Der Smartphone-Broker Robinhood legt am heutigen Donnerstag sein Debüt an der New Yorker Tech-Börse Nasdaq hin. Obwohl der IPO bereits lange im Voraus groß angepriesen wurde, scheinen die Investoren nun doch etwas zu zögern: Unter dem Kürzel HOOD setzte das Fintech seinen Emissionspreis kurz vor Börsenstart bei 38 Dollar am unteren Ende der ursprünglich anvisierten Preisspanne an.
Damit wird das Unternehmen mit 32 Mrd. Dollar bewertet. Laut Börsenprospekt wurden bis zu 42 Dollar das Stück anvisiert, was einer Bewertung in der Spitze von 35 Mrd. Dollar entsprochen hätte – womöglich zu ambitioniert. Bei seiner außerbörslichen Finanzierungsrunde im Februar kam der Neobroker immerhin auf 30 Mrd. Dollar. Nichtsdestotrotz wird es einer der größten Börsengänge im rekordträchtigen 2021: 113 Börsenneulinge konnten von April bis Juni gut 40 Mrd. US-Dollar an frischem Geld einsammeln – das stärkste Quartal am US-amerikanischen IPO-Markt seit mehr als 20 Jahren.
Der Milliardenerlös durch den Verkauf der HOOD-Aktien soll nach eigenen Angaben dafür genutzt werden, Steuerschulden zu begleichen, das Betriebskapital aufzustocken und Investitionsausgaben zu finanzieren. Dass Robinhood die Finanzspritze darüber hinaus gut gebrauchen kann, zeigte schon das erste Quartal 2021, als der Neobroker trotz Erlösen von über 522 Mio. US-Dollar einen Verlust von 1,4 Milliarden verkraften musste. Zudem gibt es jede Menge rechtliche Konflikte: Wegen Intransparenz beim Geschäftsmodell, angeblicher Irreführung von Kunden und zu laschen Kontrollen musste die Plattform Bußgelder und Vergleichszahlungen an die US-Finanzaufsicht Finra und die US-Börsenaufsicht SEC in Kauf nehmen. Das Geschäftsmodell des Brokers, der seinen Kunden den gebührenfreien Handel mit aller Art von Finanzinstrumenten erlaubt, basiert zu einem beträchtlichen Teil auf dem Verkauf von Nutzerdaten.
Gründer behalten die Mehrheit
Angesichts all dessen dürfte sich das große Interesse am Börsengang vor allem vom rasanten Wachstum des Billig-Brokers speisen: Die Zahl der Kundenkonten nahm im vergangenen Jahr um 143 Prozent zu. Ende März 2021 zählte der Broker 18 Millionen Nutzer und verwaltete Kundengelder in Höhe von 81 Mrd. Dollar. Die Trading App profitierte von gleich mehreren Faktoren: Einerseits begannen überdurchschnittlich viele Menschen in der Coronakrise damit, sich am Kapitalmarkt zu engagieren – und Robinhood lockte mit „kinderleichten“ Zugängen. Zudem gab es unter Privatanlegern eine ganze Reihe an Aktien-Hypes rund um Titel wie Gamestop und AMC, die Neobroker wie Robinhood mit ermöglicht hatten.
Insgesamt werden heute 55 Millionen Anteilsscheine angeboten. 2,6 Millionen davon kommen von Altaktionären. Die Mehrheit bleibt weiterhin in den Händen der beiden Gründer Baiju Bhatt (39 Prozent) und Vlad Tenev (26,2 Prozent). Entsprechend der selbsternannten Unternehmensmission, die Finanzwelt zu demokratisieren, wollte Robinhood insbesondere Kleinanlegern ermöglichen, sich an seinem Listing zu beteiligen. Dementsprechend waren laut Wall Street Journal bis zu 35 Prozent der Aktien für sie reserviert. IPOs zielen typischerweise auf institutionelle Investoren ab, die Anteile im Wert von mehreren Hundertmillionen US-Dollar kaufen können und einen tendenziell langfristigen Anlagehorizont haben. Börsenaspiranten versprechen sich von einer solchen Eigentümerstruktur eine stabile Kursentwicklung. Jene Papiere, die nicht von Großinvestoren gehalten werden, sondern für das breite Publikum frei handelbar sind, zählen zum sogenannten Free Float, auch Streubesitz genannt. Im Falle von HOOD wurden privaten Interessenten Anteile zum Erstausgabepreis direkt über die App zugeteilt.
Wie es für alle jene, die beim Börsenstart heute als erste dabei sind, weitergehen wird, bleibt abzuwarten. Dass hohe Erwartungen schnell mal enttäuscht werden können, hat erst kürzlich der ebenso hoch angepriesene Börsengang von Coinbase gezeigt: Die Aktien der größten amerikanischen Kryptobörse starteten mit 381 Dollar um ganze 52 Prozent über den anfänglichen Einschätzungen in den Handel. Der IPO-Pop erreichte nach wenigen Minuten 422 Dollar, danach brachen die Papiere ein und notierten mit 328 Dollar deutlich unter dem Emissionspreis. Seither befindet sich die Aktie auf Talfahrt und hat rund 30 Prozent eingebüßt.