Der rechteckige Klotz mit der Natursteinfassade im Zentrum von Espelkamp ist in die Jahre gekommen, darüber können auch die Buntglasfenster nicht hinwegtäuschen, die das Treppenhaus in schummriges Licht tauchen. Veraltete Rohre, Baumängel, kein Brandschutzkonzept – wenn es nach Bürgermeister Henning Vieker geht, würde das Rathaus aus den 60er-Jahren bald abgerissen werden. Doch das könnte noch eine ganze Weile dauern. Die Stadt ist klamm.
Überraschend eigentlich. Lange ging es Espelkamp, einem 25 000-Einwohner-Ort auf halbem Weg von Hannover nach Osnabrück, finanziell gut: Elektroindustrie, Maschinen-, Automaten- und Anlagenbau, insgesamt mehr als 12.000 Arbeitsplätze; viele kleine Unternehmen und gleich zwei mit Milliardenumsatz – die Technologiegruppe Harting und der Glücksspielkonzern Merkur. Noch 2021 verfügte die Stadt nach eigenen Angaben über eine „stabile Finanzbasis“.
Doch das war einmal. Espelkamp muss sparen, dabei ist die Sporthalle marode, die Grundschule braucht eine Mensa, auf den Sportplätzen gehen die Flutlichter aus. Geld, um all das zu beheben, fehlt. Wie es so weit kommen konnte? Klar, sagt Bürgermeister Vieker, einerseits hätten Pandemie und die Folgen des Ukrainekriegs ein Loch in die Stadtkasse gerissen, dazu kam eine große Gewerbesteuerrückzahlung. Andererseits aber kommt auch schlicht weniger rein als früher. Die Gewerbesteuer – Haupteinnahmequelle der Kommunen – sprudelt längst nicht mehr so wie früher: gestiegene Preise, gesunkene Nachfrage, die Gründe kennt man auch anderswo. Blickt man jedoch tiefer in die 1 123 Seiten der städtischen Finanzplanung, findet sich ein weiterer: die Tatsache, „dass einige größere Gewerbesteuerzahler seit dem Jahr 2020 sogenannte Steueroptimierungsmodelle anwenden“.