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Immobilienmarkt Angst vor Zwangsversteigerungen: Droht ein Abwärtsstrudel?

Laut Daten von Europace haben sich Preise in den vergangenen Monaten wieder etwas stabilisiert
Laut Daten von Europace haben sich die Immobilienpreise in den vergangenen Monaten wieder etwas stabilisiert
© picture alliance / Wolfram Steinberg | Wolfram Steinberg
Nach einem jahrelangen ungebremsten Anstieg sind die Immobilienpreise 2022 in Deutschland erstmals wieder gesunken. Aktuelle Daten zeichnen noch kein klares Bild, wie es weitergeht. Ein mögliches Szenario ist allerdings besonders unangenehm

Trotz aller Krisenerscheinungen gilt der Immobilienmarkt in Deutschland als stabil - noch. Während viele Experten überzeugt sind, dass angesichts hunderttausender fehlender Wohnungen die Nachfrage langfristig das Angebot an Wohnraum übersteigen und damit die Preise hochhalten dürfte, warnt nun der Chef der Creditreform-Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch, mittelfristig vor einer Zunahme von Zwangsversteigerungen. Das könnte einschneidende Folgen für den gesamten Immobilienmarkt und die damit zusammenhängenden Branchen haben.

"Die deutlich höhere Zinslast für Anschlusskredite wird insbesondere die Verbraucher treffen, die beim Kreditabschluss in einer Niedrigzinsphase knapp kalkuliert haben. Und das sind nicht wenige", sagte Hantzsch, dem "Handelsblatt". Eine "akute Zunahme" bei Zwangsversteigerungen sei derzeit zwar nicht erkennbar. "Mittelfristig dürfte sich das ändern, auch mit Blick auf die politisch gewollten energetischen Sanierungen", sagte Hantzsch. "Jeder wird sich genau überlegen müssen, wie viel finanzielle Belastung er für das Eigenheim ertragen kann oder möchte."

Hantzsch sieht den Immobiliensektor besonders von den vielen Auswirkungen der parallel verlaufenden Krisen betroffen. "Denken Sie an die Wohnungsknappheit in Großstädten, an dauerhaft steigende Zinsen, an Materialknappheit, an fehlende Arbeitskräfte im Bausektor, an die Klimaziele und vieles mehr", sagte er.

Hohe Mehrkosten durch Zinsanstieg

Die Preise für Wohnimmobilien waren 2022 zum ersten Mal seit zehn Jahren deutlich zurückgegangen. Das Statistische Bundesamt machte die "gesunkene Nachfrage infolge gestiegener Finanzierungskosten und der anhaltend hohen Inflation", als Ursache für die Trendwende nach jahrelang steigenden Immobilienpreisen in Deutschland aus. Die gestiegenen Zinsen haben die Kosten für Immobilienkäufer geradezu explodieren lassen. Laut Daten der FMH-Finanzberatung vom März liegt der Durchschnittszinssatz für ein Zehn-Jahres-Darlehen derzeit bei knapp über vier Prozent. Zum Vergleich: Anfang 2022 waren es noch weniger als ein Prozent. Für die Finanzierung eines Immobilienkaufs bedeutet das Mehrkosten oft im sechsstelligen Bereich.

Zunächst trifft diese Entwicklung nur die Neuerwerber von Immobilien. Besitzer, die in den vergangenen Jahren Hypothekendarlehen aufgenommen haben, wird dieser Kostenschock erst nach dem Auslaufen ihrer Zinsbindung - typischerweise ist das zwischen 10 und 20 Jahren - erreichen. Dann dürften jedoch die monatlich zu zahlenden Raten für viele Hausbesitzer sprunghaft steigen.

Wenn dann die Zahl derer zunimmt, die ihre Häuser oder Wohnungen gezwungenermaßen verkaufen müssen, könnte das eine Abwärtsspirale in Gang setzen. Denn sinkt der Wert von beliehenen Immobilien weiter, könnten die kreditgebenden Banken gezwungen sein, als Sicherheit zusätzliches Eigenkapital nachzufordern. Das wiederum dürfte noch mehr Besitzer überfordern und zum Verkauf zwingen, mit entsprechenden Folgen für die Preise.

Banken- und Immobilienkrise beeinflussen sich gegenseitig

Diese Entwicklung trifft nicht nur Eigenheimbesitzer, sondern auch Wohnungsunternehmen bis hin zu den großen Immobilien-Konzernen. Die Bewertungsgrundlage für Wohnungsbestände ist bereits gesunken und dürfte weiter unter Druck geraten, wenn durch Zwangsverkäufe von privaten Haushalten die Preise weiter zurückgehen. Die Turbulenzen in der Finanzbranche und auf dem Immobilienmarkt könnten sich dabei gegenseitig befeuern. Die jüngste Bankenkrise hat bereits dazu geführt, dass Banken bei der Kreditvergabe zurückhaltender sind. Schlechtere Finanzierungsangebote der Banken für Käufer und Immobilienbesitzer drücken wiederum auf die Preise.

Ob und wie weit Immobilienpreise nach dem Rückgang im vergangenen Jahr weiter fallen, ist noch unklar. Die Online-Plattform McMakler berichtet, dass die Preise für Wohnimmobilien im ersten Quartal dieses Jahres in Deutschland um 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zurückgegangen seien - im Jahresvergleich sogar um 6,2 Prozent. Laut Kaufpreisdaten der Immobilienfinanzierungsplattform Europace hat sich der Markt in den vergangenen Monaten dagegen wieder stabilisiert. Insbesondere die Preise für neue Ein- und Zweifamilienhäuser verzeichneten im Januar und Februar wieder deutliche Steigerungen.

Entscheidende Faktoren für die Entwicklung in den kommenden Monaten sind unter anderem die Geldpolitik der Zentralbanken, die vor allem abhängig von der Inflation die Zinsen langsamer oder schneller anheben könnten, und die Entwicklung der Mieten. Die sind im Gegensatz zu den Kaufpreisen in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Zwar ist der Mangel an Mietwohnungen vor allem in den Metropolen groß, doch angesichts der schwindenden Kaufkraft und der gestiegenen Energiekosten, ist nicht ausgemacht, ob und welche weiteren Erhöhungen Vermieter durchsetzen können.

Dieser Text ist zuerst bei ntv.de erschienen.

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