Anzeige

Verbraucherdarlehen Bundesfinanzhof urteilt zu Kreditwiderruf: Das Finanzamt geht leer aus

Neue moderne Wohnhäuser in Gäufelden, Baden-Württemberg
Bankkunden, die ihren Immobilienkredit widerrufen haben, müssen keine Steuern auf Entschädigungszahlungen leisten
© Sven Simon / IMAGO
Immobilienkredite sind oft fehlerhaft. Mit dem sogenannten Widerrufsjoker konnten Kreditnehmer alte Verträge Jahre später rückabwickeln. Jetzt steht fest: Von einem Widerrufsgewinn bekommt das Finanzamt nichts ab

Rückzieher möglich: Bankkundinnen und -kunden steht bei Abschluss von Immobilienkrediten ein Widerrufsrecht zu. Die Darlehensgeber – Banken und Sparkassen – müssen bei Vertragsschluss über dieses Widerrufsrecht belehren und eindeutig klarmachen, wann der dafür vorgesehene Zeitraum beginnt. In der Vergangenheit haben sie dabei oft Fehler gemacht, sodass die gesetzliche Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht startete und folglich auch nicht ablief. Heißt: Die Darlehensnehmer konnten ihr Widerrufsrecht noch Jahre später nutzen und sich so aus alten Verträgen lösen. Dieser sogenannte Widerrufsjoker war eine willkommene Gelegenheit für alle, die zu ungünstigen Konditionen und hohen Zinssätzen Kredite für Haus oder Wohnung aufgenommen hatten und etwa in der Niedrigzinsphase zu Immobilienkrediten mit günstigeren Konditionen wechseln wollten.

Lenkte die Bank ein, brachte ein solcher Kreditwiderruf einen weiteren Vorteil mit sich: Er brachte Betroffenen oft viele Tausend Euro ein. Denn bei einer Rückabwicklung müssen Banken und Sparkassen in der Regel einen Nutzungsersatz zahlen: Für die Zinszahlungen und Tilgungsraten, mit denen sie bis zum Widerruf wirtschaften können. Doch müssen Kreditnehmer, die den Widerrufsjoker erfolgreich gezogen haben, auf die erhaltenen Entschädigungen Steuern zahlen? 

Keine Steuerpflicht für Widerrufsgewinn

Diese Frage führte zu Streit vor den Finanzgerichten. Sie bewerteten die Sache unterschiedlich. Nun hat der Bundesfinanzhof eine Grundsatzentscheidung gefällt und im Sinne der Bankkunden entschieden: Das Finanzamt bekommt von einem Widerrufsgewinn nichts ab. Der Nutzungsersatz, den Darlehensnehmer von ihrer Bank infolge der Rückabwicklung ihres Vertrags erhalten, ist kein steuerpflichtiger Kapitalertrag (Az. VIII R 7/21). Auf die Finanzämter kommt nun viel Arbeit zu. Sie müssen etlichen Rückabwicklern die zu Unrecht kassierten Kapitalertragsteuern erstatten.

Geklagt hatte ein Ehepaar, das sich mit einem Darlehen den Kauf einer Wohnimmobilie finanzieren wollte. Dazu nahmen sie 2008 bei ihrer Bank einen Kredit über 208.000 Euro auf und vereinbarten eine Zinslaufzeit von 20 Jahren. Im Jahr 2016 widerrief das Paar den Darlehensvertrag, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft gewesen sei, und zahlte die noch offene Restsumme zurück. Für die bis zum Widerruf geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen verlangten sie von der Bank einen Nutzungsersatz in Höhe von fast 24.000 Euro. Bei einem zivilgerichtlichen Vergleich einigten sich die Parteien auf 14.500 Euro Entschädigung.

Die Bank zahlte, behielt aber Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ein. So erhielten die Eheleute nur rund 10.500 Euro. Als das Paar versuchte, die Steuern über ihre Steuererklärung zurückzuholen, scheiterte es am Finanzamt. Dies wertete den Nutzungsersatz als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Der Bundesfinanzhof sah das anders und stellte für alle, die den Widerrufsjoker gezogen: Nutzungsentgelt, das im Rahmen der Rückabwicklung eines widerrufenen Verbraucherdarlehensvertrags gezahlt wird, löst keine Einkommensteuer aus. 

Widerrufsrecht beschäftigt häufig die Gerichte

Das Widerrufsrecht hat sich seit seiner Einführung stetig weiterentwickelt. Für bis zum 10. Juni 2010 abgeschlossene Immobilienkreditverträge ist das ewige Widerrufsrecht mittlerweile erloschen. Der Gesetzgeber hatte das Recht, bei unzureichender Verbraucherinformation widerrufen zu können, für solche Altverträge im Nachhinein befristet. 

Bei jüngeren Darlehensverträgen urteilten die Gerichte unterschiedlich, wann Bankkunden sich aufgrund fehlerhafter Widerrufsinformationen von Verträgen zurückziehen können. Aktueller Stand: Viele der zwischen dem 11. Juni 2010 und 20. März 2016 geschlossenen Verträge sind sogar heute noch widerruflich, solange sie noch nicht vollständig getilgt und abgewickelt sind. Denn in dieser Zeit orientierten sich Banken oft an einem gesetzlichen Widerrufsmuster, das der Europäische Gerichtshofs (EuGH) für undurchsichtig hält (Az. C-66/19). Der Bundesgerichtshof (BGH) hält dagegen (Az. XI ZR 581/18) und sagt, das EuGH-Urteil sei auf Immobilienkreditverträge nicht anwendbar.

Gesetzesänderungen und Gerichtsurteile ändern allerdings nichts daran, dass auch seitdem abgeschlossene Verträge häufig Fehler enthalten. Das Widerrufsrecht wurde aber für Immobilienverträge, die ab dem 21. März 2016 geschlossen wurden, eindeutiger geregelt: Diese lassen sich – unbeachtlich aller möglicherweise enthaltenen Fehler – nur noch ein Jahr und 14 Tage widerrufen.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel