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Geldanlage Warum mutige Anleger belohnt werden

Symbolbild Geldanlage
Symbolbild Geldanlage
© Getty Images
In den turbulenten letzten Wochen zogen viele Anleger ihr Geld aus Aktienfonds ab. Dummerweise, denn nun steigen die Kurse wieder. Nun fragen sich wieder viele: Wieder einsteigen oder abwarten? Darauf gibt es nur eine vernünftige Antwort

Der Anleger an sich scheint wahrlich ein sehr risikoscheues Wesen zu sein. Und damit ist jetzt ausnahmsweise einmal nicht nur der heimische Anleger gemeint, und auch nicht bloß der Privatanleger, sondern es geht in diesem Fall tatsächlich um alle, die in den vergangenen Monaten ihr Geld an den Finanzmärkten investiert haben. Anders jedenfalls sind die aktuellen Zahlen zum weltweiten Fondsabsatz nicht zu erklären, die besagen: Die Geldzuflüsse in Aktienfonds waren ziemlich klein und halbierten sich zuletzt sogar. Insgesamt verzeichnete die Branche nur in zwei der vergangenen zwölf Monate größere Zu- als Abflüsse in dieser Kategorie. Besonders hart traf es übrigens die europäischen Standardwerte, die besonders unbeliebt waren. Aber das nur am Rande. Was dagegen stark gekauft wurde, das waren Rentenfonds , insbesondere Anleihenpakete aus Schwellenländern fanden reichlich Absatz.

Das beweist wieder einmal: Anleger agieren eindeutig prozyklisch. Wenn die Zeiten stürmischer werden – so wie in den letzten Wochen –, dann nehmen sie lieber Reißaus und suchen mehr Sicherheit und Stabilität in Anleihemärkten, als weiter in Aktien investiert zu bleiben. Denn vor allem die stark schwankenden Kurse werden der Auslöser dafür gewesen sein, dass sich das Absatzspektrum verschob und zwar weg von den gewagteren Fonds hin in Richtung konservativere Anlagen und Goldfonds. Man mag nun sagen: Anleger sind eben vorsichtige Menschen, ganz egal ob sie nun ihr eigenes Geld verwalten oder das ihrer Kunden. Man kann es also als normale, verständliche Reaktion auf die Volatilitätsexzesse des Marktes abtun. Was es auch sicherlich ist.

Dumm daran ist nur, dass in den gesamten vergangenen zwölf Monaten – in denen die Aktienfonds fast durchweg starke Abflüsse erlebten – die Kurse enorm stark gestiegen sind. Aufs Jahr gesehen schaffte die großen Leitindizes allesamt rund 19 Prozent Wertentwicklung, ob es nun der S&P 500 war oder der MSCI World, ja sogar der Eurostoxx legte so stark zu. Mit dem deutschen Dax war sogar noch ein Hauch mehr drin, nämlich knapp 21 Prozent. Zugegeben, mit einer derart furiosen Kursentwicklung hatten die allermeisten noch zu Jahresbeginn nicht gerechnet. Und auch die schlechten Konjunkturprognosen und mauen Wirtschaftsdaten, die Woche um Woche auf die Marktteilnehmer einprasselten ließen daran nicht denken. Aber es ist wie so oft: Am Ende kommt alles ganz anders als man denkt.

Anleger warten gerne ab

Allein im Oktober übrigens – in dem Monat also, in dem sehr viele Anleger den Fonds nach den stürmischen Herbstwochen ab August den Rücken kehrten – kletterte der deutsche Leitindex von 11.900 Punkten auf inzwischen rund 13.400 Punkte. Damit notiert er nun wieder nahe an dem Höchststand, auf den er zum Jahresbeginn 2018 erstmals gestiegen war. Ungeschickt also, wenn Anleger genau diesen starken Anstieg um immerhin 13 Prozent in vier Wochen verpasst haben, weil sie ausgerechnet rund um den Tiefststand im August und September das Weite suchten.


DAX Index


DAX Index Chart
Kursanbieter: L&S RTInzwischen dürften sich daher viele Aussteiger ärgern. Und wohl auch wieder mit dem Einstieg liebäugeln. Doch wie gewöhnlich stellen gerade sie sich dann die Frage: Soll man zu diesen Kursen wirklich noch – oder wieder – einsteigen? Oder ist das nicht alles viel zu riskant? Zumal die warnenden Stimmen immer lauter werden, dass auf das außergewöhnlich gute Jahr 2019 bestimmt kein ebenso gutes Jahr 2020 folgen werde. Zumindest könnte die Volatilität wohl weiter hoch bleiben, das heißt: Mit einem starken Auf und Ab bei den Kursen ist zu rechnen. Wäre es da nicht geradezu dumm, ausgerechnet jetzt einzusteigen? Das mag natürlich sein.

