Während die Märkte schwächeln legt eine Aktie zu: Berkshire Hathaway. Warren Buffett beweist erneut, wie sehr sich die akribische Aktien-Auswahl lohnt. Und dass die großen Gewinne am Ende bei jenen hängenbleiben, die eines können: Durchhalten und Nichtstun
Inzwischen lacht keiner mehr. Vor sechs Jahren war der Spott noch groß. Da kaufte Warren Buffett, der wohl berühmteste aller Investoren und zudem einer der reichsten Männer der Welt, einen ganzen Batzen Apple-Aktien. Er stieg mit rund 36 Mrd. Dollar beim iPhone-Konzern ein. Endlich – aber ausgerechnet in dem Moment, in dem Apple veröffentlichte, dass es mit dem iPhone-Geschäft nicht mehr wirklich gut lief. Andere Großinvestoren wie Carl Icahn waren deshalb gerade ausgestiegen. Die Börsenmedien lächelten über Warren Buffett, den „alten Mann aus Omaha“. Er habe wohl irgendwie den Zug der Zeit verpasst. Und auch im Coronacrash war die Häme groß, weil Buffett den Marktabsturz eben nicht zur Schnäppchenjagd nutzte. Buffett strapazierte die Nerven durch Nichtstun.
Heute dürften sich die Kritiker wundern, wozu ältere Männer noch fähig sind und ehrfurchtsvoll auf die Aktie von Berkshire blicken. Sie legte als eines der wenigen Papiere zuletzt zu. Und zwar kräftig.
Während der breitere Markt seit Jahresbeginn fünf bis zehn Prozent verlor (je nachdem welchen Index man sich anschaut), gewann die Buffett-Aktie satte 20 Prozent an Wert. Seit Ende November hat sich der Kurs sogar um rund 34 Prozent verbessert. Und selbst der Kriegsbeginn in der Ukraine bremste den Aufstieg von Berkshire nicht, sondern schien der Aktie noch zusätzlichen Schub zu verleihen: Sie notiert jetzt bei knapp 330 Euro, Ende Februar war sie noch für 275 Euro zu haben.
Buffett ist besser als Techaktien
Zuletzt schwappte Warren Buffets Name deshalb wieder breit durch die Finanzpresse, allerdings wieder mit einem ganz anderen Tenor: Plötzlich ist er der Mann, der mit seinem Old-School-Ansatz selbst die neuen großen Stars der Szene abhängt, Cathie Wood zum Beispiel. Der gefeierte Ark-Innovation-Fund der Großinvestorin ging zuletzt auf Tauchstation. Er setzt voll auf die künftigen Wachstumsunternehmen der Technologiebranche und feierte gerade im Wiederaufschwung nach der Coronakrise irre Erfolge.
Für eine Weile galten die Techfirmen als die einzig wahren Gewinnbringer der Börse. Und als die Börsenstars der Zukunft. Doch nun hat der Wind an den Börsen gedreht. Prognostiziert hatten das etliche Investoren schon vor gut einem Jahr. Und inzwischen ist offensichtlich, dass die wachstumsstarken Growth-Aktien ihr Momentum verloren haben.
Das Value-Imperium schlägt zurück
Stattdessen schlägt nun das Value-Imperium zurück. Und genau diesen Ansatz verfolgt Warren Buffett bereits seit den 60er-Jahren. Er kauft Substanzwerte, also Aktien – oder ganze Unternehmen – die an den Börsen zwischenzeitlich unterbewertet sind. Die aber von den inneren Werten her sehr gut aufgestellt sind: Stabile Geschäftsmodelle, gute Umsätze, genügend Marge, hohe freie Cashflows und geringe Verschuldung, das sind einige der Faktoren, auf die es ihm ankommt. Und auch wenn er zuletzt noch klagte, dass es in seinen Augen keine „spannenden Unternehmen“ gebe, bei denen sich derzeit der Einstieg lohne, kaufte er doch zuletzt satt Aktien nach.
Er tat es allerdings nicht hektisch im großen Coronacrash von 2020, sondern erst gegen Ende des letzten Jahres. Und jetzt zeigt sich: Das war alles andere als eine falsche Entscheidung. Zuerst stockte Buffett sehr üppig seine Anteile am Ölkonzern Chevron auf, um rund 33 Prozent. Gut 4,5 Mrd. Dollar hat er insgesamt in den Konzern gesteckt, das ist derzeit der neuntgrößte Posten im Berkshire-Portfolio, soweit die Berichte vorliegen, also zum Stand Ende Dezember 2021. Und ausgerechnet der Ölmulti profitiert jetzt enorm von der Energiekrise, seit Kriegsausbruch noch stärker. Einen größeren Posten von Occidental Petroleum hat Berkshire überdies auch im Depot. Noch vor zwei Jahren bezeichneten Finanzanalysten diesen Anteil als „Katastrophe ohne Ende“. Auf Jahressicht hat gerade diese Aktie 120 Prozent gewonnen.
Aber nicht das kriegsbedingte Energieembargo wird jüngst Buffetts Grund gewesen sein, seine Chevron-Aktien aufzustocken. Das konnte er schließlich nicht ahnen. Er investierte vielmehr, weil der Konzern durch den Zukauf eines Explorationsunternehmens auf kurze Sicht gut aufgestellt ist und bereits ab einem Ölpreis von 45 Dollar Gewinne erzielt. Derzeit kostet das Barrel Rohöl sogar bei 101 Dollar, mehr als doppelt so viel. Mit den sprudelnden Gewinnen finanziert Chevron zudem eines: Es investiert in Wasserstoff und die Entwicklung grüner Kraftstoffe. Damit ist das Unternehmen auch langfristig gut aufgestellt, weil es sich auf das Ende der fossilen Treibstoffe vorbereitet. Für jemanden wie Buffett ist das ein klarer Kauf. Zumal die wenigsten Investoren die Energiebranche gerade in den Wirren der Coronakrise als Gewinnbringer auf ihrer Liste hatten.
