Früher sahen die Menschen manchmal rot, heute sehen immer mehr nur noch Grün: beim Blick auf die Wahlzettel. Beim Stadtbummel, bei dem man in die Fridays-for-Future-Demos läuft. Selbst im Berufsverkehr ergrünen plötzlich die Verkehrsinseln und Straßenbahntrassen, weil immer mehr Menschen Wildblumen säen, um Bienen zu retten. Die Samen dazu findet man schließlich schon im Deckel seines Frühstücksbrotaufstrichs. Überall sprießt die Sehnsucht nach einem ökologischeren Leben.
Umso erstaunlicher ist dies: Grün, grün, grün sind zwar alle unsere Themen, doch was ist mit unseren Finanzen? Da stellen sich fast zwei Drittel der Bevölkerung erst mal ganz dumm. So viele sagen laut aktueller Bafin-Umfrage zur nachhaltigen Geldanlage: „Den Begriff kenne ich nicht.“ Knapp 40 Prozent haben ihn immerhin „schon mal gehört“. Zwei Prozent sind sich nicht sicher. Noch schwammiger wird es, wenn die Befragten erklären sollen, was sich wohl dahinter verbirgt. Das erstaunt, denn selbst die Finanzszene kommt längst nicht mehr um nachhaltige Geldanlage herum.
Schon seit Jahren prophezeien Umfragen, das grüne Geld werde nur so ins Kraut schießen. Angeblich wollen 40 Prozent hiesiger Privatanleger gute Geldanlagen in ihren Depots verwurzeln, doch nur fünf Prozent haben es bisher getan. Immerhin berücksichtigen 70 Prozent der Vermögensverwalter, Fondsgesellschaften und Pensionskassen nach Eigenaussagen bereits ethische, ökologische und soziale Kriterien beim Anlegen. Genau das bedeutet nachhaltiges Anlegen nämlich: in Unternehmen zu investieren, die umweltfreundlich produzieren, bei denen soziale Arbeitsbedingungen herrschen und deren Unternehmensführung integer ist. Solche Firmen, das weisen bereits Hunderte Studien nach, sind auch wirtschaftlich erfolgreicher. Deshalb sagt neuerdings selbst Liberalen-Chef Christian Lindner: Green Finance werde einen Wachstumsschub erleben . Nur wann?
Das Gute liegt so nah
Tatsächlich ist es einigermaßen schwer, bei den Grünanlagen die Spreu vom Weizen zu trennen: Welche sind die wirklich Guten, und welche heften sich das Ökolabel nur an, um die grüne Welle mitzureiten? Pleiten von Windkraft- und Solarfirmen haben viel Geld versenkt. Jetzt gibt es auch noch „Climate Bonds“, grüne Staatsanleihen, „Green Bonds“ von Erdölfirmen – selbst Lebensversicherungen wollen ökologisch korrekt sein. Klar, dass viele Anleger da den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Zumal nur ganz wenige Ökofonds wirklich ihre Namen verdienen, weil sie so konsequent gemanagt sind wie die von Ökoworld, Sarasin oder Triodos.
Dabei liegt das Gute oft so nah: Warum nicht in heimische Höfe investieren und sich an Erntegemeinschaften beteiligen? Die zahlen ihre Anleger in Obst, Fleisch, Käse oder Gemüse aus. Das spart den Wocheneinkauf. Anleger teilen sich auch Kühe oder lassen sich Milch liefern. Es gibt Schafaktien zu 55 Euro, für die bekommt man fünf Kilo Lammfleisch zu 11 Euro, also halb so teuer wie beim Metzger. Rendite: rund 100 Prozent. Dabei unterstützt man die Bauern und fördert Kleinbetriebe in der Region. All das ist nachhaltig. Grüner geht’s beim Geld nicht. War das nun wirklich so schwer?
Die Kolumne von Nadine Oberhuber erscheint jeden Monat in Capital. Interesse an Capital? Hier geht es zum Abo-Shop , wo Sie die Print-Ausgabe bestellen können. Unsere Digital-Ausgabe gibt es bei iTunes und GooglePlay