Japanische Aktien stehen bei Anlegern auf der ganzen Welt gerade hoch im Kurs. Der berühmteste von ihnen: Warren Buffett. Seine Holdinggesellschaft Berkshire Hathaway hat bereits Mitte Juni bekannt gegeben, ihre Anteile an den fünf größten japanischen Handelshäusern aufzustocken. Berkshires Anteile an Itochu, Marubeni (MARUY), Mitsubishi Corp, Mitsui & Co (MITSY) und Sumitomo liegen nun durchschnittlich bei mehr als 8,5 Prozent. Langfristig will Buffett diese noch weiter aufstocken.
Das Orakel von Omaha hat bereits im Jahr 2020 die ersten Anteile der Handelshäuser gekauft – und bewies damit mal wieder ein gutes Gespür, wie bislang scheint. Denn der japanische Kapitalmarkt genießt derzeit einen starken Aufwärtswind: Der Leitindex Nikkei 225 erlebt seit Jahresbeginn eine Rally mit einem Kursplus von 30 Prozent. Aktuell steht der Leitindex bei knapp 32.400 Punkten – seinem Höchststand seit 33 Jahren. Die große Sogkraft der Wertpapiere aus dem Land der aufgehenden Sonne ist dabei auf eine Reihe von Gründen zurückzuführen.
Zum einen entspringt der Optimismus von Buffett und Co. den aktionärsfreundlichen Reformen in Sachen Unternehmensführung, die das japanische Wirtschaftsministerium derzeit vollzieht. „Seit Beginn der Wirtschaftspolitik des japanischen Premierministers Shinzō Abe, den sogenannten Abenomics, werden japanische Aktien zunehmend attraktiver“, sagt John Paul Temperley, Portfoliomanager des Japan Equity Fonds bei AXA Investment Managers.
Japanische Unternehmen erhöhen die Löhne
So soll etwa ein struktureller Wandel in der japanischen Unternehmenskultur frischen Wind in die Wirtschaft bringen. Laut einer Umfrage der Unternehmensgruppe Nippon Keidanren sollen große japanische Unternehmen im laufenden Jahr eine durchschnittliche Lohnerhöhung von 3,9 Prozent beschlossen haben – so viel wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Einzelne Unternehmen, wie etwa der Bekleidungsriese Uniqlo, haben sogar Lohnerhöhungen von 40 Prozent angekündigt. Die Reformen sollen auch den Arbeitsplatzwechsel für japanische Angestellte erleichtern.
Gleichzeitig sollen börsennotierte Unternehmen Aktionärs-freundlicher werden: „Eine öffentliche Anweisung der Tokioter Börse zu Beginn dieses Jahres setzte zusätzlich ein Zeichen: Unternehmen, die unter ihrem Buchwert notieren, werden aufgefordert, einen Sanierungsplan vorzulegen“, sagt Japan-Experte Temperley. Damit sollen diese Unternehmen ihre Aktienkurse in die Höhe treiben. Dafür stehen ihnen folgende Optionen offen: Sie erhöhen die – in Japan traditionell eher niedrigen – Dividenden oder sie kaufen Aktien zurück. Die Autobauer Toyota und Honda haben bereits einen Aktienrückkauf angekündigt.
Skeptiker sehen allerdings die Gefahr, dass die Kursrally an Japans Börsen nur von kurzer Dauer ist. Tief sitzt noch das Trauma der geplatzten Börsenblase im Jahr 1989. In der Zeit, die es japanische Aktien gekostet hat, um sich von diesem Crash zu erholen, hatten sich die Kurse von US-Papieren verzehnfacht. Und dennoch sind viele Anleger überzeugt, auf dem japanischen Aktienmarkt zahlreiche unterbewertete Perlen ausfindig machen zu können. Dass die Aktien profitabler Unternehmen in Japan insgesamt deutlich günstiger bewertet sind als in den USA, wird an Berechnungen von Yuichi Murao deutlich, dem Chefanlagestrategen für Active Japan Equity bei Nomura Asset Management. So zeigt der Index der hochprofitablen japanischen Unternehmen im Durchschnitt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 13,4 auf. Im S&P 500 liegt das durchschnittliche KGV bei 21,6.
Der schwache Yen macht Exporte attraktiver
Auch das Geschäftsklima in der japanischen Großindustrie hat sich laut dem jüngsten Tankan-Bericht der Bank of Japan (BoJ) verbessert. Das spiegelt sich etwa in den Einzelhandelsumsätzen wider: Der Stimmungsbarometer stieg in Japan im Juni zum vierten Mal in Folge. „Nach einem Dämpfer im April ist der Konsum in Japan wieder zurück im Aufwind. Die Einzelhandelsumsätze stiegen im Mai um 1,3 Prozent gegenüber dem Vormonat und damit einen halben Prozentpunkt stärker als von Analysten erwartet“, berichtet Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank. „Den Gewinnen der japanischen börsennotierten Unternehmen, die im Schnitt 60 Prozent ihrer Umsätze am Binnenmarkt erzielen, dürfte die Kombination aus robustem Nominalwachstum und sich aufhellender Stimmung zugutekommen“, sagt der Experte.
Hinzu kommt: Weil der Yen im Vergleich zum US-Dollar zuletzt die Anleger nicht als sicheren Hafen überzeugen konnte, schwächelt die japanische Währung. Das macht japanische Produkte für den Exportmarkt attraktiver und optimiert somit die Absatzchancen für japanische Unternehmen. Auch die Umsätze der Tourismusbranche dürfte der schwache Yen ankurbeln. Als eines der letzten Länder, das seine Covid-Beschränkungen aufgehoben hat, erlebt Japan diesbezüglich gerade Nachholeffekte.
Für Anleger, die statt auf den breiten Markt lieber auf Einzelaktien wetten möchten, nennt Japan-Experte Temperley ein paar seiner aktuellen Favoriten: „Toyota Motor finden wir interessant, da das Unternehmen Festkörperbatterietechnologien der nächsten Generation entwickelt, die mit Tesla konkurrieren werden“, sagt der Fondsprofi. „Ein dominierender Akteur auf dem Markt für Wafer-Fertigungsanlagen ist Tokyo Electron. Das Unternehmen profitiert zusätzlich vom KI-Boom.“ Ebenfalls attraktiv sei Mitsubishi Electric, da das Unternehmen wegweisend auf dem globalen HVAC-Markt sei und ein wichtiger Player bei Leistungshalbleitern und in der Fabrikautomation. Auch beim Computerkonzern Fujitsu sieht der Fondsmanager Renditechancen: „Fujitsu steht als wichtiger Systemintegrator an der Spitze der japanischen Aufholjagd in Sachen Digitalisierung.“