Im Hausboothafen an der Hamburger Süderelbe liegen die Hausboote Agathe, Wilma und Günter stolz an den Stegen. Ihre Besitzerinnen und Besitzer haben sich mit dem Kauf einen Traum erfüllt. Dabei leben sie selbst die meiste Zeit gar nicht dort, sondern vermieten ihr Hausboot an Feriengäste. Denn offiziell auf dem Wasser zu wohnen und zu bauen, ist in Deutschland kaum möglich. Die Politik ignoriert das Thema und macht es durch fehlende Regelungen kompliziert, obwohl auf dem Wasser wertvoller Wohnraum erschlossen werden könnte.
Andere Länder sind weiter: In Amsterdam stechen in fast jedem Kanal die bunten Hausboote ins Auge, in Seattle an der amerikanischen Nordwestküste haben schwimmende Häuser seit Jahrzehnten Tradition. Politisch wurden hier längst die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen. In Deutschland sind vor allem in Hamburg, Berlin, Leipzig und an der Ostsee vereinzelt Häuser auf dem Wasser zu finden. Die Nachfrage danach steigt, wohl auch weil Immobilien am Wasser kaum noch bezahlbar sind.
Die Stadt Hamburg wollte für das Wohnen auf dem Wasser zum deutschen Vorreiter werden. Der Senat brachte schon vor Jahren bis zu 300 mögliche Liegeplätze ins Spiel, die in der gesamten Stadt für Hausboote und schwimmende Häuser realisiert werden könnten. Mehrere bereits angestoßene Pilotprojekte von privaten Investoren wurden aber nicht realisiert, schon erteilte Genehmigungen sind wieder ausgelaufen. Inwiefern und in welchem Zeitraum die Zahl noch erreicht werden kann, ist ungewiss. Bisher gibt es in den Hamburger Kanälen um die 50 offiziell genehmigte Lieger, also Hausboote und schwimmende Häuser.
Viele involvierte Behörden, aber kaum Liegeplätze
Bei bewohnten Hausbooten dürfte die Dunkelziffer aber deutlich höher sein. Denn während schwimmende Häuser ortsfest sind und keinen Motor haben, gelten Hausboote grundsätzlich als Sportboote. Sie dürfen deshalb auch im Yachthafen liegen und werden, zumindest auf dem Papier, vor allem zu Freizeitzwecken genutzt. Wer dauerhaft auf seinem Hausboot leben möchte, braucht eigentlich eine Genehmigung. Und spätestens hier wird es kompliziert: In Berlin sind mindestens drei verschiedene Behörden zuständig, wenn es um die Genehmigung geht, in Hamburg zwei.
Generell müssen in Deutschland zum Wohnen auf dem Wasser sowohl das Wasser- als auch das Bauplanungsrecht beachtet werden, in einigen Bundesländern außerdem noch das Bauordnungrecht. Wer einen geeigneten Liegeplatz sucht, muss sich mit der Wasserbehörde des zuständigen Bezirksamts auseinandersetzen und auf ein gutes Ende im Bewerbungsverfahren hoffen – und das bei einer sehr geringen Zahl verfügbarer Plätze.
Für die meisten, die gerne dauerhaft auf ihrem Hausboot leben würden, ist der fehlende Liegeplatz das größte Problem. Wie sehr die Nachfrage danach das Angebot übersteigt, sei schwierig zu beziffern, sagt der Sachverständige Heiner Haass vom Verein Internationale Bootsexperten. Auf einen Liegeplätz kämen derzeit fünf bis sieben Interessenten. „Die Nachfrage hat durch die Entwicklungen der letzten Jahre zugenommen, mit Corona und mehr Urlaub im Inland“, sagt er. „Und ich bin sicher, dass sie noch zunehmen wird. Die Politik wird dann um eine Entscheidung nicht herumkommen.“
Bauflächen auf dem Wasser als Entlastung für den Wohnungsmarkt?
Bisher umschifft die Politik das Thema noch erfolgreich. Bauflächen auf dem Wasser für schwimmende Häuser gibt es genauso wenig wie eine offizielle Bauordnung. Momentan dient lediglich eine Verordnung vom DIN-Institut als Grundlage für Genehmigungen. Aus Sicht von Haass wäre ein erster Schritt deshalb, festzulegen, welche Wasserflächen als Bauland in Frage kommen.
Natürlich sei der Bedarf an Wohnraum zu groß, als dass der Platz auf geeigneten Wasserflächen ausreichen würde, um das Wohnungsproblem in Deutschland zu lösen. Trotzdem könnten (Im)Mobilien auf dem Wasser einen akzeptablen Beitrag leisten, so Haass.
Der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft (ZIA) warnte zuletzt, dass 2025 insgesamt 700.000 Wohnungen fehlen könnten. „Es könnte Bewegung in den Immobilienmarkt bringen, wenn z.B. jemand aufs Wasser zieht und dann Immobilien an Land frei werden. Diese Chance haben wir bisher vertan“, sagt Haass. Die Baukommission habe es versäumt, klare Vorgaben und Genehmigungswege zu formulieren.
Kritik an der Privatisierung der Uferbereiche
Haass hält es außerdem für ein Problem, dass es in Deutschland rechtlich keine Meldeadressen am Wasser gibt. „Eine Lösung für dieses Problem wäre nicht kompliziert“, sagt er. „In anderen Ländern wie den USA ist das längst möglich. Wir brauchen nur den politischen Willen, die Vorschläge umzusetzen.“ Einer der Vorschläge dazu ist, Wasserparzellen ebenso ins Liegenschaftskataster und ins Grundbuch einzutragen wie Grundstücke an Land, also auch Wassergrundstücke an private Eigentümer zu verkaufen.
Mit den Grundstücken auch die Uferbereiche zu privatisieren, sehen einige allerdings jetzt schon kritisch. Die zehn Hausboote im Hamburger Eilbekkanal werden fast alle privat genutzt, die Ufer und Stege sind aber öffentlich. Nach Einschätzung der Bezirksverwaltung Hamburg-Nord werden öffentliche Räume in der Praxis trotzdem durch die Hausboote privatisiert. „Wir halten es für wichtig, Uferzonen öffentlich zugänglich zu halten“, teilt die Bezirksverwaltung auf Capital-Anfrage mit. „Das verträgt sich nicht immer mit dem Bedürfnis nach Privatsphäre.“
Auch der Bezirk Hamburg-Mitte hat sich angesichts der hohen Nachfrage in den vergangenen Jahren klar zum Wohnen auf dem Wasser positioniert. Zwar mache es das Leben vielfältiger, kritisch ist man trotzdem. „Solche Wohnmodelle werden oft romantisiert dargestellt. Wir sprechen hier von dauerhaftem Wohnen, nicht vom Sommerurlaub mit Huckleberry Finn-Schwärmerei, den man jederzeit abbrechen kann“, schreibt die Verwaltung dazu. Dabei würde eine klare Regelung von politischer Seite mit einem Grundstück als Gegenwert auch die Finanzierung erleichtern, an der es momentan oft noch scheitert.