzesvorhaben juristisch anfechtbar? Capital hat mit zwei Experten gesprochen: dem Verfassungsrechtler Christian Pestalozza , emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Freien Universität Berlin und dem Immobilien-Ökonom Michael Voigtländer .
Capital: Herr Pestalozza, der Berliner Senat beruft sich in seiner Gesetzgebungskompetenz zum Mietendeckel auf das öffentlich-rechtliche Mietpreisrecht. Was bedeutet das?
CHRISTIAN PESTALOZZA: Der Berliner Senat versucht dem Umstand zu entkommen, dass das Mietrecht eigentlich eine zivilrechtliche Angelegenheit ist, die der Bund erschöpfend geregelt hat. Insofern gibt es praktisch kaum Lücken, die noch von den Ländern gefüllt werden könnten. Wenn man allerdings wie der Berliner Senat sagt, man gestaltet Öffentliches Recht, das in Mietverhältnisse eingreift, dann gibt es möglicherweise keine Kollision, weil seit der Föderalismusreform 2006 das sogenannte Wohnungswesen bis auf kleinere Reste in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder fällt. Wir haben dazu allerdings noch keine klärende Rechtssprechung. Ob der Mietendeckel tatsächlich zum „Wohnungswesen“ gehört und ob für alle Punkte dieses Gesetzesvorhabens eine Zuständigkeit der Länder besteht, ist aktuell offen.
Wie und warum könnte der Mietendeckel rechtlich anfechtbar sein?
Wenn Sie zu den Instrumenten, die wir auf Bundesebene bereits haben – wie zum Beispiel der Mietpreisbremse – weitere Instrumente hinzufügen, dann liegt es auf der Hand, dass man sagt: Das verstößt gegen Bundesrecht. Denn auch wenn man nicht genau dasselbe regelt, sondern etwas Ergänzendes, kann das als Widerspruch gedeutet werden. Schließlich wollte der Bundesgesetzgeber genau diese bestimmte Sache und nichts anderes. Da gilt dann Bundesrecht bricht Landesrecht. Selbst wenn klar wäre, dass der Mietendeckel von der Gesetzgebungskompetenz der Länder gedeckt ist, dürften die Länder sich nicht in Widerspruch zum geltenden Bundesrecht setzen.
"Nur weil ich Eigentümer bin, kann ich nicht tun und lassen, was ich will"
In Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes steht „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Was ist damit gemeint?
Damit ist gemeint, dass solches Eigentum, das dazu geeignet ist, eine Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft hervorzurufen, sorgsam und nicht nur im eigenen Interesse gehandhabt und genutzt werden soll. Normalerweise ist es ja so, dass ich mit meinem Eigentum tun und lassen kann, was ich will, soweit es die Gesetze nicht verbieten. Ich kann auch versuchen, damit einen Gewinn zu erzielen. Die Verfassung hat sich jetzt gedacht, dass es aber eben auch Eigentum gibt, das eine soziale Komponente hat. Das betrifft insbesondere Eigentum an knappen Gütern. Und Grund und Boden ist knapp. Es ist also ganz klar, dass ich mit Grund und Boden so umgehen muss, dass ich auf die Allgemeinheit Rücksicht nehme. Für den normalen Privateigentümer, der ein Grundstück besitzt, ist das zunächst einmal der Nachbar. Ich kann auf meinem Grundstück, nur weil ich Eigentümer bin, nicht tun und lassen, was ich will. Es ist klar, dass ich auf den Nachbarn Rücksicht nehmen und mir bestimmte Einschränkungen gefallen lassen muss.
Welche Rolle spielt Artikel 14 Absatz 2 bei der Bewertung von Gesetzesvorhaben wie dem Mietendeckel?
Das ist ein wichtiger Aspekt. Denn beim Mietendeckel beispielsweise greift der Gesetzgeber, indem er sagt, ‚Du darfst mit deinem Eigentum nicht nach Belieben verfahren‘ ins Eigentum der Wohnungsbesitzer ein. Dieser Eingriff, hier in das Mieteigentum, muss gerechtfertigt werden. Denn der Gesetzgeber hat zwar die Möglichkeit, das Eigentum zu beschränken, diese Beschränkung muss aber verhältnismäßig sein. Er muss einen guten Grund haben, warum er das Eigentum beschränkt und er muss Maß halten. Der Gesetzgeber dürfte zum Beispiel nicht sagen, der Mieteigentümer darf nichts an seinem Eigentum verdienen. Indem er dem Eigentümer verböte, aus seinem Eigentum etwas zu erwirtschaften, nähme er ihm seinen Eigentumswert. Es gibt ja viele Besitzer, die auf ihr Eigentum angewiesen sind und von den Erträgen des Eigentums leben. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht gesagt: Der Gesetzgeber kann eingreifen, aber er kann nicht verlangen, dass der Vermieter völlig altruistisch mit dem Mietgegenstand umgeht. Das ist unverhältnismäßig. Das hat aber das Land Berlin mit dem Mietendeckel auch nicht vor.
Wie lautet ihre Prognose: Wird der Mietendeckel – wenn er denn kommt – vom Bundesverfassungsgericht wieder gekippt werden?
Das kann ich nicht mit Sicherheit voraussagen, weil wir auf diesem Gebiet keine Erfahrung, schon gar keine gefestigte Rechtsprechung haben. Ich sehe aber durchaus Chancen für das Gesetzesvorhaben, abhängig davon, wie der Inhalt im Einzelnen aussehen wird. Man muss sehen, wie weit der Mietendeckel dem bestehendem Bundesrecht in die Parade fahren wird, wo er es nicht dürfte oder ob er sich im Rahmen der Kompetenz des Landes bewegt. Das muss geprüft werden. Genauer wird man dies sagen können, wenn nicht nur „Eckpunkte“ vorliegen, sondern der detaillierte Gesetzestext.