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Geldanlage Warum höhere Zinsen gefährlich sind

Schon vor Amtsantritt bewegt Donald Trump die Zinsen. Und die Banken warnen: Ein plötzlicher Zinsanstieg birgt Risiken. Von Nadine Oberhuber
Geldanlage: Warum höhere Zinsen gefährlich sind

Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen

Es gibt Zeitgenossen, denen kann man es nie recht machen. Die maulen einfach immer. „Chronisch unzufriedener Mensch“, lautet das Urteil dann, oder zumindest chronisch unflexibel, denn solche Menschen stoßen sich anscheinend daran, dass die Realität anders funktioniert als sie sich das vorstellen. Gehören deutsche Banken auch zu solchen Zeitgenossen? Sie haben schließlich jahrelang gejammert, die Niedrigzinsen seien ein großes Unglück, auch für die Sparer, vor allem aber für sie selbst und ihr Geschäftsmodell. Nun beginnen die Zinsen zu steigen und was passiert? Die Bankenwelt jammert: Steigende Zinsen seien gefährlich, daraus könnten sich große Risiken ergeben – für sie und ihr Geschäftsmodell. Ist das nun das chronische Gejammer eines Unzufriedenen?

Es ist leider mehr als das. Denn die letzte Warnung stieß vergangene Woche immerhin die Bundesbank aus als sie ihren Finanzstabilitätsbericht vorstellte. Der wies darauf hin, dass die anhaltenden Niedrigzinsen viele Banken in eine schwierige Lage gebracht hätten, die sich bei einem baldigen Zinsanstieg verschärfen würde. Und der kommt nun anscheinend schneller als es vielen lieb ist.

Denn Donald Trump, Amerikas nächster Präsident, ist noch gar nicht im Amt, bewegt aber schon mächtig die Kurse. In der Woche nach seiner Wahl krachten die Kurse mächtig in den Keller – nicht die Aktienkurse, denen geht es nach wie vor gut – sondern die Anleihenkurse. Der Grund: Durch die enormen Ausgaben, die Trump den Wählern versprochen hat, wird sich die US-Verschuldung erhöhen. Das senkt die Kreditwürdigkeit des Landes, weswegen viele Investoren sich von den Staatspapieren trennen, was wiederum die Kurse drückt. Gegenläufig stiegen die Renditen vieler Bonds sprunghaft an. Zehnjährige amerikanische Treasuries etwa hüpften auf die 2,26 Prozent-Marke, die 30-jährigen Papiere sogar auf drei Prozent.

Hohe Aufschläge für europäische Staatsanleihen

Und der Trump-Effekt, also der Ausverkauf am Anleihenmarkt, machte auch vor den Anleihen anderer Staaten nicht Halt: Europäische Staatsanleihen verbuchten hohe Aufschläge, vor allem die aus den südlichen Peripheriestaaten. Die italienischen Papiere rentieren nun wieder mit 2,1 Prozent und damit so hoch wie seit Sommer 2015 nicht mehr. Die 30-jährigen Italien-Bonds bringen jetzt sogar 3,5 Prozent Rendite.

Zuletzt waren weltweit viele Staatsanleihen mit Negativrendite im Umlauf. Selbst zehnjährige Bundesanleihen kosteten die Anleger bares Geld. Insgesamt waren Staatsanleihen im Wert von 12 Billionen Dollar ein Negativgeschäft für Investoren. Inzwischen, kaum eine Woche nach Trumps Wahlsieg, sind es nur noch Papiere im Wert von 8,7 Billionen Dollar. Und Finanzmarktbeobachter sagen, der Abverkauf bei den Bonds werde weitergehen. Aus den Kursen, die sich zuletzt so aufgebläht hatten, dass geachtete Finanzexperten warnten, es entstehe hier eine enorme Blase, entweiche also noch mehr Luft. Der Renditeanstieg setzt sich dementsprechend wohl auch noch eine Weile fort. Künftig ausgegebene Staatsanleihen werden mit höheren Zinsen auf den Markt kommen.

Das hat natürlich Auswirkungen auf andere Anlageklassen. Denn Anleger werden dann ihr Geld wieder zunehmend in Zinspapiere schichten, sobald es endlich einmal wieder Zinsen gibt. Sie werden dafür Aktien verkaufen, die viele ohnehin für eine sehr unsichere Anlageform halten. Und sie werden sich auch nicht mehr so stark auf Immobilien stürzen, die sind ohnehin die illiquideste Anlageklasse von allen. Das bedeutet, dass die Preise für Immobilien sinken könnten.

