Biden gegen Trump: Glaubt man amerikanischen Medien, wird die Abstimmung über den nächsten US-Präsidenten Anfang November eine Schicksalswahl. Auf der einen Seite der Amtsinhaber, der mit Rechtsextremen kokettiert, aus internationalen Verträgen aussteigt und es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Auf der anderen Seite der Herausforderer, der sich als Versöhner der Nation inszeniert und sicher der moderatere und umgänglichere der beiden Kandidaten ist, geistig aber nicht immer ganz auf der Höhe zu sein scheint.
Die offenkundigen Unterschiede zwischen Trump und Biden machen Wetten auf den Wahlausgang besonders spannend – auch an den Finanzmärkten. So tief gespalten, wie sich die USA präsentieren, so unterschiedlich könnte die Wall Street auf den Sieg des einen oder anderen Kandidaten reagieren. Das ist zumindest das Kalkül diverser Investmenthäuser, die Anlegern Produkte anbieten, mit denen sie auf den Wahlsieger spekulieren können. Solche Investments mögen Spaß machen. Sie sind aber aus mehreren Gründen keine gute Idee.
Sektor-Körbe mit Lücken
Wahl-Wetten für Investoren basieren meist auf der Prämisse, dass ein republikanischer Präsident anderen Branchen Rückenwind verschafft als ein demokratischer Amtsinhaber. Klassischerweise gilt ein Republikaner im Oval Office etwa als vorteilhaft für den Bankensektor, denn die Grand Old Party ist nicht gerade als Freundin strikter Regulierung bekannt. Ein demokratischer Präsident soll dagegen den Konsumsektor unterstützen, dank höherer Sozialausgaben, die ärmere Bürger zum Einkaufen animieren.
Anleger können auf den Wahlsieger setzen, indem sie einzelne Branchen in ihrem Portfolio übergewichten, zum Beispiel per Sektor-ETF. Die Schweizer Privatbank Julius Bär bot zu Jahresbeginn sogar zwei fertig gepackte Wertpapierkörbe an, mit denen Investoren auf Trumps Wiederwahl oder auf einen demokratischen Gewinner wetten konnten. Der Demokraten-Korb enthielt unter anderem Schuldverschreibungen, die an US-Konsumunternehmen gebunden waren. Im Trump-Korb lagen Papiere, die an Technologie- und Finanzunternehmen gekoppelt waren.
Die Sektor-Theorie weist allerdings Lücken auf. Denn neben der Politik gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die entscheiden, ob es einer Branche gutgeht – man denke nur an den Schub, den die Covid-19-Pandemie Technologie- und Biotech-Unternehmen verschafft hat. Generell neigen Investoren dazu, die Auswirkungen der US-Wahl auf die Wall Street zu überschätzen. Das zeigt eine etwa Untersuchung der Sutor Bank.
Wahlwetten sind pure Spekulation
Experten der Hamburger Privatbank haben sich angeschaut, wie sich der US-Leitindex S&P 500 seit dem Jahr 1929 entwickelt hat, je nachdem, wer in Washington das Sagen hatte. Das Ergebnis: Im Untersuchungszeitraum haben in 44 Jahren die Republikaner den Präsidenten gestellt, in 48 Jahren die Demokraten. Unter republikanischen Präsidenten verzeichnete der US-Aktienmarkt in 30 Jahren eine positive Wertentwicklung, mit demokratischen Amtsinhabern schnitt er in 37 Jahren gut ab. „Die Auswirkungen auf die Börse im Nachgang der nächsten Präsidentschaftswahl dürften kaum spürbar sein“, so das Fazit der Sutor Bank.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt John Rekenthaler, Research-Vizechef des Fondsanalysehauses Morningstar. Er hat sich die Wertentwicklung des Dow Jones während der jeweils ersten drei Jahre Amtszeit der letzten zehn US-Präsidenten angeschaut. Eine Präferenz der Investoren für eine der beiden großen US-Parteien lässt sich daran nicht ablesen. Dominanter Effekt sei nicht die Parteizugehörigkeit des Präsidenten, sondern in welcher Zeit er amtiere, konstatiert Rekenthaler. So hatte George W. Bush das Pech, dass in seine Präsidentschaft sowohl der Niedergang der Technologieaktien fiel als auch die Finanzkrise 2008. Ursächlich Schuld daran hatte Bush wohl kaum.
Letztlich bleiben Wahlwetten pure Spekulation. Das hat eindrücklich Trumps Sieg bei der letzten Wahl bewiesen. Im Wahljahr 2016 setzten Berichten zufolge bei Leonteq, einem Schweizer Spezialisten für strukturierte Wertpapiere, rund 80 Prozent der Wettkunden auf Sieg für Hillary Clinton. Rückblickend betrachtet war das keine so gute Wahl.
Kennen Sie schon unseren Newsletter „Die Woche“ ? Jeden Freitag in ihrem Postfach – wenn Sie wollen. Hier können Sie sich anmelden