Sein neuester Coup
Vor wenigen Tagen, Ende März, überraschte Buffett zudem mit einem neuen Coup: Er stieg mit rund 11 Mrd. Dollar beim amerikanischen Versicherer Alleghany ein, das war sein größter Deal seit sechs Jahren. Und er hatte sich kurz zuvor bereits beim Rückversicherer ArielRe eingekauft. Warum Versicherungen und warum gerade jetzt? Weil die Versicherer gerade von der Coronakrise arg gebeutelt wurden. Das Ausmaß an Zahlungen, das ihnen bevorstehen würde, war kaum abzuschätzen. Und die Gewinne flossen nicht unbedingt reichlich. Das prügelte ihre Aktien seitdem in den Keller.
Doch Value-Investoren wissen schon lange: Immer, wenn die Wirtschaft vom Boom in einen Abschwung und dann einen neuen Zyklus übergeht, dann sind es die Finanzwerte, die als Erste gewinnen. Zudem profitieren Versicherer von den steigenden Zinsen, die es in den USA bereits gibt. Und dort werden sie bis weit ins nächste Jahr noch enorm zulegen. Derzeit gehen Analysten von einem Zinsniveau von knapp drei Prozent in 2023 aus. Das dürfte die Aussichten der Versicherer bei Geldanlage und Gewinn deutlich steigern.
Zudem kennt Berkshire wie kaum ein anderer das Geschäft: Das Konglomerat von Buffett startete selbst als Versicherungskonzern. Heute gehören rund 50 Unternehmensbeteiligungen zum Gesamtportfolio, das besteht unter anderem aus großen Konsumunternehmen (General Motors), Bekleidungsherstellern (Fruit of the Loom), Nahrungsmittelproduzenten (KraftHeinz und Coca Cola), Batteriefirmen (Duracell), Energie- und Versorgungsunternehmen, Finanzunternehmen (AmericanExpress und Bank of America) und eben Apple.
Für Aktionäre von Berkshire heißt das: Wer die Aktie kauft, der hat im Grunde den kompletten Markt damit gekauft. Aber eben nicht den breiten Gesamtmarkt, sondern nur die besten Unternehmen. Oder jedenfalls die substanzstärksten, die Warren Buffet und sein Co-Chef Charlie Munger für die Besten halten.
Jetzt bei Berkshire einsteigen?
Sollte man also jetzt noch, trotz des arg gestiegenen Kurses auch selbst in diese Aktie einsteigen? In die Berkshire B-Aktie also, die stimmrechtslosen Anteile. Denn die A-Aktie dürfte mit einem Kurs von rund 500.000 Dollar für die allerwenigsten in Betracht kommen. Gerade sie verdeutlicht aber sehr schön, wie erfolgreich der berühmteste aller Value-Investoren bisher war – und das ist auch der Grund, weswegen Buffett keinen Aktiensplit durchführt, weil der Aktienkurs sonst nicht mehr so gut als Anschauungsmaterial taugt: Als Warren Buffett 1965 mit dem Investieren im großen Stil begann, stand die A-Aktie bei 12 Dollar. Wer damals auch nur zwei Aktien gekauft hätte, der wäre heute Millionär.
Vorausgesetzt er hätte sich nicht von den vielen Berichten der Kritiker verunsichern lassen. Auch nicht 2008, nicht 2016 und schon gar nicht 2020, als es hieß: Berkshire sei auf dem absteigenden Ast. Der Kurs hinkte tatsächlich den gängigen Indizes seit einer Weile hinterher. Das Vertrauen vieler Anleger war dahin, damals verkauften etliche Investoren ihre Papiere. Sie werden sich seitdem in den Allerwertesten gebissen haben. Denn Buffets Aktie hängte seitdem selbst den Wachstumsindex MSCI Growth ab. Daher sollte jedem, der jetzt überlegt in diese Aktie einzusteigen, eines klar sein: Er sollte mit dem Aktienkauf dasselbe Ziel verfolgen wie Buffett selbst. Er sollte das Papier kaufen – und halten. Denn nur dann ergeben Value-Aktien langfristig Sinn.
Die Langfristbilanz
Erst auf lange Sicht nämlich wird Buffetts Bilanz noch beeindruckender: Seit der Finanzkrise 2008 gewann der weltweite MSCI World rund 100 Prozent hinzu, er verdoppelte sich also. Sie glauben, das sei gut? Der MSCI Value Index (also die Substanzwerte) legte sogar 185 Prozent drauf. Und der MSCI World Growth gewann stolze 300 Prozent. Und Berkshire? Schaffte in derselben Zeit eine Performance von 500 Prozent. Noch Fragen?
Ach ja, eine noch: Was wurde in derselben Zeit nun eigentlich aus der Apple-Aktie? Die lief zunächst irgendwo zwischen all diesen Indizes mit, ohne groß herauszustechen. Aber ab 2020 dann startete sie durch wie eine Rakete. Das Aktienpaket, das Buffett vor sechs Jahren für 36 Mrd. Dollar kaufte, ist heute 157 Mrd. Dollar wert. Es hat sich verfünffacht und macht knapp die Hälfte des Berkshire-Portfolios aus. Allein die Apple-Aktien werfen Jahr für Jahr allein rund 775 Mio. Dollar Dividende für Berkshire ab. Sie füllen die Kasse, mit der Buffett neue Unternehmensanteile kaufen kann.