Für gewöhnlich befinden Anleger bei so einer Lage: Wir warten ab. Das sagen zumindest die Ängstlichen – und von denen scheint es ja viele zu geben. Die nehmen sich vor, auf den nächsten Markteinbruch zu warten und dann vielleicht wieder einzusteigen. (Was sie dann aber meist doch nicht tun, weil sie es dann noch mehr mit der Angst zu tun bekommen.) Die etwas Abgebrühteren unter ihnen beschließen: Wir steigen wieder ein, da es ja nun wieder aufwärts geht. Da ihnen aber das Risiko durchaus bewusst ist, lautet ihre Wiedereinstiegsstrategie: Aber lieber nicht auf einmal, sondern in Tranchen. Dazu raten ja schließlich auch die vielen Finanzmarktexperten, die stets die Vorteile der gestückelten Geldanlage betonen. Damit könne man das Risiko besser streuen und vom Durchschnittskosteneffekt profitieren.

Sparplan oder Einmalanlage?

Der sogenannte Cost-Average-Effekt ist also das Phänomen, das den stufenweisen Wiedereinstieg lukrativer und ungefährlicher machen soll. Im Grunde kennt ihn auch jeder Sparplan-Anleger: Wer jeden Monat für 100 Euro Fondsanteile kauft, der kauft höchstwahrscheinlich in manchem Monat nur wenige Fonds zu einem hohen Preis ein, dafür aber erwirbt er in anderen Monaten erheblich mehr Fondsanteile, wenn die Kurse sinken. In Summe mindere er damit das Risiko, dass er zum falschen Zeitpunkt in den Markt einsteigt und so zu überteuerten Preisen kauft. So zumindest lehren es etliche Finanzmarktexperten.

Das Blöde ist nur, dass es so nicht stimmt. Zumindest gilt diese Regel allenfalls für Geldanleger, die nicht weiter denken als nur für ein paar Monate. Und die wirklich verdammt großes Pech haben, weil sie an einem Zeitpunkt in den Markt einsteigen, der unmittelbar vor einem ganz großen Crash liegt. So erging es zum Beispiel all jenen, die im März 2000 Aktienpakete kauften, also ganz kurz vor dem großen Dotcom-Crash. Oder im November 2007, kurz vor der Weltfinanzkrise.

Nun kann man natürlich argumentieren: Wer weiß schon, ob uns nicht wieder so ein gigantischer Wendepunkt des Marktes bevorsteht? Richtig, das kann natürlich niemand. Aber vielleicht überzeugt Skeptiker ja das Ergebnis einer Studie, die von der Ratingagentur Morningstar stammt. Sie hat verglichen, wie gut Anleger fuhren, wenn sie in den letzten knapp 100 Jahren einen großen Batzen Geld am US-amerikanischen Aktienmarkt anlegten. Und wie es jenen erging, die stattdessen ihr Geld in Tranchen in den Markt schichteten.

Je länger der Anlagehorizont desto besser die Aussichten

Das Ergebnis ist mehr als eindeutig: Betrachtet man die Welt der Kurzfristanleger, die lediglich für einen Zeitraum von 10 Monaten investiert blieben, so fällt die Statistik in 72 Prozent aller 10-Monatszeiträume zwischen 1926 und 2019 zugunsten der Einmalanleger aus. Sie fuhren also mit der gewagten Strategie besser als die Vorsichtsanleger, die über den 10-Monatszeitraum gestückelt einstiegen. Andersherum gesagt: Selbst auf extrem kurze Anlagedauer zahlt sich der vorsichtige Einstieg in nicht einmal drei von zehn Fällen aus. Und dabei wurden immerhin rund 1100 verschiedene Zeiträume betrachtet.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einmalanleger besser abschneidet wird dabei umso größer, je länger sein Anlagehorizont ist. Wer sein Geld zehn Jahre lang im Markt lässt, der hat mit der Einmalanlage bereits eine über 90-prozentige Chance, damit eine bessere Rendite zu erzielen als ein Tranchen-Einsteiger. Zudem, und das überraschte die Analysten stark, war auch die Schwankungsbreite der Renditen bei den Sparplananlegern größer als bei den Einmalanlegern. So gesehen muss man sagen: Für eine Abmilderung des Risikos sorgt das stufenweise Anlegen also ebenso wenig wie für eine Erhöhung des Ertrages.

