Die Nachricht vom Chefwechsel bei Nestlé war noch einmal ein kleiner Schock für die Börsen: Am Donnerstagabend gab der größte Nahrungsmittelkonzern der Welt nachbörslich bekannt, dass Vorstand Mark Schneider bereits Ende August, also in wenigen Tagen, das Unternehmen verlassen werde. Der mehrköpfige Nestlé-Verwaltungsrat hatte den Abgang beschlossen und Schneider daraufhin seinen Rücktritt erklärt. Nach siebeneinhalb Jahren im Amt – obwohl der Lebensmittelmulti sonst für seine extreme Stetigkeit bekannt ist. Ein Nachfolger für Schneider ist bereits gefunden.
Der überraschende Abgang drückte die Aktie am Freitag um drei Prozent ins Minus. Dabei hatte das Nestlé-Papier erst im Juli satt verloren. Denn die jüngsten Halbjahreszahlen fielen so mau aus, dass der Konzern seine Aussichten für 2024 nach unten korrigieren musste: Statt mit vier Prozent Umsatzwachstum rechnet er jetzt nur noch mit drei Prozent fürs Gesamtjahr. Darauf stürzte die Nestlé-Aktie erstmals unter 90 Franken. Im Herbst hatte sie erst die magische 100-Franken-Linie nach unten durchstoßen.
Nestlé-Aktie im Minus
Auf Jahressicht notiert die Aktie nun rund 17 Prozent im Minus. Das muss man bei den derzeit gutlaufenden Börsen erst einmal schaffen: Der Schweizer Gesamtindex SMI liegt auf Jahressicht nämlich rund 12 Prozent im Plus.
Bis Herbst jedenfalls gab es noch viel Lob für Nestlé-Chef Schneider, doch seitdem mehrt sich die Kritik. Er war im Januar 2017 als erster Chef „von außen“ in den Konzern geholt worden, zuvor war er Vorstand von Fresenius. Schneider baute den Lebensmittelkonzern in der Coronapandemie stark um. Er stärkte die Wachstumsbereiche Kaffee, Tierfutter und Gesundheitsprodukte. Das kam gut an. Zudem legte er einen stärkeren Fokus auf die Themen Nachhaltigkeit und Innovation. Manchen Beobachtern jedoch waren gerade die Innovationen zu verspielt. Zudem kamen jüngst Schwierigkeiten in der sehr wichtigen Wassersparte hinzu, sowie im Geschäft mit Vitaminen.
Anleger investieren lieber in Konkurrent Unilever
Alles in allem machte Nestlé in diesem Jahr eher mit Negativschlagzeilen von sich reden, obwohl die Geschäftszahlen für 2023 noch gut aussahen. Deswegen war die Aktie in der Gunst vieler Anleger abgesackt – dadurch hatte der stärkste Schweizer Konzern auch satt an Marktkapitalisierung verloren.
Der größte Wert des Schweizer Leitindex gehört für viele europäische Anleger und Pensionskassen zu den „Must-have“-Aktien. Gerade auch bei vielen Vermögensverwaltern ist Nestlé eine der absoluten Favoriten im Depot, hierzulande gehört sie zu den Top-10 der häufigsten Aktien in den Depots vermögender Kunden. Weil der Nahrungsmittelkonzern zu den stabilen und eher krisensicheren Qualitätsaktien zählt.
Nun scheint Nestlé selbst etwas in die Krise geraten zu sein. Im direkten Vergleich jedenfalls hatten viele Börsianer zuletzt lieber zu Papieren von Unilever gegriffen. Vor allem auch wegen der schwachen Performance von Nestlé und der besseren Kursentwicklung des Konkurrenten: Während Nestlé auf Jahressicht 16 Prozent an der Börse verlor, legte der britische Konkurrent Unilever auf Jahressicht gut 20 Prozent zu. Der Abstand zwischen beiden beträgt also aktuell 36 Prozentpunkte. Das ist in der Welt der eher unbeweglichen Dickschiffe enorm.
Laurent Freixe: Wer ist der neue Nestlé-Chef?
Nun übernimmt Laurent Freixe im September den Nestlé-Vorstandsvorsitz, der 62-Jährige ist bereits seit 1986 im Konzern, also seit fast 40 Jahren. Er leitete 2008 bis 2014 das Europageschäft für den Lebensmittelhersteller, aktuell ist er Lateinamerikachef. Er kenne somit fast alle Märkte und Regionen des Konzerns, so loben Verwaltungsräte den Nachfolger, und sei „genau die Führungskraft, die Nestlé jetzt braucht“.
Ob er bereits auf kurze Sicht die Umsatzergebnisse maßgeblich verbessern kann und ob die Gewinnmargen für 2025 Bestand haben werden, ist laut Analysten aber noch fraglich. Immerhin bleiben die Analysten der Deutschen Bank derzeit neutral was die Aktie betrifft und belassen sie auf „Hold“. Das Kursziel liegt bei 95 Franken. Gerade notiert sie bei rund 87,70 Franken.
Man wird Freixe auf längere Sicht vor allem daran messen, ob er den Aktienkurs von Nestlé wieder über die magischen 100 Franken heben kann.