Wenn bei Banken das Geld verfällt, es bei Mietern hingegen immer knapper wird, für Vermieter deshalb die Mietrendite sinkt und Energieversorger wegen der Effizienzsteigerung bei regenerativen Energiequellen ihre Produkte immer billiger verkaufen müssen, dann ist es Zeit, umzudenken. Gepaart mit der Tatsache, dass der Solarstrom kurz davorsteht, die billigste Energiequelle zu werden, machen die Entwicklungen am Energie-, Investment- und Immobilienmarkt eines unmissverständlich klar: Investoren, Wohnungsbaugesellschaften, Banken und Energieversorger müssen sich auf disruptive Veränderungen einstellen, wenn sie weiter erfolgreich im Geschäft bleiben wollen. Denn die heutigen Aktiva werden zu künftigen Passiva. Was jetzt im guten Glauben einer gewinnbringenden Investition oder soliden Altersabsicherung herkömmlich gebaut und/oder vermietet wird, entpuppt sich mittelfristig als gestrandetes Anlagevermögen.
Der Klimaschutz verändert Perspektiven: Jede Immobilie, die weiter CO2 ausstößt, wird unwirtschaftlich und auch als Verkaufsobjekt unattraktiv. Die Tatsache, dass ein Großteil der neu eingeführten CO2-Steuer beim Vermieter verbleibt, senkt dessen Mietrendite. Und jeder Eigentümer eines modernen Hauses, ob Mehrfamilien- oder Einzelhaus, wird feststellen, dass die verbaute Technik wie Wärmepumpe, Fußbodenheizung, Pumpen, Steuerungen, Lüftungsanlagen und Smart Home-Funktionen künftig die Ausgaben in die Höhe treibt. Denn sie ist anfällig und voller Sollbruchstellen. Vieles davon ist nach zehn Jahren reif zum Austausch. Wärmepumpen oder Heizkessel halten heute nur noch maximal 15 Jahre, manches mag vielleicht ein paar Jahre mehr überdauern.
Empfindliche Technik wird zur Kostenfalle
Sicher ist: Für den Eigentümer verbergen sich hier immense Kosten für Wartung und Reparatur, die für Mieter nach Kaltmiete und Betriebskosten faktisch eine dritte Miete bedeuten. Denn neben fälligen Austauschgeräten und Ersatzteilen schlägt auch der anhaltende Handwerkermangel mit hohen Personalkosten zu Buche. Wie anfällig indes zentrale Fernwärmesysteme sind, hat uns der Winter mit Ausfällen in mehreren deutschen Städten vor Augen geführt. Warum setzen wir weiter auf aufwändige und empfindliche Technik, die zur Kostenfalle wird? Weil die Gesetzgebung mit KfW-Fördermitteln lockt. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sieht für den Wohnungsbau diese Technik und intensive Dämmung vor, um die Betriebskosten der Gebäude zu senken. Als Folge bauen Investoren Häuser mit maximalem Fördermittelanspruch – und haben oft nicht im Blick, dass die damit einhergehenden Wartungs- und Reparaturkosten langfristig die eingesparten Energiekosten überschreiten.
Diese Entwicklung wird in einer Disruption münden: der Enttechnisierung von Gebäuden. Mit weniger und langlebiger Technik, die weitgehend wartungsfrei ist, generiert der Wohnungsbau eine Zukunftsfähigkeit, die unabhängig von Zuzahlungen und Zugeständnissen ist. Architekt und Diplom-Ingenieur Klaus Hennecke, der als Teil des Autarkie-Teams die Umsetzung vernetzter energieautarker Low-Tech-Gebäude in Deutschland und Nachbarländern vorantreibt, sieht in der Enttechnisierung eine notwendige Rückkehr zu den Wurzeln der Gebäudeplanung. „Der Klimaschutz trifft den Städtebau und erfordert solarertrageffiziente Architektur. Es gilt, die Gebäudetechnik zu minimieren und Gebäudekonstruktionen hinsichtlich ihrer Langlebigkeit zu optimieren“, sagt Hennecke. „Das bedeutet unter anderem, massive Wände einzusetzen, die im Winter Wärme im Inneren speichern und im Sommer vor Wärme von außen schützen.“
Energieautarkie und Enttechnisierung sichern unabhängige Versorgung
Vor dem Hintergrund, dass uns der Zukunftsforscher, US-Ökonom, Soziologe und ehemalige Banker Jeremy Rifkin den Kollaps unseres Systems noch in diesem Jahrzehnt prophezeit, wenn wir weiter auf fossile Brennstoffe setzen, gibt es für das Dilemma der Gebäudeenergie nur eine Lösung: vernetzte Energieautarkie. Beim Bau energieautarker Häuser, die sich weitestgehend selbst mit Wärme und Strom dank Solarenergie versorgen und zudem eine hauseigene Tankstelle fürs Elektroauto betreiben, ergeben sich nicht nur zukunftsfähige Geschäftsmodelle, sondern neue gewinnbringende Allianzen und Vorteile für alle Beteiligten. Wie? Der Energieversorger wird zum Partner. Er baut selbst Solarstromanlage und Akku ins Gebäude ein und schnürt dem Investor, respektive dem Vermieter, 15 Jahre lang zum jährlich gleichen Preis ein Flatrate-Energiepaket, das Wärme, Strom und optional auch E-Mobilität für die Mieter enthält.
