Der milliardenschwere Neobroker Scalable Capital vollzieht einen strategisch wichtigen Wandel – das Fintech wickelt die Trades seiner Kunden ab sofort über eine eigene elektronische Handelsplattform ab. Partner ist die Börse Hannover. Dies gaben beide Unternehmen am Dienstag bekannt.
Scalable Capital läutet damit die Abkehr von einem wesentlichen Teil seines Geschäftsmodells ein. Bislang reichte der Neobroker die Orders seiner Kunden gegen Gebühr an verschiedene Partner weiter. Dadurch konnte Scalable den Kauf von Aktien oder ETFs besonders günstig anbieten, schon ab einem Euro. Auch andere Anbieter wie Trade Republic setzen auf das sogenannte „Payment for Orderflow“-Verfahren. Es soll von 2026 an jedoch verboten werden. Die EU hält das Verfahren für intransparent und nicht förderlich für den Wettbewerb mit klassischen Online-Banken.
Mit dem Start einer eigenen Handelsbörse („European Investor Exchange“, kurz „EIX“) reagiert Scalable Capital nun als erster Neobroker auf das bevorstehende Verbot. Das Fintech kann die Trades seiner Kunden selbst abwickeln und an dem sogenannten Spread verdienen, also der Differenz zwischen Kaufkurs und Auftragskurs. Bisherige Partner wie die Handelsbörse Gettex und einzelne Partnerbanken von Scalable haben das Nachsehen.
Baader Bank verliert wichtigen Partner
Dies trifft in dem Fall auf die Frankfurter Baader Bank zu, sie verwaltete bislang einen Großteil der Kundendepots und Verrechnungskonten von Scalable. Dies wird sich künftig ändern. Bei Neukunden übernimmt Scalable die Depotführung ab sofort selbst. Darüber hinaus erhalten Bestandskunden, deren Depots bislang noch bei Baader liegen, demnächst die Möglichkeit, ihr Depot umzuziehen. Früher oder später – davon geht das Portal Finanz-Szene aus – dürften auch die verbliebenen Baader-Depots auf die neue Scalable-Plattform migriert werden.
Die Baader Bank erlebt damit jetzt das, was die Solarisbank zuletzt häufiger erleben musste. Erst macht man als regulatorischer und technischer Dienstleister ein wachstumsstarkes Fintech groß – nur um dann zu sehen, wie es sich neue Partner sucht beziehungsweise einen Teil der jahrelang erbrachten Dienstleistungen schlichtweg internalisiert.
Kunden profitieren von langen Handelszeiten
Ob sich das neue Setup für Scalable Capital auszahlt, muss sich aber erst zeigen. Es braucht eine kritische Masse an Kunden und Trades. Ob Scalable Capital diese kritische Masse wirklich schon erreicht hat, wird von manchen Branchenkennern bezweifelt. Und ob es gelingt, andere Anbieter auf die eigene Handelsplattform zu locken, bleibt ebenfalls abzuwarten.
Für die Kunden des Neobrokers soll sich die neue Handelsbörse indes sofort lohnen. Zum Start stünden Anlegern bereits rund 15.000 Werte zur Verfügung, darunter Aktien, Fonds sowie ETFs und Kryptowährungen. Dazu soll es vergleichsweise lange Handelszeiten geben: von 8 bis 22 Uhr.