Es war ein Stopp im letzten Moment: Ab heute sollten die Aktien des Augsburger Getriebeherstellers Renk eigentlich erstmals an der Frankfurter Börse gehandelt werden, wenige Stunden vorher verschoben das Unternehmen und sein Eigentümer, der Finanzinvestor Triton, den IPO jedoch auf unbestimmte Zeit. „In den letzten Tagen hat sich das Marktumfeld spürbar eingetrübt“, begründete Renk die kurzfristige Absage. Ob der Börsengang später nachgeholt wird, werde geprüft.
Zuvor hatte sich abgezeichnet, dass die 27,03 Millionen Aktien sich nur am unteren Ende der Preisspanne hätten verkaufen lassen. Die begleitenden Investmentbanken hatten Investoren am Mittwoch 15 Euro als voraussichtlichen Ausgabepreis genannt. Auf diesem Niveau sei die Emission „vielfach überzeichnet“, hatte es da noch geheißen. Die Spanne reichte bis zu 18 Euro. Das ehemals zu MAN gehörende Unternehmen wäre zum avisierten Preis mit 1,5 Mrd. Euro bewertet worden – das wäre mehr als das Doppelte des Preises, den Triton Anfang 2020 gezahlt hatte, aber ein deutlicher Abschlag zur Bewertung anderer Rüstungszulieferer.
Dem Finanzinvestor entgeht nun ein Erlös von 405 Mio. Euro. Triton hatte Renk für knapp 700 Mio. Euro vom Autobauer Volkswagen gekauft und anschließend – nach 97 Jahren – von der Börse genommen.
Renk zählt zu den weltweit führenden Herstellern von Antriebstechnik. Dabei entfallen 70 Prozent des Umsatzes auf die Rüstungsindustrie. Ob deutscher Leopard, britischer Ajax oder französischer Leclerc – in all diesen Panzern stecken Getriebe von Renk, genau wie in Marineschiffen. Obwohl einer der wichtigsten Rüstungsbetriebe des Landes, blieb das Unternehmen bis zum Beginn des Krieges in der Ukraine aber weitgehend unter dem Radar. Renk beliefert 30 Landstreitkräfte auf der ganzen Welt, dazu 40 Marinen. Aber auch in Windrädern oder Wärmepumpen steckt Technologie von Renk.
Beachtlicher Wachstumsschub
Die von Bundeskanzler Olaf Scholz im vergangenen Jahr ausgerufene „Zeitenwende“ bescherte dem Unternehmen zuletzt einen beachtlichen Wachstumsschub: 2020 hatte der Umsatz noch bei 550 Mio. Euro gelegen, im vergangenen Jahr waren es schon 850 Mio. Euro. Für 2023 erwarten die Augsburger einen Umsatz zwischen 900 Mio. und 1 Mrd. Euro. „Plötzlich wird die Verteidigungsindustrie positiv wahrgenommen und ist raus aus der Schmuddelecke“, sagte CEO Susanne Wiegand unlängst im Gespräch mit Capital.
Der IPO-Rückzieher in letzter Minute ist ein ungewöhnlicher Schritt. Als auffallend bewerten Beobachter die Formulierung, es werde geprüft, ob ein Börsengang später nachgeholt werden könne. Denkbar scheint damit auch eine andere Lösung als ein IPO für Renk.
Renk wäre der vierte Börsenneuling in Deutschland in diesem Jahr gewesen. Offen ist, wie der nächste Börsenkandidat auf die Absage von Renk reagiert. DKV Mobility, der für seine Tankkarten bekannte Mobilitätsdienstleister aus Ratingen, wollte Insidern zufolge in dieser Woche seine Börsenpläne öffentlich machen.
Die Aktien des Mainzer Pharmaverpackungsherstellers Schott Pharma notierten am Mittwoch – eine Woche nach der Erstnotiz – mit 30 Euro elf Prozent über dem Ausgabepreis von 27 Euro. Die Papiere der Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera haben seit dem Börsengang im Juli elf Prozent verloren. Der Cloud- und Webhosting-Anbieter Ionos liegt fast ein Viertel unter dem Ausgabepreis.