Joseph R. Biden Jr. wird im Januar 2021 als 46. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt werden. Man lehnt sich mit dieser Prognose wohl nicht allzu weit aus dem Fenster, auch wenn sich Donald Trump trotzig weigert, das Wahlergebnis anzuerkennen. Anleger feiern unterdessen das Ende der Unsicherheit rund um die US-Wahl: Der Aktienindex S&P 500 hat in den vergangenen Tagen deutlich zugelegt. Bidens Sieg gilt offenbar als gute Nachricht für den US-Aktienmarkt – oder zumindest für Teile davon.
Zu den Gewinnern gehört auf den ersten Blick die Erneuerbare-Energien-Branche. Biden hat erklärt, dem Pariser Klimaabkommen, das Trump aufgekündigt hat, so schnell wie möglich wieder beizutreten. Er will überdies einen „Green Deal“ für die Vereinigten Staaten ins Leben rufen und nachhaltige Energieerzeugung in den Fokus rücken. Verlierer dieser Politik wären Unternehmen, die ihr Geld mit fossilen Energieträgern wie Öl oder Kohle verdienen.
Biden ohne Senatsmehrheit - momentan
Allein: Eine solche Betrachtungsweise greift zu kurz. Erstens wird Biden sich zwar aller Voraussicht nach stärker um den Klimaschutz bemühen als Klimawandelleugner Trump. Auch er ist aber kein Umweltretter erster Güte. So hat der „President-elect“ etwa mehrfach betont, Fracking nicht verbieten zu wollen. Zweitens, und das ist der gewichtigere Punkt, sieht es derzeit nicht danach aus, als würde die Demokratische Partei neben dem Weißen Haus auch den Senat erobern. Und ohne Senatsmehrheit wird es Biden schwer haben, teure und von den Republikanern mit Skepsis betrachtete Projekte wie den „Green Deal“ durchzusetzen und zu finanzieren.
Prognosen, was die Politik des Wahlsiegers für einzelne Branchen bedeutet, sind schwierig und zudem wenig belastbar. Selbst wenn der Senat doch noch an die Demokraten fallen sollte und Biden auf der „blauen Welle“ surfen kann: Die Politik ist bei weitem nicht der einzige Einflussfaktor für die Wirtschaft, meist nicht einmal der wichtigste. „Die 2016 von Trump favorisierten Sektoren Stahl, Öl, Kohle oder Hotels und Immobilien haben sich überwiegend schlechter geschlagen als die Gesamtwirtschaft“, sagt DWS-Chefanlagestratege Stefan Kreuzkamp. Trumps Unterstützung der Ölwirtschaft etwa habe wenig geholfen angesichts des weltweiten Überangebots, das den Ölpreis abstürzen ließ.
Freundlichere Aussichten für den Welthandel
Was sich immerhin mit einiger Sicherheit sagen lässt: Biden wird gegenüber internationalen Partnern diplomatischere Töne anschlagen als sein Vorgänger. Auch ohne Senatsmehrheit hat er in der Außenpolitik einigen Spielraum. Das sind gute Aussichten für den Welthandel, der momentan noch unter Trumps „America First“-Politik leidet. „Eine konstruktivere Haltung gegenüber Europa dürfte ein zentrales Anliegen der neuen Regierung sein, während sich die harte Haltung der USA gegenüber China bestenfalls im Ton, weniger aber in der Sache ändern sollte“, analysiert Martin Lück, leitender Kapitalmarktstratege bei Blackrock. „Insgesamt spricht eine weniger globalisierungskritische Haltung der neuen Administration für freundlichere Stimmung im Welthandel.“
Ein lebhafterer grenzüberschreitender Handel wäre für mehrere Branchen eine gute Nachricht: etwa für Reeder, die Containerschiffe rund um den Globus schicken, oder für Versicherer, die internationale Deals absichern. Anleger sollten ihre Investmentstrategie allerdings nicht an solchen Erwartungen ausrichten. Wer auf Bidens Politik und ihre Wirkung auf die Börse spekulieren will, kann darauf setzen, dass die Präsidentschaft des Demokraten die Aktienkurse an der Wall Street insgesamt weiter in die Höhe treiben wird. Immerhin hat der designierte US-Präsident versprochen, die Wirtschaft der Vereinigten Staaten mit einem dicken Konjunkturpaket zu stützen. Auch dafür benötigt er allerdings die Unterstützung des Senats.
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