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Geht er 2024 oder 2025? Polymarket-User wetten mehr als 130.000 Dollar auf Scholz' Rücktritt

Bundeskanzler Olaf Scholz vor Schloss Bellevue: Auf sein Verbleib im Amt laufen Wetten
Muss Scholz noch dieses Jahr sein Amt als Bundeskanzler niederlegen? Darauf wetten Nutzer einer Wettbörse
© Metodi Popow / IMAGO
Sie sagten den US-Wahlausgang genauer voraus als Umfragen: Nutzer hatten bei Wettbörsen Milliarden auf Trump gesetzt. Jetzt wetten sie auf Olaf Scholz

Bei der US-Wahl waren sie ein Phänomen: Auf Prognosemärkten wie Kalshi, Manifold und Predictit konnten Nutzerinnen und Nutzer darauf wetten, wer ins Weiße Haus einzieht. Während Wahlumfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Präsidentschaftskandidaten voraussagten, prognostizierten Wettbörsen schon Tage vor der Wahl, dass Donald Trump siegen würde – und lagen damit richtig. Jetzt mischt eine Wettbörse auch in der deutschen Politik mit: Beim größten und bekanntesten Wettanbieter Polymarket läuft seit September eine Abstimmung über Olaf Scholz‘ Verbleib als Bundeskanzler.

„Fliegt Scholz noch 2024 als Bundeskanzler raus?“, lautet die Umfrage auf Polymarket. Aktuell gehen zehn Prozent der Wetten davon aus, dass Scholz noch bis Ende Dezember zurücktreten wird. Die anderen 90 Prozent setzen darauf, dass er erst 2025 seinen Posten räumt. Die Quote spiegelt dabei die Einsätze der Wettteilnehmerinnen und Wettteilnehmer wider. 

Im Gewinntopf über Scholz‘ Verbleib im Amt lagen am Donnerstag, dem Tag nachdem das Ampel-Aus bekannt wurde, bei mehr als 118.000 US-Dollar. Am Freitagmorgen waren schon fast 136.000 Dollar im Topf. Das ist zwar verschwindend gering im Vergleich zu den 3,2 Mrd. Dollar, die Teilnehmer bei der Frage nach dem US-Wahlsieger einsetzen, zeigt aber doch, dass auch in Deutschland die Lust an Ereigniswetten wächst.

So funktionieren kryptobasierte Wettbörsen

Polymarket und vergleichbare Prognosemärkte basieren auf der Blockchain-Technologie und funktionieren so: Die Plattformen ermöglichen es Nutzern, auf den Ausgang künftiger Ereignisse zu tippen. Wahlausgänge und Sportevents sind dabei besonders beliebt. Aktuell wetten Nutzer etwa auf den nächsten Super Bowl Champion, wie häufig die US-Notenbank Fed dieses Jahr die Zinsen senken wird, auf den Bitcoin-Preis im November und ob sich US-Popstar Taylor Swift noch 2024 verlobt. 

Für jedes spezifische Ereignis, auf das gewettet werden soll, wird ein Markt eröffnet. Alle, die an einem Markt mittippen wollen, können Anteile für den vermuteten Ausgang des Ereignisses kaufen. Der Preis eines Anteils liegt zwischen 0,01 und 1,00 US-Dollar und spiegelt die aktuelle Marktmeinung wider, also wie wahrscheinlich die Nutzerinnen und Nutzer damit rechnen, dass das Ereignis eintreten wird. Transaktionen auf Polymarket werden in USDC, einem Stablecoin, der an den US-Dollar gekoppelt ist, durchgeführt.

Wer ein Gebot abgibt, treibt den Preis der jeweiligen Wette – oder die vermutete Wahrscheinlichkeit, dass das Ereignis eintritt – in die Höhe. Die Preise steigen und sinken also je nach Angebot und Nachfrage, ähnlich wie an der Börse. Wer zum Beispiel jetzt darauf wettet, dass Olaf Scholz noch dieses Jahr als Bundeskanzler aufgeben muss, zahlt dafür 10 Cent – der Markt sieht momentan also eine 10-prozentige Wahrscheinlichkeit dafür. Tritt Kanzler Scholz tatsächlich bis Jahresende zurück, schließt der Markt und man bekommt je Wettanteil einen US-Dollar zurück; rettet sich Kanzler Scholz noch ins nächste Jahr, lag man mit der Prognose falsch und bekommt nichts, der Wetteinsatz ist verloren. 

