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Entscheidung naht Volkswagen: Harter Kompromiss oder harter Cut?

In Wolfsburg zeichnet sich eine Entscheidung rund um den Jobkampf ab
In Wolfsburg zeichnet sich eine Entscheidung rund um den Jobkampf ab
© Future Image / IMAGO
Das Management, die Familien Porsche und Piëch – auch Branchenexperten drängen darauf, einzelne VW-Fabriken in Deutschland dichtzumachen. Für die Arbeitnehmerseite wäre damit eine rote Linie überschritten

In den zähen Tarifverhandlungen bei der Marke VW deutet sich eine Einigung an. Nach Informationen der Finanznachrichtenagentur Bloomberg könnte der Kompromiss ohne Werksschließungen auskommen. Das berichten mit der Angelegenheit vertraute Personen. Dabei hatten die Eignerfamilien Porsche/Piëch genau darauf gedrängt, um den Autobauer langfristig wettbewerbsfähig zu machen. Das hatte am Mittwoch die „Financial Times“ unter Berufung auf eine ebenfalls anonyme Quelle gemeldet, die über die jüngsten Aufsichtsratssitzungen informiert ist.

Doch nach aktuellem Stand der Verhandlungen wäre das Management laut dem Bloomberg-Bericht bereit, auf Fabrikschließungen und Entlassungen zu verzichten und die Beschäftigungssicherung wiederherzustellen, wenn im Gegenzug die Arbeitnehmer auf Bonuszahlungen verzichten. Im Gespräch sind demnach zudem die Verlagerung der Golf-Produktion von Wolfsburg nach Mexiko und ein Ende der Produktion von elektrischen Volkswagen in Zwickau. Dort baut der Konzern auch Modelle von Audi und Cupra sowie Luxuskarosserien.

Die Verhandlungen gehen seit dem Vormittag weiter - nach bereits zwei Nachtsitzungen in Folge. „Nach den inzwischen gut 50 Stunden sind in Teilbereichen viele Fortschritte erzielt worden, bei anderen Aspekten liegen die Verhandlungspartner aber auch immer noch auseinander“, sagte ein IG-Metall-Sprecher. Eines aber steht fest: Beiden Seiten liegt viel an einer schnellen Einigung, am besten vor Weihnachten, um Klarheit zu schaffen. Das Unternehmen fürchtet neben teuren Streiks ab Januar eine zusätzliche Milliarden-Belastung, weil ohne Einigung ein Schattentarifvertrag in Kraft treten würde. IG Metall und Betriebsrat wollen die Beschäftigten nicht in Angst um ihren Arbeitsplatz in die Feiertage schicken.

Schützenhilfe aus der Politik - gegen Expertenrat

Werksschließungen sind für die Arbeitnehmerseite eine rote Linie, ebenso wie betriebsbedingte Kündigungen und dauerhafte Tarifeinschnitte. Falls sich das Management nicht darauf einlässt, werden die Beschäftigten mit weitreichenden Arbeitsniederlegungen antworten. Bisher gab es nur stundenlange Warnstreiks.

VW ist geradezu berühmt für seine gut bezahltenund vor allem sicheren Arbeitsplätze, Fabrikschließungen in Deutschland wären ein Novum. Ein entsprechender Kompromiss ist angesichts der einflussreichen Arbeitnehmervertreter sowie der Unternehmensanteile des Landes Niedersachsen wahrscheinlich. Auch auf bundespolitischer Ebene stoßen Schließungen auf Widerstand, selbst Kanzler Olaf Scholz hat sich dagegen ausgesprochen. Seine SPD-Parteifreunde in der niedersächsischen Landesregierung werden sich insbesondere im laufenden Bundestags-Wahlkampf mit aller Macht gegen den Verlust von Arbeitsplätzen stemmen.

Branchenexperten befürchten, dass es am Ende auf große Zugeständnisse an die Arbeitnehmerseite hinausläuft, obwohl bei dem kriselnden Autobauer aus ihrer Sicht ein groß angelegter Stellenabbau samt Schließung einzelner, nicht ausgelasteter Werke nötig wäre. Stefan Bratzel, der das Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach leitet, hatte im Gespräch mit ntv.de gesagt, dass sich Volkswagens Kosten in Deutschland nicht so stark senken lassen, dass alle Werke wettbewerbsfähig würden. Die Fabriken in Tschechien, der Slowakei und Spanien stünden deutlich besser da. Bratzel schätzt die Überkapazitäten in Deutschland auf ein Drittel - um erfolgreich zu sein, sei eine Auslastung der Werke von 80 Prozent nötig.

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.

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