Dass es am Rohstoffmarkt turbulent zugehen kann, ist Anlegern hinlänglich bekannt. Besonders wild ging es zuletzt auf dem Erdgasmarkt her. Hier handelt es sich um einen sehr großen Markt, denn Erdgas erfreut sich als Primärenergieträger seit vielen Jahren eines robusten Wachstums. Neben der stofflichen Verwertung und seinen Eigenschaften als Heizungsbrennstoff dient Erdgas zunehmend auch zur Stromerzeugung.
Angesichts geringerer Treibhausgasemissionen als bei der Kohleverstromung gewinnt Erdgas auf diesem Feld seit Jahren Marktanteile, zumal in den USA. Die nennenswerten Erfolge beim Klimaschutz verdanken die USA insbesondere dieser Substitution von Kohle durch Erdgas. Im Jahr 2023 betrug der Anteil von Erdgas an der Stromproduktion 43 Prozent, während Kohle nur 15,8 Prozent und erneuerbare Energiequellen immerhin 23 Prozent mit wachsendem Anteil beitrugen. Der fehlende Rest kommt überwiegend aus Atomstrom.
Wie man sieht, verfügen die Vereinigten Staaten über eine breite und diversifizierte Palette an Stromerzeugungsquellen. Das macht das Land weitgehend immun gegenüber Krisen bei einzelnen Stromgestehungsformen. Zudem verhalten sich die Versorgerunternehmen marktwirtschaftlich, das heißt: Preise spielen eine hervorragende Rolle bei Einsatz und Auslastung von Kraftwerken.
Erdgas schlägt Kohle
An dieser Stelle kommen die Preise für Erdgas, Kohle und Uran ins Spiel. Denn die Marktanteilsgewinne des Erdgases zu Lasten der Kohle haben viel mit der Flexibilität von Gaskraftwerken und den günstigen Preisen nebst sicherer Verfügbarkeit von Erdgas zu tun. Durch den Schiefergasboom sind die USA zum größten Produzenten von Erdgas aufgestiegen. Und so erklärt sich auch, warum amerikanisches Erdgas heute ca. 55 Prozent günstiger ist als Ende 2019, während die europäischen Preise im gleichen Zeitraum um 30 Prozent gestiegen sind.
Wenn nun die amerikanischen Erdgaspreise allein in diesem Jahr um fast ein Drittel fallen, wozu nicht zuletzt ein milder Winter beiträgt, dann wird Erdgas Marktanteile bei der Stromerzeugung zulasten von Kohle und erneuerbaren Energien verzeichnen können. Tatsächlich gehen Experten davon aus, dass Erdgas in den kommenden Jahren weltweit als Energieträger deutliche Marktanteile bei der Elektrizitätsproduktion erzielen wird.
Aber die amerikanische Angebotsseite hat bereits auf den Preisverfall reagiert, indem etwa Chesapeake Energy Corp. angekündigt hat, die Erdgasproduktion zu drosseln. Ferner ist zu vermerken, dass sinkende Erdgaspreise gewiss auch dem russischen Erdgasriesen Gazprom zusetzen werden, während China und Japan zu den Hauptprofiteuren zählen. Einmal mehr sieht man, dass Energie von zentraler Bedeutung für die Entwicklung von Volkswirtschaften ist.