Anzeige

Bernd Ziesemer Warum die VW-Aktie einen Porsche-Piech-Abschlag hat

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Deutschlands größter Autohersteller entwickelt sich an der Börse immer mehr zu einem kleinen Licht. Eine Trendwende ist nicht in Sicht

Hans Dieter Pötsch, der Aufsichtsratschef des VW-Konzerns, beklagt die „massive Unterbewertung“ seiner Aktie. Mit ihrem Kurs seien die Besitzer „nicht zufrieden“, erklärte der Österreicher letzte Woche bei einer Telefonkonferenz. Wie könnten sie auch: Als einziger globaler Autohersteller verzeichnete Volkswagen in den letzten zwölf Monaten ein Minus an der Börse – rund fünf Prozent. 

Alle Wettbewerber schnitten besser ab: Die Aktien von Toyota stiegen gleichzeitig um 87 Prozent, die von Stellantis um 67 Prozent. BMW lieferte seinen Aktionären immerhin noch ein Plus von sechs Prozent ab, Mercedes von drei Prozent. Selbst der chinesische Konzern BYD, der mit heimischen Problemen zu kämpfen hat und im Ausland bisher so gut wie kein Geld verdient, verzeichnete in den letzten zwölf Monaten sechs Prozent Kurswachstum. Besonders peinlich fällt für VW der Vergleich mit dem Dax40-Index aus, der in diesem Zeitraum 20 Prozent Plus machte.

Man kann sich allerdings nur wundern, dass sich Pötsch öffentlich darüber wundert. Denn sein Aufsichtsrat gehört zu den Hauptschuldigen für die schlechte Entwicklung des Konzerns. Dort regieren die alten Herren des Porsche-Piech-Clans mit seiner Hilfe nach Gutsherrenart. Der 82-jährige Hans Michel Piech will im Mai auf der Hauptversammlung von VW erneut in den Aufsichtsrat einrücken, wo sein 80-jähriger Cousin Wolfgang Porsche auch weitermachen will bisher. Die Altersgrenze von 75 Jahren ignorieren die Wortführer des Clans, der über die Mehrheit der Aktien verfügt. Und auch sonst scheren sie sich nicht um die allgemein akzeptierten Grundsätze guter Unternehmensführung.

Nichtmal der Dieselskandal brachte Veränderung

Für viele Investoren und Fonds, die auf Corporate Governance Wert legen, kommt ein Kauf von VW-Aktien nicht in Frage. Das gilt vor allem für angelsächsische Akteure, zunehmend aber auch für deutsche. Die internationalen Stimmrechtsberater rügen seit 20 Jahren das Gebaren des Konzerns – etwa die Überschneidungen unter den Top-Managern, die völlig intransparenten Entscheidungswege und die Verlagerung der Macht aus den offiziellen Gremien. Auf dem Höhepunkt der Dieselbetrugsaffäre sah es für einen kurzen Moment der Zerknirschung so aus, als ob der Clan daran etwas ändern könnte. Doch diese Hoffnung war vergeblich.

Bei der Entwicklung der VW-Aktie muss man deshalb von einem Porsche-Piech-Abschlag ausgehen. Der Konzern kämpft nicht nur mit den allgemeinen Problemen der Autobranche, den Unwägbarkeiten der Umstellung auf die Elektromobilität, dem wachsenden Druck der vielen neuen chinesischen Konkurrenten und seiner angeschlagenen Finanzkraft. Er kämpft auch mit dem Starrsinn seiner eigenen Eigentümer.

Und selbst, wenn die alten Herren einmal nicht mehr können, ändert sich wahrscheinlich nichts. Schon rücken die Lieblingskinder der Senioren in die Schaltstellen der Macht auf – ohne jegliche Erfahrung und Sachkenntnis. Sophie Piech, die Tochter Hans Michels, wechselte im vergangenen Jahr im jugendlichen Alter von 29 Jahren direkt von der Universität und frisch vom Wiener Debütantinnenball in den Aufsichtsrat der Porsche SE, die alle VW-Aktien der Familie verwaltet. Vielleicht wundert sich sogar der treue Gefolgsmann Pötsch darüber im Geheimen etwas – wir wissen es nicht.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel