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Zinswende Millionen fürs Provisionsgeschäft: Europas Banken kündigen Strategiewechsel an

Wolkenhimmel am Abend über dem Commerzbank Tower in Frankfurt am Main
Wolkenhimmel am Abend über dem Commerzbank Tower in Frankfurt am Main
© picture alliance / greatif | Florian Gaul
Nach der Zinspause der EZB rechnen europäische Banken mit weniger Gewinn im Kreditgeschäft. Ein grundlegender Strategiewechsel soll die Aktionäre zufrieden stellen. Für die Kunden könnte es jedoch unangenehm werden und teurer

Den europäischen Banken ging es dieses Jahr besonders gut. Vor allem durch die Zinserhöhungen der Notenbanken konnten sie zuletzt hohe Gewinne einstreichen. Um die Inflation zu bekämpfen, hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen seit Juli 2022 zehnmal angehoben. Banken verdienten deshalb wieder Zinsen, wenn sie Geld bei der EZB parkten. Und sie verdienten an den höheren Kreditzinsen im Privat- und Firmenkundengeschäft.

Dies hat nun wohl ein Ende: Bei seiner Sitzung im Oktober hat der EZB-Rat auf eine weitere Erhöhung der Leitzinsen verzichtet. Seit Beginn der Zinswende war dies die erste Sitzung ohne Erhöhung. Der wichtigste Leitzins im Euroraum liegt damit aktuell bei 4,5 Prozent. Und schon für das Frühjahr 2024 rechnen einige Experten mit fallenden Zinsen. Europäische Banken feilen deshalb schon heute an einer neuen Strategie.

530 Mio. Euro für Provisionsgeschäft

„Die Steigerung der Provisionserträge wird ein Schwerpunkt unserer Wachstumsinitiative für die nächsten Jahre sein.“ Mit diesem Satz läutete Commerzbank-Finanzchefin Bettina Orlopp am Mittwoch den Strategiewechsel ihrer Bank ein. In einem Gespräch mit Bloomberg TV stellte sie einen Plan vor, den wohl ein Großteil des europäischen Finanzwesens in Zukunft verfolgen wird: Europas Banken wollen die Investitionen in ihr Provisionsgeschäft deutlich erhöhen. Bei der Commerzbank sollen 530 Mio. Euro der größte Teil der jährlichen Investitionen in Wealth Management und Asset Management fließen. Dadurch will man die Provisionserträge in den nächsten vier Jahren um 18 Prozent erhöhen.

Bei der Vorstellung der letzten Quartalszahlen schlug die Konkurrenz ganz ähnliche Töne an. Die Chefs von Unicredit, Deutsche Bank und BNP Paribas versicherten ihren Anlegern, Geld in Geschäftsbereiche zu leiten, die nicht vom Kreditgeschäft abhängen, wie Beratung, Versicherungen, Private Banking und Zahlungsverkehr.

Mögliche Änderungen bei der Preisgestaltung

Einzelne Maßnahmen teilten die Banken bisher nicht mit. Bei der Preisgestaltung im Zahlungsverkehr lässt sich aber ablesen, wohin sie im nächsten Jahr steuern wollen. Laut einer aktuellen Auswertung der Stiftung Warentest hält nicht nur der Trend weg vom kostenlosen Girokonto an: nur noch neun von 460 Girokonten sind ohne Bedingungen kostenlos. Auch bieten die Banken immer weniger Konten an, die weniger als 60 Euro im Jahr kosten – und damit aus Sicht der Experten „günstig“ sind.

Auch einzelne Leistungen wie Überweisungen könnten teuer werden, sagen die Experten voraus. In manchen Fällen sei zwar der Grundpreis günstig, dafür langen Kreditinstitute bei der Girocard oder Buchungen wie Last- oder Gutschriften, Überweisungen und Daueraufträgen zu. Zu Buche schlagen meist auch Überweisungen per Beleg, Telefonbanking oder Bareinzahlungen.

Trendwende beim Personal

Ein weiterer Indikator: Nach Jahren des Stellenabbaus suchen Banken wieder nach Beratern. So stärkte die Deutsche Bank im Sommer das Investmentbanking. Bei der Commerzbank wird ein Bedarf von 2000 Stellen diskutiert – pro Jahr. Die Coba genauso wie die Deutsche Bank würden bald viel, viel mehr neue Mitarbeiter brauchen, schreiben die Branchenexperten von Finanz-Szene. Vor allem in den kundennahen Bereichen wie Beratung, Vertrieb und dem sogenannten Know Your Customer (Kenne deinen Kunden). Insgesamt, so besagen es Informationen von Finanz-Szene, werden Deutsche Bank und Commerzbank schon bald eine vierstellige Zahl von Stellen zu besetzen haben.

Bankkunden dürfen nun zweierlei: auf einen besseren Service hoffen, für den sie dann auch gerne bezahlen oder befürchten, dass sich ihr Berater nun nicht mehr nur sporadisch meldet, sondern bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit. So oder so: Im europäischen Finanzwesen findet aktuell eine Verschiebung statt, die auch die deutsche Bankenlandschaft grundlegend verändern wird.

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