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Payment for Order Flow Robo-Advisor Growney: „Ein PFOF-Verbot wird zum Wohle des Kunden sein“

Ein Smartphone mit aktuellen Börsenkursen
Das Gebührenmodell „Payment For Order Flow“ soll ab 2026 in der EU verboten sein, was vor allem Neobroker betrifft
© picture alliance / NurPhoto | Jaap Arriens
Die EU will ab 2026 das Gebührenmodell „Payment For Order Flow“ verbieten. Gut so, sagt Thimm Blickensdorf vom digitalen Vermögensverwalter Growney – und stellt sich damit gegen seine Branche

Capital: Herr Blickensdorf, viele Fintechs und Neobroker sind wegen des geplanten EU-Verbots der „Payment For Order Flow“ (PFOF) auf den Barrikaden und fürchten um ihre Existenz. Sie auch?
THIMM BLICKENSDORF: Nein, gar nicht. Wir sind ein digitaler Vermögensverwalter, unser Geschäftsmodell sieht anders aus. Neobroker wickeln die Wertpapieraufträge ihrer Kunden über feste Handelspartner ab und bekommen dafür von diesen Partnern Geld. Das heißt, die Broker verlangen zwar vom Kunden selbst keine oder nur eine geringe Gebühr pro Order, nehmen aber für die Abwicklung über den exklusiven Handelspartner eine Rückvergütung ein.

Dass Neobroker Geld verdienen wollen, ist ja aber nichts Verwerfliches. Was kritisieren Sie konkret am System PFOF?
Es ist undurchsichtig für Verbraucher und überhaupt nicht transparent. Ich wüsste nicht, wo man beim Handeln über solche Broker hätte sehen können, dass sie eine Rückvergütung für einen Wertpapierauftrag bekommen. Das kritisiere ich stark. Die Broker hätten damit ja ganz transparent umgehen und sagen können: ‚Das ist unser Geschäftsmodell, wir verkaufen die Orders und dafür bekommen wir Geld‘. Das haben sie nicht getan, weshalb jetzt die Europäische Union einschreitet. Anstatt das einzusehen, stellen sich viele Broker seither als Opfer hin und sagen ‚Wir werden durch das Verbot benachteiligt und die Aktienkultur geht kaputt.‘ Das stimmt nicht.

Diplom-Betriebswirt Thimm Blickensdorf ist seit 2020 in der Geschäftsleitung des digitalen Vermögensverwalters Growney. Davor war er bei der Berliner Weberbank als stellvertretender Direktor für die Betreuung von großen Spezialfondsmandaten und Stiftungen zuständig und kümmerte sich um große institutionelle Kunden wie Versicherungen und Versorgungswerke.

Sondern?
Erst mal ist die Aktienkultur, die sie befördert haben, gar keine richtige Aktienkultur. Die Broker verdienen natürlich nur Geld, wenn viel und schnell getradet und Umsatz generiert wird. Da passiert oft kein nachhaltiger Vermögensaufbau, sondern da wurden teilweise Zocker herangezüchtet. Viel zu handeln kostet Anleger am Ende immer Rendite und damit mehr Geld, als ihnen viele Werbekampagnen suggerieren. Ein zweiter Kritikpunkt ist die Qualität der angebotenen Finanzprodukte, die durch PFOF möglicherweise nicht immer sichergestellt ist. Die Handelspartner zahlen den Brokern Geld für den Order Flow. Da stellt sich natürlich die Frage, wie neutral ein Broker ist und ob er sich den besten Handelspartner aus Kundensicht aussucht oder einfach den, der ihm am meisten für den Order Flow bezahlt.

Trade Republic, Scalable und Co. rechtfertigen ihr Geschäftsmodell auch damit, dass sie Menschen mit weniger Geld überhaupt Zugang zum Kapitalmarkt ermöglichen. Diese Anlegergruppe würde ein PFOF-Verbot hart treffen, oder?
So eindeutig ist das nicht. Die niederländische Finanzaufsicht AFM hat in einer Analyse herausgefunden, dass PFOF-Handelsplattformen den Privatkunden schlechtere Konditionen und Preise für Wertpapieraufträge bieten als der restliche Markt. Deshalb ist PFOF in den Niederlanden verboten. So weit will die deutsche Finanzaufsicht BaFin nicht gehen. Sie äußert sich ein bisschen differenzierter und sagt, bei kleineren Transaktionssummen unter 2000 Euro könne das PFOF-Geschäftsmodell von Neobrokern durchaus ein Vorteil sein. Allerdings bezieht sie sich nur auf Dax-Werte. Für die allermeisten Anleger geht es aber nicht nur um Dax-Werte, sondern auch um US-Papiere und europäische oder internationale Titel.

