2022 wurde in Deutschland weniger Vermögen steuerpflichtig vererbt und verschenkt. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) betrug das veranlagte Volumen aus Erbschaften und Schenkungen 101,4 Mrd. Euro – ein Minus von 14 Prozent gegenüber 2021. Doch woran liegt das und welche Rückschlüsse lassen sich aus den Zahlen tatsächlich ziehen?
Das Destatis begründet den Rückgang vor allem mit den geringeren Schenkungen. Das auf diese Weise übertragene Vermögen sank im Vergleich zum Vorjahr um 23,6 Prozent auf 41,7 Mrd. Euro. Ausschlaggebend hierfür war, dass weniger Unternehmerinnen und Unternehmer ihr Betriebsvermögen verschenkt haben, zum Beispiel an ihre Kinder. Deshalb halbierte sich dieser Posten in der Steuerstatistik 2022 (minus 53,7 Prozent), nachdem sich das verschenkte Betriebsvermögen 2021 mehr als verdoppelt hatte. Durch Erbschaften wurde 2022 ein Vermögen von 59,7 Mrd. Euro übertragen. Das ist nach vier Jahren des Anstiegs ein Minus von 5,8 Prozent.
Vermögensvolumen sinkt, festgesetzte Steuer steigt
Während das Volumen sank und damit die Summe aller Schenkungen und Erbschaften, ist die festgesetzte Erbschaft- und Schenkungsteuer dennoch gestiegen: Die Finanzverwaltungen setzten sie für 2022 auf 11,4 Mrd. Euro fest, ein Plus von 2,6 Prozent gegenüber 2021. Sie erhöhte sich damit zum fünften Mal in Folge. Der Großteil dieses Betrags entfällt mit 8,1 Mrd. Euro auf die Erbschaftsteuer (minus 9,9 Prozent). Die festgesetzte Schenkungsteuer betrug 3,3 Mrd. Euro. Dies entspricht einem Anstieg von 56,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Bei den Zahlen handelt es sich nicht um die endgültigen Steuereinnahmen für den Staat, sondern lediglich um die von den Finanzämtern festgesetzte zu zahlende Steuer. Die Summe kann sich noch ändern, zum Beispiel wenn Steuerpflichtigen Begünstigungen gewährt werden. Diese Steuerbefreiungen regelt der Paragraf 13a im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG).
Fazit: Schwankungen sind normal
Dass das steuerlich relevante vererbte und verschenkte Vermögen 2022 gesunken ist, hat zunächst keine besonderen Gründe und ist nicht ungewöhnlich. Schwankungen in der Statistik sind normal. Gesetzliche Änderungen, die zu einem veränderten Übertragungsverahlten bei Steuerpflichtigen hätten führen können, gab es keine. Der Rückgang des Volumens 2022 ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Niveau 2021 sehr hoch war. Damals hatten die Finanzverwaltungen in Deutschland Vermögensübertragungen durch Erbschaften und Schenkungen in Höhe von 118 Mrd. Euro veranlagt – ein absoluter Spitzenwert (plus 39,7 Prozent). Mit dem Einbruch 2022 um 14 Prozent normalisiert sich dieser Wert schlicht wieder.
Gegenläufig dazu steigt die festgesetzte Steuer. Auch das ist nicht außergewöhnlich. Denn wenn weniger Betriebsvermögen übertragen wird, fallen wichtige Steuerbegünstigungen nach Paragraf 13a ErbStG für Firmen und Einzelpersonen weg, mit der diese normalerweise ihre Steuerlast erheblich drücken. Ohne diese Privilegien ist die festgesetzte zu zahlende Steuer folglich höher. Bei der Erbschaftsteuer wurden 2022 Steuerbegünstigungen in Höhe von 3,9 Mrd. (minus 24,6 Prozent) gewährt, bei der Schenkungsteuer 14,2 Mrd. Euro (minus 55 Prozent). „Die Steuerbegünstigungen nach § 13a ErbStG und die persönlichen Freibeträge stellen die wertmäßig größten Abzugspositionen bei der Berechnung der Erbschaft- und Schenkungsteuer dar“, schreibt Destatis.
Dass 2022 insgesamt weniger und seltener vererbt und verschenkt wurde, aber die festgesetzte Steuer stieg, lässt sich allerdings auch noch so deuten: Es kann sein, dass unter den Steuerfällen ein paar größere waren, bei denen besonders viel Vermögen übertragen wurde. Wichtig zu wissen ist, dass Destatis in seiner Statistik überhaupt nur diejenigen Erbschaften und Schenkungen berücksichtigt, die steuerpflichtig sind und damit über den Freibeträgen liegen. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland reißt diese Grenzen nicht und muss keine Steuern aufs Erben und Schenken zahlen.