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Kolumne Reicher Mann und armer Mann

Christoph Bruns
Christoph Bruns
© Lyndon French
Deutschland rutscht international immer mehr in die Mittelmäßigkeit. Die Politik könnte das ändern, doch dazu müsste sie endlich wieder die Wohlstandsgenerierung ihrer Bürger zur Priorität erklären


Berthold Brecht, der große Dramatiker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hat der Nachwelt ein Gedicht hinterlassen, dass bis heute mit Inbrunst zum Besten gegeben wird, wenn es gilt, die Schuldigen für finanziell misslingende Lebensläufe zu benennen. Es lautet:

„Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an.
Und der Arme sagte bleich:
Wär’ ich nicht arm, wärst Du nicht reich.“

Doch bei aller Großartigkeit des dichterischen Elementes fehlt es den Strophen an der wesentlichen Zutat: Wahrheit.

Brecht geht nämlich von der Prämisse aus, dass Wirtschaft ein Nullsummenspiel ist. Das was der eine hat, muss der andere entbehren. Und was dieser gewinnt, muss jener verlieren. Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus. Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel, sondern Wirtschaftswachstum sorgt dafür, dass der gesamte Kuchen stetig größer wird.

Davon kann sich jeder Einzelne unmittelbar überzeugen, indem er oder sie darüber nachdenkt, was heute zum Lebensstandard gehört und wie es – sagen wir – vor 30 oder 50 Jahren war. Man denke etwa an die leistungsfähigen Taschencomputer namens Smartphone, die heutzutage zur Standardausstattung der Menschen zählen.

Ein Ruck durch die deutsche Politik

Wohlstandsermöglichung und Armutsbekämpfung sind zentrale staatliche Anliegen. Dabei ist die Partizipation der Bürger an der Wertschöpfung der Wirtschaft von herausgehobener Wichtigkeit. Miteigentum am Produktivvermögen ist wünschenswert und durch Aktienfonds bequem, günstig und bereits mit kleinen Ansparbeträgen realisierbar.

Es muss einen Ruck in der deutschen Politik geben, um Wohlstandsgenerierung und –teilhabe wieder zu priorisieren. Ich empfehle den Lesern die Ruck-Rede des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog aus dem Jahr 1997 nachzuhören.

Dem weiteren Abrutschen Deutschlands in die internationale Mittelmäßigkeit muss Einhalt geboten werden. Das geringe Potenzialwachstum der deutschen Wirtschaft, die weit unterdurchschnittliche Vermögensbildung der Bevölkerung, die teilweise Aussetzung der grundgesetzlichen Grundrechte, der beklagenswerte Zustand der Bundeswehr und auch das Durchreichen deutscher Sportler und Teams (Fußball-EM, Olympia, etc.) sind einige erkennbare Zeichen unkluger Weichenstellungen in der Vergangenheit.

Täuschen wir uns nicht. Die nach Auskunft der EZB trotz deutlicher Geldentwertung notwendige Dauernullzinspolitik ist ebenfalls klarer Beleg einer säkularen Stagnation, wie sie Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz benannt hat.

Als Irrweg erweist sich indes der Glaube, deutscher Moralismus könnte als Exportschlager den Wohlstand von Morgen erzeugen. Mit Blick auf die drei Anwärter für das Kanzleramt keimt wenig Hoffnung auf marktwirtschaftliche Reformen und Entbürokratisierung auf. Demografie, Selbstgerechtigkeit und Ideologie sorgen für fehlenden Aufbruchsgeist.

Christoph Bruns ist Fondsmanager, Vorstand und Hauptaktionär der Fondsgesellschaft Loys AG. Hier finden Sie weitere Kolumnen von Christoph Bruns

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