Gefahr für Versicherer und Banken

Zudem, so warnte die Bundesbank bereits in ihrem Stabilitätsbericht vom vergangenen Jahr, würden viele Kunden von Lebensversicherern dann wohl schwach. Neukunden könnten massenhaft Verträge mit niedrigen Garantiezinsen, die sie gerade erst abgeschlossen haben (also in den Niedrigzinszeiten) auflösen, um das Geld in die rentierlicheren Anleihen zu schichten oder sogar aufs Tagesgeldkonto zu legen – das dann wieder akzeptable Zinsen abwerfen würde.

Nun ist das nur ein Horrorszenario, aber kein ganz weit hergeholtes. Die Stornoquoten der Lebensversicherungsbranche bewegten sich zuletzt bereits auf atemberaubend hohem Niveau. Und in einem Stresstest errechneten die Bundesbanker: Bereits bei einem Zinsanstieg von zwei Prozentpunkten kämen die Versicherer mächtig in die Bredouille. Ausgerechnet sie. Denn auch sie klagten seit 2008 laut darüber, dass sie wegen der Niedrigzinsen keine ordentlichen Renditen mehr erwirtschafteten beim Anlegen der Kundengelder – kaum mehr jedenfalls, als sie mit den hohen Garantiezinsen der Vergangenheit ihren Kunden versprochen hätten. Steigen nun die Zinsen, sollen sie die ersten Opfer sein?

Und die Banken sind das nächste, wenn man den Warnungen glauben darf. Zwar beeilten sich die Finanzmarktaufseher zu betonen, dass es keinerlei Bedenken hinsichtlich der Stabilität der deutschen Banken gebe, aber das drohende Risiko durch einen Zinsanstieg erklärten sie so: Die Kreditinstitute hätten zuletzt erheblich mehr Darlehen ausgereicht, denn die Niedrigzinsen hätten viele Marktteilnehmer zum Schuldenmachen animiert. Hauskäufer in erster Linie aber auch Unternehmen, die Kredite für neue Anlagen und Ausrüstungsgegenstände aufgenommen haben. Mit dem wachsenden Kreditgeschäft versuchten viele Banken – insbesondere auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken – die weggefallenen Gewinne zu kompensieren. Zwar seien all diese Kreditvergaben „mit Augenmaß“ passiert, sagt die Bundesbank, doch damit sind die Banken natürlich ins Risiko gegangen. Denn was, wenn viele Schuldner ihre Kredite zu höheren Zinsen nicht mehr zurückzahlen können und es sich herausstellt, dass sie sich übernommen haben? Und was passiert, wenn durch den Zinsanstieg die Preise für Immobilien und Aktien wirklich fallen und die Institute Wertberichtigungen vornehmen müssen auf Anlagevermögen, das sie halten? Können sie das dann mit den Mitteln auffangen, die sie noch haben? Das Eigenkapitalpolster der deutschen Banken lässt bekanntlich im Europavergleich noch zu wünschen übrig.

Deutsche Banken schlecht gerüstet

Die Banken sind durch die lange Zeit der Winzzinsen anfälliger geworden, für jede Art von Änderung, die sich auf den Finanzmärkten ergibt. So lautet gewissermaßen das Fazit daraus. Diese Störanfälligkeit darf man beklagen, wenn auch nicht pauschal. Denn andererseits werden die Institute auch wieder höhere Gewinne einfahren, wenn ihr Zinsüberschuss wieder steigt. Zumindest manche von ihnen, Großbanken wie die Deutsche Bank beispielsweise dürften davon deutlich profitieren, verkündeten die Investmentbanker von Goldman Sachs unlängst. Nicht zuletzt dürften auch die Aktienkurse der Institute dadurch einen deutlichen Schub erleben. Daraus ließe sich auch Kapital schlagen, wenn es denn nötig wäre.

Das wahre Problem der deutschen Banken ist aber ein anderes: Denn ihr Geschäft ist schon lange viel weniger rentabel als das anderer Banken, wenn man den Europavergleich macht. Dabei geht es weniger darum, dass sie mit ihren vielen Filialen hohe Kosten produzieren, sondern darum, dass sie es schlechter als andere verstehen, Erträge zu generieren. Eben weil die Banken hierzulande klassischerweise so stark am Zins- und Kreditgeschäft festhalten und von der Fristentransformation leben (Geld kurzfristig gegen einen bestimmten Zinssatz einsammeln und langfristig zu einem höheren Zinssatz ausreichen), steht es um ihre Wirtschaftlichkeit nicht gut.

Ist das Jammern der Banken also berechtigt? Man könnte denen, die es tun, problemlos mit auf den Weg geben, was Psychologen ebenfalls raten, wenn sie chronisch unzufriedene Menschen behandeln: „Love it, change it or leave it.“ Das bedeutet: Jammere nicht, sondern akzeptiere entweder die Gegebenheiten (liebe sie also), oder ändere sie (und Dein Geschäftsmodell in diesem Falle so, dass Du damit leben kannst) – oder lass es bleiben (und verlass den Markt).

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