Mit kleinem Aufpreis reicht der Vermieter dieses Paket an seine Mieter weiter und muss sich in Sachen Energieversorgung künftig um nichts mehr kümmern. Gleichzeitig sichert sich der Energieversorger durch die Pauschalmiete 15 Jahre lang Kunden. Die vernetzte Energieautarkie bietet ihm zudem weiteres Geschäft: Mit dem überschüssigen Strom, den das Gebäude erwirtschaftet, kann er E-Autos und Ladesäulen vor dem Haus betreiben, vorhandene Energiespeicher des Gebäudes zur Einlagerung von Überschüssen nutzen und als Anbieter auch noch Nachbargebäude versorgen. Auf diese Weise kann das Netz stabiler betrieben, gleichzeitig der Anteil erneuerbarer Energien ausgebaut werden – und der Energieversorger verdient mit diesen Dienstleistungen in Summe mehr, als sein herkömmliches Geschäftsmodell, das Verkaufen von Kilowattstunden, es tun könnte. Vom Zugewinn der Kundenbindung und eines umweltfreundlichen Images ganz abgesehen. Prognostiker und Leiter des Zukunftsinstituts Matthias Horx sieht in dem Konzept die Lösung fürs Smarte Wohnen und bringt die Vorteile auf den Punkt: „Erneuerbare Energie als eingebaute Intelligenz plus schlaue Autarkie statt digitaler Abhängigkeit bedeutet eine Flatrate für die Zukunft!“
Mehreinnahmen für Vermieter
Vermieter können dank der unabhängigen Energieversorgung Pauschalmieten garantieren, mit einer attraktiven Flatrate für Wärme, Strom und E-Mobilität. Weil diese Häuser dank eines ausgefeilten Konzepts mit extrem wenig Gebäudetechnik auskommen, droht niemandem eine versteckte „dritte Miete“ in Form von Instandhaltungskosten. Im Gegenteil: Die Betriebskosten als zweite Miete sinken sogar. Dabei ermöglichen die emissions- und wartungsfreien Gebäude Vermietern sogar Mehreinnahmen. Denn durch die Pauschalmiete kommen zur Kaltmiete noch Abschläge für Betriebskosten, Stromversorgung und E-Mobilität hinzu, die über einen Zeitraum von zehn Jahren z.B. bei einem neuen Mehrfamilienhaus mit rund 700 Quadratmetern vermietbarer Fläche mehr als 200.000 Euro Mehreinnahmen ausmachen – und gleichzeitig den drohenden Kaufkraftverlust von Mietern ausgleichen.
Last, but not least: Banken finden auf der Suche nach vollökologischen und gewinnbringenden Anlagen im Bau energieautarker Häuser nicht nur tragfähige, sondern auch prestigeträchtige Investitionsmöglichkeiten. Denn als Vermieter bietet sich ihnen dauerhaft nicht nur eine sehr gute Rendite durch Mieteinnahmen, sondern ihre Kunden finden hier auch eine nachhaltige, CO2-freie Anlage mit zuverlässigen Perspektiven. Die Vereins- und Raiffeisenbank Altenburger Land hat bereits als Bauherr investiert. Vorstand Raik Romisch sagt: „Energieautarke Wohnkonzepte sind nachhaltig und zukunftsweisend. Wir haben ein solches innovatives Projekt mit dem Autarkie-Team erfolgreich umgesetzt.“ Markt und Menschen können von Energieautarkie und Enttechnisierung bei Gebäuden profitieren – wenn wir uns erlauben, disruptiv zu denken und innovativ zu handeln. Denn im Grunde genommen, so fasst es Jürgen Kannemann vom Autarkie-Team zusammen, „möchten wir Menschen doch einfach nur wohnen, wo es kuschelig warm ist, die Mieten stabil bleiben und wir mit der Umwelt eins sind.“
Als Ingenieur und Handwerker hat Prof. Dipl.-Ing.Timo Leukefeldselbst viel Technik im Hausbau geplant und eingebaut. Mit der Entwicklung energieautarker Gebäude und neuen Geschäftsmodellen zur Nutzung dieser Gebäude leistete der Freiberger bereits Pionierarbeit auf dem Sektor der Wohnungswirtschaft. Derzeit forscht er am „enttechnisierten“ Haus. www.timoleukefeld.de