Nutzer müssen aber nicht warten, bis ein Markt schließt, sondern können ihre Anteile auch verkaufen, während die Abstimmung noch läuft und die Preise schwanken – so lassen sich potenzielle Gewinne mitnehmen oder Verluste eingrenzen. Anders als bei Sportwetten wetten Nutzerinnen und Nutzer nicht gegen den Anbieter: Die Gegenpartei eines jeden Handels ist ein anderer Polymarket-Nutzer.

6800 US-Dollar für Scholz‘ Verbleib im Amt 

Für jede Wette führt Polymarket ein Orderbuch, das zeigt, welcher Nutzer wann wie viele Anteile an einer Umfrage gekauft hat. Den größten Einsatz bei der Frage, ob Scholz im Jahr 2024 aus dem Amt fliegt, hat bislang ein Nutzer mit dem Namen „Kapii“ getätigt: Er glaubt an Scholz‘ Durchhaltevermögen und hat über 7500 „Nein“-Anteile zum Wert von durchschnittlich 90 Cent das Stück gekauft, insgesamt beträgt sein Wetteinsatz ungefähr 6800 Dollar. Behält er mit seiner Vermutung recht, würde er für die Anteile mehr als 7500 Dollar zurückerhalten – ein Gewinn von etwa 700 Dollar.

Höhere Gewinnaussichten hat Nutzer „Choosedisplayname2“: Seine 4419 „Ja“-Anteile kosteten ihn 441 Dollar. Fliegt Scholz noch 2024 aus dem Amt, bekommt der Nutzer aber für jeden Anteil einen Dollar zurück und könnte so fast 4000 Dollar Plus machen.

In der Kommentarspalte unter der Scholz-Abstimmung diskutieren Polymarket-Nutzerinnen und -Nutzer über den Ausgang der Umfrage, ob Scholz die Vertrauensfrage vielleicht schneller stellt als bisher angekündigt und teilen Links zur aktuellen Berichterstattung. Weil neue Informationen in Echtzeit in die Wetten einfließen können, seien die Prognosen schnell und präzise, so Befürworter der Prognoseplattformen. 

Sind Wettmärkte die besseren Umfragen?

Viele Teilnehmer halten die Wettmärkte den klassischen Wahl- und Meinungsumfragen für überlegen. Aufgrund des persönlichen Investments würden Wettspieler ihre Meinung aufrichtiger teilen als bei Umfragen. Letztere können nur eine Momentaufnahme der politischen oder gesellschaftlichen Stimmung darstellen, weil Meinungsforschungsinstitute Präferenzen für oder gegen das Eintreten eines bestimmten Ereignisses zu einem bestimmten Zeitpunkt erfassen – und die Befragten sich noch anders entscheiden könnten. Umfrageergebnisse unterliegen deshalb häufig starken Schwankungen. 

Doch es gibt auch Kritik: Hohe Gewinnaussichten könnten Teilnehmende zum Zocken verleiten. Außerdem gelten die Wettbörsen als manipulationsanfällig. Einzelpersonen könnten etwa die öffentliche Meinung beeinflussen und verzerren, indem sie einen großen Betrag auf den von ihnen bevorzugten Ausgang einer Frage setzen. So war die Kryptoplattform Polymarket zuletzt in die Schlagzeilen geraten, weil ein französischer Nutzer mehr als 30 Mio. Dollar auf einen Trump-Sieg gewettet hatte. Und: Nach nationalen Vorgaben kann das Wetten auf Prognosemärkten illegal sein wie etwa in den USA. Polymarket umgeht dies, indem es als Offshore-Plattform agiert und somit zumindest derzeit nicht den US-Regulierungen unterliegt.

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