Und das gilt beileibe nicht nur für den amerikanischen Markt. Das belegen auch die Zahlen des hiesigen Fondsverbands BVI, der die Wertentwicklung von Sparplänen regelmäßig anhand der realen Kursdaten errechnet. Jene von Einmalanlagen ebenso. Aktuell sieht die Bilanz so aus: Sowohl auf eine Laufzeit von 10 Jahren als auch auf 30 Jahre brachte die Einmalanlage in Aktienfonds bessere Jahresrenditen als ein Sparplan. Bei den Mischfonds galt das größtenteils auch. Lediglich auf die 20-Jahres-Laufzeit lagen die Sparpläne vorn. In jenem Zeitraum also, in den die beiden großen Crashs von 2001 und 2008 fielen. Wer in dieser Phase nicht genügend Zeit zum Aussitzen hatte, der war mit einem Sparplan besser beraten, weil er tatsächlich in den Krisen billig Anteile einkaufen konnte. Wer dagegen 30 Jahre warten konnte, der profitierte mit der Einmalanlage mehr.

Einmalanleger schneiden besser ab

Im Schnitt warfen deutsche oder globale Aktienfonds in diesen 30 Jahren rund 6,6 bis 6,7 Prozent Rendite jährlich ab, wenn man 1989 einmal einen großen Batzen Geld investierte. Schob man das Kapital dagegen tranchenweise in den Markt, kamen Anleger auf immerhin 6,5 Prozent Jahresrendite mit dem Sparplan (das ist also fast vergleichbar), aber bloß auf 5,9 Prozent pro Jahr mit den deutschen Aktien. Da fehlten ihnen also 0,8 Prozentpunkte beim Ertrag. Interessant ist übrigens auch, dass Mischfondsanleger mit global ausgewogenen Mischfonds auf 30-Jahressicht ebenfalls 6,6 Prozent Ertrag jährlich einfuhren, also auf eine ebenso gute Rendite kamen wie reine Aktienanleger. Wobei die Volatilität bei den Mischfonds jedoch nur etwa halb so hoch war (8,3 Prozent) wie bei den Aktienfonds (12 bis 16 Prozent).

Insgesamt sprechen die Zahlen also deutlich dafür, das Geld auf einmal in den Markt zu pumpen. Auch auf die Gefahr, dass man einen mitteloptimalen Zeitpunkt erwischt. Zumal sich noch etwas anderes viel stärker auswirkt, gerade bei langen Anlagehorizonten: Der Zinseszinseffekt nämlich. Wer jetzt 5000 Euro in der Hand hat und sie sofort investiert, der fährt auch ab sofort die Rendite für den Gesamtbetrag ein. Wer dagegen erst einmal nur 100 Euro einzahlt und die übrigen 4900 Euro in Cash hält, dem winkt auch nur der Wertgewinn für diese 100 Euro. So lange, bis er den Rest wieder angelegt hat.

Vor allem das führt dazu, dass ein Sparplananleger (der vor 30 Jahren mit Sparen begann) mit einem durchschnittlichen globalen Aktienfonds – bei 6,5 Prozent Jahresrendite – heute ein Gesamtvermögen von knapp 108.000 Euro hat, im Marktschnitt. Wohingegen der Einmalanleger, der zur gleichen Zeit die 36.000 Euro sofort investierte, heute auf ein Vermögen von gut 210.000 Euro käme. Also auf rund das Doppelte.

Nun ist klar, dass viele Sparplansparer deshalb Sparpläne aufsetzen, weil sie eben keine 36.000 Euro auf einen Schlag flüssig haben. Oder auch nur annähernd so große Summen. Von daher sollten sich Anleger mit kleinem Budget auch nicht entmutigen lassen – und schon gar nicht von ihren Sparplänen abbringen lassen. Denn besser ein paar Zehntelprozentpunkte weniger Rendite in 20 oder 30 Jahren – als gar keine. Die Botschaft, die sich aus den Rechnungen ergibt, ist aber deutlich: Wer Geld übrig hat, wie viel es auch sei, ist in den allermeisten Fällen besser damit beraten, es mutig in den Markt zu schichten – als es lange festzuhalten und aufzuteilen, bis er den vorsichtigen Markteintritt wagt.

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