Seit Jahren streiten Verbraucherschützer mit Sparkassen und Volksbanken vor Gericht über Nachzahlungen wegen unwirksamer Zinsklauseln bei Prämiensparverträgen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun in einem Urteil erstmals einen Referenzzins für die Nachberechnung der Zinsen bestätigt.
Konkret ging es um zwei Entscheidungen der Oberlandesgerichte Naumburg und Dresden, die eine Zinsberechnung auf Grundlage der Umlaufrendite börsennotierter Bundesanleihen mit acht bis 15 Jahren Restlaufzeit festgelegt hatten. Der Referenzzinssatz habe der Überprüfung des BGH standgehalten, so der Senat.
Bei Prämiensparverträgen erhalten Sparerinnen und Sparer zusätzlich zum variablen Zins eine meist nach Vertragslaufzeit gestaffelte Prämie. Je länger regelmäßige Sparbeiträge eingehen, umso höher fällt die Prämie aus. Solche Sparverträge wurden in den 1990er und Anfang der 2000er Jahre vertrieben – vor allem von Sparkassen („Vorsorgesparen“, „Vermögensplan“), aber auch von Volks- und Raiffeisenbanken („Bonusplan“, „VRZukunft“).
Zinsen nicht nach Belieben änderbar
Viele dieser Verträge enthalten dabei Klauseln, die Geldhäusern einseitig das Recht einräumen, die zugesicherte Verzinsung nach Belieben zu ändern. Die Bank konnte den Zins so zum eigenen Vorteil anpassen, also verringern. Der BGH erklärte das bereits vor 20 Jahren für rechtswidrig. Wie die Zinsen für diese Produkte stattdessen zu berechnen sind, war bisher aber nicht höchstrichterlich geklärt.
Das wollten die Verbraucherzentralen ändern. Da der von den Oberlandesgerichten festgelegte Referenzzinssatz ihnen nicht ausreichte, legten sie gegen die entsprechenden Entscheidungen Revision ein. Sie wollten vom BGH stattdessen feststellen lassen, dass die Zinsen auf Basis der letzten zehn Jahre von Umlaufrenditen inländischer Hypothekenpfandbriefe mit einer garantierten Restlaufzeit von zehn Jahren berechnet werden. Sie forderten zudem gleitende Durchschnittswerte. Der BGH lehnte dies wie schon die Vorinstanzen am Dienstag ab. Es bleibt also vorerst unklar, wie viel Geld Bankkunden genau zusteht.
Der Elfte Zivilsenat in Karlsruhe fand keinen Grund, den von den Oberlandesgerichten herangezogenen Referenzzinssatz zu beanstanden. Die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere mit acht bis 15 Jahren Restlaufzeit als Grundlage entspreche den Anforderungen an Referenzzinssätze, erklärte der Vorsitzende Richter, Jürgen Ellenberger. Der Zinssatz begünstige weder Sparer noch die beklagten Sparkassen. Er spiegele zudem die jeweils aktuellen Zinsen am risikolosen Kapitalmarkt wider.
Sparkassen sollen tätig werden – Bafin prüft Maßnahmen
Trotz der zurückgewiesenen Revision zeigten sich die Verbraucherverbände nach dem Urteil positiv gestimmt. Es sei ein guter Tag für geprellte Prämiensparer, kommentierte die Vorständin des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Ramona Pop. „Der Bundesgerichtshof hat einen Maßstab festgelegt, wie Sparkassen falsch berechnete Verträge neu berechnen müssen.“ Nun müssten die Sparkassen tätig werden und Entschädigungen in die Wege leiten.
Auch die Finanzaufsicht Bafin begrüßte das BGH-Urteil. „Die endgültigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind eine wichtige Klarstellung für den kollektiven Verbraucherschutz“, sagte Bafin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch. „Wir werden jetzt die Urteilsgründe auswerten und prüfen, ob wir als Aufsicht weitere Maßnahmen ergreifen.“
Bindend ist das Urteil im juristischen Sinn nur für die beiden beklagten Sparkassen. Da es sich aber um Standardprodukte der Sparkassen handelt, könnten die Festlegungen des Gerichts aus Sicht der Verbraucherzentrale inhaltlich auch für Prämiensparverträge anderer Sparkassen gelten. Der Bundesgerichtshof ließ offen, ob auch andere Referenzzinssätze für die Zinsanpassungen infrage kämen.
Was ist ein Prämiensparvertrag?
Sparerinnen und Sparer erhalten bei diesem Produkt zusätzlich zum variablen Zins eine Prämie, die meist nach Vertragslaufzeit gestaffelt ist. Je länger regelmäßige Sparbeiträge eingehen, umso höher fällt die Prämie aus.
Warum sind Prämiensparverträge umstritten?
In vielen dieser Verträge gibt es Klauseln, die Geldhäusern einseitig das Recht einräumen, die zugesicherte Verzinsung zu ändern – etwa: „Der jeweils gültige Zinssatz wird durch Aushang bekanntgegeben.“ Die Bank konnte den Zins so zum eigenen Vorteil anpassen. Anhand der Prüfung Tausender Verträge kamen Verbraucherzentralen zu dem Ergebnis, dass Sparer deswegen im Schnitt etwa 4000 Euro zu wenig Zinsen erhalten haben.
Wie viele Kunden sind betroffen?
Im Jahr 2021 gab es etwa 1,1 Millionen Prämiensparverträge in Deutschland, aktuellere Zahlen liegen der Finanzaufsicht Bafin nicht vor. Seither dürfte die Zahl deutlich gesunken sein, weil Institute – soweit rechtlich möglich – teilweise ganze Vertragsjahrgänge kündigten. Bei laufenden Verträgen fließen Zinsnachzahlungen nicht automatisch. Verbraucherzentralen machen seit Jahren mit Musterfeststellungsklagen Druck. Allein die Verbraucherzentrale Sachsen führt neun solcher Verfahren, denen sich 6000 Verbraucher angeschlossen haben.
Dürfen Geldhäuser Prämiensparverträge kündigen?
„Je länger Sie sparen, desto höher steigt Ihre Prämie“, so warben einst Sparkassen für Produkte wie das „S-Prämiensparen flexibel“. Und versprachen: „Sie alleine bestimmen, wie lange Sie sparen wollen.“ Doch in der Niedrigzinsphase, die erst im Sommer 2022 endete, versuchten viele Institute, sich der Altverträge zu entledigen. Denn weil viele Sparerinnen und Sparer schon seit Jahren einzahlen, stehen ihnen vergleichsweise hohe jährliche Prämien zu. Das war für die Institute gerade in Zeiten von Null- und Negativzinsen teuer.
Auch der Streit um Kündigungen von Prämiensparverträgen ging bis vor den BGH. Der entschied im Mai 2019: „Der Sparvertrag darf nicht vor Erreichen der höchsten Prämienstufe gekündigt werden.“ Sparer müssen die maximal mögliche Prämie also mindestens einmal mitnehmen dürfen. Danach läuft der Vertrag zwar weiter, kann aber jederzeit einseitig gekündigt werden.