Wie läuft das bei Ihnen mit Rückvergütungen?
Das haben uns auch einige Kunden gefragt. Als das PFOF-Thema in den Medien aufkam, waren wir quasi unter Generalverdacht. Wir konnten aber transparent erklären, dass wir keine Rückvergütung kriegen. Wir decken die Ordergebühren mit den Servicegebühren unserer Kunden. Daran sind Vermögensverwalter gesetzlich gebunden. Bei uns zahlen Anleger eine prozentuale Vermögensverwaltungsgebühr, die abhängig ist von der Summe in ihrem Depot.

Wenn Sie von einem PFOF-Verbot nicht betroffen sind, wird es Sie sicher freuen,dass der Druck auf Neobroker steigt und das den Wettbewerb zu Ihren Gunsten verschieben könnte?
Freuen wäre übertrieben. Es ist einfach eine logische Konsequenz. Wir sind kein Freund von Überregulierung, um Gottes Willen. Aber da, wo es den Verbraucher schützt, macht es ja durchaus Sinn, wenn das Europäische Parlament und der Europäische Rat eingreifen. Wir sind nur für Waffengleichheit, also dafür, dass mit gleichen Mitteln um den Kunden geworben wird.

Ein paar Neukunden werden Sie doch zuletzt bekommen haben, oder?
Wir wachsen stetig und können uns da überhaupt nicht beklagen. Seit Jahresbeginn sind unsere Assets um rund 38 Prozent gestiegen. Das liegt aber eher am Interesse an unserem Angebot. Ob wir jetzt von einem PFOF-Verbot profitieren oder nicht, kann ich derzeit noch nicht sagen. Jeder, der beim Broker investiert, sich das gut überlegt und langfristig plant, der soll das machen. Das ist vollkommen legitim. Es wäre nur schade, wenn eine Zockergeneration heranwächst, die sich irgendwann enttäuscht vom Markt abwendet.

Wie wird das PFOF-Verbot die Branche und ihre Produkte verändern – auf was müssen sich Anlegerinnen und Anleger einstellen?
Es gibt bereits Neobroker mit einem Premiummodell, bei dem Anleger einen monatlichen Fixbetrag zahlen und dafür kostenfrei Handeln können. Das wäre eine Möglichkeit auch für andere Anbieter. Sie müssen und werden sich das jetzt überlegen. Ein PFOF-Verbot wird zum Wohle des Kunden sein, weil die Marge dann nur noch zwischen Kunde und Anbieter geteilt werden muss. Und ich glaube, dass man die Aktienkultur auch ohne PFOF fördern kann. Mittel- und langfristig ist ein breit diversifiziertes Aktieninvestment einfach die beste Option für den Vermögensaufbau. Das funktioniert aber erwiesenermaßen mit „Buy and hold“ besser als mit dem ständigen An- und Verkauf von Einzeltiteln.

Trotzdem haben die Günstig-Anbieter jetzt Angst vor Kündigungen.
Ja, aber es ist doch besser, wenn sich Kunden künftig mehr Gedanken über ihre Aktienkäufe machen, weil sie einen etwas höheren Preis für den Wertpapierauftrag zu zahlen haben. Wenn man mal ganz ehrlich ist, dann ist ein Preis von ein paar wenigen Euro für eine Order über mehrere Tausend Euro nicht zu hoch. Viel schlimmer wäre es doch, wenn wir etwas Ähnliches wie bei der Dotcom-Blase Anfang 2000 erleben. Damals haben die Leute den Kapitalmarkt für sich entdeckt, blind investiert und waren nach dem Platzen der Blase enttäuscht. Diese Leute hat man für Jahrzehnte verloren. Auch deswegen ist die Aktienkultur in Deutschland so schlecht. Ich sehe die Gefahr, dass die Broker das durch günstiges Handeln mit Hilfe der PFOF wieder befeuern. Für Altersabsicherung oder andere wichtige Sparziele müssen die Leute langfristig investieren, diese Gambling-Mentalität ist dafür kontraproduktiv.

Inzwischen sind viele Anlegerinnen und Anleger ohnehin vorsichtiger geworden. Sehen Sie auch bei Ihren Kunden, dass sie ETF-Sparpläne aussetzen und weniger Geld investieren?
Während Corona haben wir viele Kunden gewonnen, die nach wie vor investieren. Seit dem Krieg in der Ukraine und aufgrund der hohen Inflation sind manche aber zurückhaltender. Sie haben weniger Geld im Portemonnaie und überlegen genauer, wie hoch sie ihren Sparplan anlegen oder wie viel sie als Einmalzahlung investieren. Trotzdem, der Markt für Vermögensaufbau ist ein Wachstumsmarkt. Auch die Neobroker werden sicherlich weiterhin ein funktionierendes Geschäftsmodell haben, selbst wenn die Marge nicht mehr ganz so groß sein wird.

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