Mit Kunst am Bau haben sich viele Unternehmen symbolische Denkmäler gesetzt. In Berlin ragen die beiden Allianz-Riesen neben den Treptowers aus der Spree. Zuletzt schmückte sich die renovierte Universitätsklinik Charité mit einer großflächigen, umstrittenen Uhr. Meist sind es staatliche oder städtische Auftraggeber, die ein paar Prozent ihres Budgets für Kunst reservieren. Immer sind es Werke von Dauer.
Immobilienprojekte wollen mit Kunst Kreativität ausstrahlen und Bewohner anziehen. In der EuropaCity entstehen Wohnungen für 4000 Menschen, wo vor Jahren nur einmal im Jahr das US-amerikanische Volksfest in den anarchischen Wildwuchs des ehemaligen Bahngeländes eindrang. Am Ufer des Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals ist der denkmalgeschützte Kornversuchsspeicher das letzte historische Gemäuer – noch in Sichtweite der Kunsthalle Hamburger Bahnhof.
Neben der heranwachsenden „Wasserstadt Mitte“ der Adler Real Estate AG bespielen ein rundes Dutzend Künstler auf einer Etage die rauen Wände des sechsstöckigen Backsteinbaus: von Wegbereitern der Kunstgeschichte wie dem Maler Hans Peter Adamski zu jungen Talenten wie der Videokünstlerin Daniela Imhoff. Viele Besucher, die sich dieser Tage vom Gallery Weekend in das Areal verirrten, hinterfragen die Zwischennutzung: Lässt sich die Seele dieses Baus nicht doch dauerhaft für die Kunst retten?
Ein temporäres Museum im Kuntversuchspeicher Berlin

In ihrem Art-Lab ermöglichen die Entwickler Kauri Cab und Adler Real Estate einen temporären Kunstraum für Ausstellungen und Kultur-Events, der auch namhafte Besucher des „New York Times International Art Leaders Summit“ anzog, bei dem der chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei ein Grußwort sprach. Die Kuratorinnen Michele Adamski und Isabel Bernheimer haben in Berlin Werke zusammengetragen, die Widrigkeiten der Witterung in einem denkmalgeschützten Speicher aushalten können. Darunter der Leuchtteppich Respect des Konzeptkünstlers Jan Kuck, benannt nach einem Song von Aretha Franklin.

Fiona Bennett setzt normalerweise mit Hüten einzigartige Statements. Auf Ausstellungen im In- und Ausland, in Theater- und Filmproduktionen wie der Serie „Babylon Berlin“, sind ihre Kreationen zu sehen. Der Kunstraum im Kornspeicher inspierierte sie zu dem Werk „Nosedive 2“ (r.o.). Mit der Entstehung der Eurocity habe sie vor Augen gehabt, wie ein Vogel in einen Spiegel fliegt, weil er seine Freiheit verliert, erzählt Kuratorin Adamski. Mit den Assistentinnen ihrer Hutmacherei färbte sie 1000 Federn per Hand, drei Spiegel mussten zerbrochen werden, um den richtigen Bruch darzustellen, wenn ein Vogel aufprallt. Nun hängen 75 Kilo an der rauhen Wand. Daneben drei Werke „Farben Foltern“ des Malers Hans Peter Adamski aus der Serie Tafelbilder und in der Mitte die „Fire Spool“ 2014 von Federica Marangoni, die ihre Karriere 1980 im MOMA in New York begann und in Italien als Mitbegründerin der Neonkunst gilt.

Die künstlerische und politische Leitfrage der Künstlerin und Aktivistin Mia Florentine Weiß lautet: „What is your Place of Protection?“. Ihr Werk zeigt das Bild einer zarten Frau hinter den Gittern eines Knastbettes: Die gebürtige Würzburgerin lief durch Städte wie Los Angeles und San Francisko, auf den Rücken flauschige Engelsflügel als Symbol des Friedens gespannt. Die Flüchtlingsströme seit 2015 inspirierten sie zu der Aktion Pegasus, für die sie sich mit einer überdimensionierten Vogelskulptur auf Flüchtlingsboote in der Ägäis und auf die Balkanroute begab. Ihre doppeldeutige Lichtinstallation Hate/Love der Performance-, Konzept-, Multimedia-, und Objektkünstlerin waren unter anderem bei den Skulpturprojekten Münster sowie in München und am Brandenburger Tor zu sehen.

Als Radikaler in 70er Jahren international für seine Konzeptarbeit bekannt, wandte sich der Mitbegründer der internationalen Künstlergruppe Mühleimer Freiheit später selbst gegen die Konzeptkuns der 1980er Jahre und plädierte wieder für Kunst, die Malerei und Frische bringt. Freunde nennen den in Berlin lebenden Maler Hans Peter Adamski einen inneren Literaten, der – von wild zu mild – inzwischen poetische Serien malt, oder limitierte Editionen humorvoller Emaille-Schilder herausgibt. „HP Adamski“ ist in wichtigen Sammlungen vertreten und war von 1996-2013 Professor der Malerei und Dekan an der Kunsthochschule Dresden.

Das sechsgeschossige Lagerhaus befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen Hamburger-Lehrter Güterbahnhofs. Noch einige Wochen soll der Kunstraum temporäres Museum für Künstler sein, die sich nicht exklusiv an Gallerien binden. Der Bauherr beabsichtigt derzeit eine öffentliche Nutzung des Erdgeschosses als Galerie, Café oder Bar. Darüber sollen in den Kornkammern bis zur 6. Etage nach bisherigen Überlegungen Büros und gegebenenfalls Wohungen entstehen. Für die Sanierung des Speichergebäudes sehen die Archtitekten AFF Balkone an den Fassaden und eine großflächige Verglasung vor. Für eine dauerhafte Nutzung als Kunstraum, so heißt es, wäre auch ein permanenter Mäzen erforderlich.